Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

„Beim Abriss wird Bauschutt oft nicht ausreichend getrennt und in einer Form von der Baustelle abgefahren, die eine hochwertige Verwertung erschwert“, so Florian Knappe. Foto: Adobe Stock/Pixavril

Abriss sollte vermieden, Bauschutt sollte getrennt und wiederverwertet werden – so die Theorie. In der Praxis liegen Hindernisse für nachhaltiges Bauen oft in den Köpfen, beobachtet Abfallexperte Florian Knappe.

Der Bausektor hat einen hohen Ressourcenbedarf und produziert große Mengen CO22. Bestandsgebäude sollten umgenutzt werden, statt neu zu bauen, oder Bauschutt sollte zu hochwertigen Baustoffen recycelt werden. Was kann eine Kommune tun, wenn sie sich hier auf den Weg machen will?

Florian Knappe: Der einfachste Einstieg, um Materialkreisläufe zu schließen, ist im Straßenbau gegeben, hier sind auch bereits viele Kommunen dabei. Man hat den Asphalt, den man abfräsen kann, und darunter eine Schotterlage. Beides ist grundsätzlich sehr gut wieder als solches im Straßenbau verwertbar.

Wie sieht es beim Hochbau aus?

Knappe: Dort liegen die größeren Hürden – und nach wie vor wird viel zu viel abgerissen statt umgenutzt. Beim Abriss wird Bauschutt zudem oft nicht ausreichend getrennt und in einer Form von der Baustelle abgefahren, die eine hochwertige Verwertung erschwert. Das widerspricht den Vorgaben, wird aber dennoch so praktiziert.

Was könnte und sollte man stattdessen tun?

Knappe: Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan – aktuell kann man recycliertes Material vor allem im R-Beton – ein ressourcenschonender Transportbeton – verwerten, aber auch das ist schon ein wichtiger Schritt. Oder aus Dachziegeln kann man ein Granulat gewinnen, das zum Beispiel von Dachbegrünungsunternehmen händeringend gesucht wird.

Oft wird der Kostenfaktor hervorgehoben: Es ist teurer, Bauschutt ab Baustelle zu trennen, als ihn zu entsorgen.

Knappe: Das stimmt nur bedingt: Tatsächlich sind auf lange Sicht Ressourcen-verschwendung und CO2-Ausstoß teurer als Wiederverwertung. Aber auch kurzfristig muss Kreislaufwirtschaft nicht viel teurer und für die Kommune aufwändiger sein: Es gibt ambitionierte Abbruchunternehmen, die sehr gute Arbeit leisten. Man muss es aber wollen – und aus meiner Sicht sollten es Städte und Gemeinden unbedingt wollen: Sie sollten eine Vorbildfunktion übernehmen und Akzente im Baubereich setzen, sollten entsprechend ausschreiben und mit den Abbruchunternehmen zusammenarbeiten, die nachhaltig unterwegs sind, das heißt, dass man Mindeststandards einfordern sollte.

Woran liegt es, dass das oft nicht geschieht?

Knappe: Es sind immer einzelne Personen in den Verwaltungen, die neue Wege einschlagen und sich damit exponieren. Wenn es gut läuft, wird kein Aufhebens darum gemacht, und alles geht weiter seinen Gang. Wenn etwas nicht so läuft, wie es soll, werden Verantwortliche heftig in die Pflicht genommen. Aus meiner Sicht brauchen wir dringend Zweierlei: Würdigung, wenn etwas Neues gelingt, und eine andere Fehlerkultur.

Was könnte helfen, damit der Bereich Bauen nachhaltiger wird?

Knappe: Zuallererst informieren und aufklären – hier gibt es noch viel zu tun. Zudem ist Ermutigung sehr wichtig, zum Beispiel in Form von Auszeichnungen. Oder man integriert neue Projekte gezielt in die PR-Arbeit, stellt Best Practice-Beispiele vor. Damit würdigt man diejenigen, die sich hier engagiert haben – und andere können an die guten Erfahrungen anknüpfen.

Welches Projekt, das Sie begleitet haben, könnte man hervorheben?

Knappe: Zum Glück gibt es inzwischen viele Projekte, die Akzente setzen. Zum Beispiel eine Schule in Prüm in der Eifel, dieses Projekt wurde auch ausgezeichnet. Dort musste das Schulgebäude umgebaut werden, und der Schulbetrieb wurde in eine temporäre Modulbauanlage verlegt.

Was war in Sachen Nachhaltigkeit das Besondere an dieser Lösung?

Knappe: Die Module sind leicht auseinanderzunehmen und sollen später für andere Schulen zu deren Erweiterung eingesetzt werden. Die Module werden nicht entsorgt, vielmehr hat man andere Nutzungen von Anfang an mitgedacht. Darum muss es beim Bauen insgesamt gehen: Zum einen Bauschutt trennen und Baustoffe mit Rohstoffen aus dem Materialkreislauf verwenden. Zum anderen von vornherein Gebäude langfristig denken, auch weit in die Zukunft hinein, sie so planen, dass die nächste Generation sie umgestalten und den jeweils aktuellen Bedürfnissen anpassen kann, ohne sie abreißen zu müssen.

Was ist außerdem hilfreich?

Knappe: Die Stadt Karlsruhe zum Beispiel: Dort fasst der Stadtrat Grundsatzbeschlüsse, auf die sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung beziehen können – sie müssen sich also nicht exponieren, wenn sie nachhaltige Wege einschlagen. Oder ein Hochbauamt, das Baumaßnahmen ausschreibt, für die R-Beton verwendet werden muss, auch wenn das kurzfristig teurer ist. Hamburg zum Beispiel hat einmal einen interessanten Weg gewählt: Dort sollte R-Beton für neue Schulbauten verwendet werden, es gab aber keinen Recycler vor Ort. Die Ausschreibung erfolgte dann mit einem Spielraum von mehreren Monaten, so dass die Bauunternehmen aktiv werden und sich um R-Beton kümmern konnten.

Und das hat funktioniert?

Knappe: Sehr gut sogar. Oder ein anderes Beispiel: die Entsorgungsbetriebe in Mainz. Dort hieß es: „Wenn nicht wir mit gutem Beispiel vorangehen, wer dann?“ Man baute nachhaltig mit Baustoffen, die auf den Materialkreislauf zurückgreifen und fand auch Nachahmer. Dort war es der Chef der Entsorgungsbetriebe, der das nachhaltige Konzept vorangetrieben hat. Darum sollte es immer wieder gehen: Diejenigen unterstützen, die sich für nachhaltiges Bauen engagieren – die Ergebnisse würdigen und anderen zugänglich machen, damit sie die guten Erfahrungen aufgreifen können.

Interview: Sabine Schmidt

Zur Person: Florian Knappe ist Teamleiter Kreislaufwirtschaft am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu).

Foto: privat