Traditionell und zukunftsfähig zugleich: Das Projekt „ReSidence“ erforscht digitale Bautechnologien für schnell nachwachsende Ressourcen — und kombiniert sie zu einer modularen Bauweise für kreislauffähige und abfallfreie Wohnraumerweiterungen.

Die Bauindustrie ist in hohem Maße von endlichen Ressourcen abhängig — und folgt einem linearen Wirtschaftsmodell von Entnehmen-Verarbeiten-Entsorgen, das durch die Erschöpfung der Ressourcen und die Erzeugung von Abfällen eine erhebliche Umweltbelastung verursacht: Das ist der Ausgangspunkt des Forschungsprojekts „ReSidence“ („regional-nachwachsendes, recyclingfähiges und modular-rekonfigurierbares Wohnen“). Vorgestellt wird das Projekt auf der Landesgartenschau in Wangen im Allgäu (bis 6. Oktober).
Die Alternative der Forschenden zum Modell „Entnehmen-Verarbeiten-Entsorgen“: die Einführung geschlossener Materialkreisläufe im Bauwesen. Das soll ermöglicht werden, indem Abfälle minimiert und die Materialquellen nachwachsender Ressourcen diversifiziert werden. „ReSidence“ stelle Hybridstrukturen für architektonische und bautechnische Anwendungen vor, die durch maßgeschneiderte digitale Fertigungssysteme und Berechnungswerkzeuge zirkuläre Materialkreisläufe ermöglichen.
Unter der Verwendung von natürlichen, nachwachsenden und wiederverwendbaren Materialien sowie Materialkombinationen werden in der Zusammenarbeit von acht KIT-Instituten (Karlsruhe Institute of Technology) sowie externen Partnern neue Bausysteme untersucht.
Fachwerk plus Digitalisierung
Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die modulare Deckenbauweise, die speziell für den Einsatz in mehrgeschossigen Büro- und Wohngebäuden entwickelt wird. Hierbei wird ein hybrides Materialsystem aus Weiden, Lehm und Holz erforscht. Die Weide, als schnell nachwachsender Rohstoff, wird mit Lehm und Holz zu einem innovativen Materialverbund kombiniert. Dieses Materialtrio findet seinen Ursprung im Fachwerkbau, wo Weide und Lehm traditionell als nicht tragende Füllmaterialien verwendet wurden.
Durch den Einsatz digitaler Bautechnologien werden diese natürlichen Materialien zu einem Tragsystem vereint. Lehm, bekannt für seine Druckbelastbarkeit, wird durch die Kombination mit Weide als Zugbewehrung gestärkt, wodurch sich ihre jeweiligen Eigenschaften ergänzen und ein stabiles Tragsystem entsteht.
Für diese Entwicklung waren synergetische Forschungsarbeiten auf den Gebieten des digitalen und nachhaltigen Bauens, Baukonstruktion, Tragwerksplanung sowie Bauteilprüfung und Ökobilanzierung notwendig, um das Zusammenwirken der verschiedenen Materialien und ihrer bautechnischen Anwendung zu untersuchen.
Mit Hilfe digitaler Vorfertigung werden die Weidenruten in die gewünschte Bauteilform gewoben. Nachfolgend werden die Weidenelemente zwischen dünnen Holzträgern befestigt und mit Lehm verfüllt. So entsteht ein hybrides Tragsystem.
Diese Deckenbauteile sind je 1,20 m breit und 3,60 m lang. Nebeneinandergesetzt und befestigt an Holzträgern, ergibt sich so eine Geschossebene. Die modulare Bauweise ermöglicht zudem die Wiederverwendbarkeit der Bauteile, was den gesamten Materialkreislauf schließt und das Recycling von Baumaterialien fördert.
Die Fassadenelemente zeigen eine von der FibR GmbH entwickelte, ebenfalls modulare Bauweise einer Fassade aus Flachsfaser-Verbundstoffen, die robotisch hergestellt werden. Die robotisch gewickelten Flachsfaser Biokomposit Filamente überspannen den Bereich zwischen der Primärtragstruktur und tragen die punktgehaltene Fassade.
Der Forschungsdemonstrator auf der Landesgartenschau versteht sich als Ausschnitt eines mehrgeschossigen Wohn- oder Bürogebäudes. Wie auch das geplante Gebäude bedient er sich eines hohen Grades an Modularität. So wurden die Deckenelemente, Holztragwerk und Fassadenstruktur digital vorgefertigt und zur Montage angeliefert. Durch die modulare Vorfertigung können die Umwelteinflüsse bei der Herstellung sowie die Lärm- und Staubemissionen auf der Baustelle minimiert werden. Dies steigert die Bauqualität und entlastet die Anwohner in Zukunft.
Die Modularität ermöglicht eine spätere Demontage und Wiederverwendung der Elemente. Zudem sind die Module abfallfrei recycelbar, so dass der Stoffkreislauf geschlossen wird und nach dem Rückbau eines Gebäudes keine Materialien entsorgt werden müssen.
Wiedervernässung von Mooren
Vorteile der verwendeten Materialien: Weide und Holz sind nachwachsend, und Lehm ist weltweit in großen natürlichen Vorkommen vorhanden. Die verwendeten Materialien können lokal beschafft werden, dies spart CO2-Emissionen ein und stärkt die lokale Wirtschaft. Durch die Kombination von Lehm und Weide können Zugkräfte in den Bauteilen aufgenommen werden und somit vergleichbare Stahlbetonbauteile ersetzt werden. Im Vergleich zu gängigen Betonbauteilen stoßen die hier gezeigten Bauteile wesentlich weniger CO2 aus und schonen so die Umwelt.
Die Weide hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie wächst gut auf sehr nassen Böden. In Deutschland gibt es große Moorflächen, die in der Vergangenheit für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt wurden und seitdem durch den Verrottungsprozess des Torfes große Mengen CO2 freisetzen. Der Anbau von Weiden bietet hier eine Chance, diese Flächen wieder zu vernässen und dennoch landwirtschaftlich nutzen zu können.
Die Hybriddecken mit Weidenruten als Untersicht lassen die Funktionsweise des Gebäudes erlebbar werden und prägen durch ihre Regelmäßigkeit den Raum. Besonders in Kombination mit Stampflehmwänden erschließen sich, durch die sichtbaren Oberflächen von Weide Lehm und Holz, neben der nachhaltigen Bauweise auch neue architektonische Gestaltungsmöglichkeiten.
Red.