Viele Stadtwerke in Deutschland haben eine bedenkliche Verschuldungsquote erreicht. Betroffen sind besonders Unternehmen, die in Holding-Strukturen arbeiten. Ergebnisabführungen, aber auch eine von der öffentlichen Hand gedeckte schuldenfinanzierte Expansion in neue Felder dürften die Gründe sein.
Es ist bislang fraglich, ob die kommunale Energieversorgungswirtschaft in ähnlicher Weise wie die großen börsennotierten Energieversorgungsunternehmen (EVU) eine Profitabilitäts- und Verschuldungskrise durchläuft oder auf eine solche zusteuert. Eine von Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vorgenommene Analyse geht dieser Frage nach. Grundlage sind die Jahresabschlüsse von insgesamt 429 operativen Energieversorgungsunternehmen, die kommunalem Einfluss unterliegen. Gemessen am Gesamtumsatz der kommunalen Energieversorgung in Deutschland stehen die betreffenden 429 EVU nahezu für die Gesamtheit dieses Teilsektors.
Starker Anstieg der Verschuldung
Bei den kommunalen EVU ist es zwischen 2009 und 2013 zu einer moderaten Verschlechterung der Profitabilität gekommen; gleichzeitig hat ein erheblicher Schuldenaufbau stattgefunden. Die Schuldentragfähigkeit, gemessen als das Verhältnis von Nettoschulden und Rentabilitätskennzahl EBITDA, ist in Folge um 52 Prozent auf einen Wert von 1,6 angestiegen.
Der operative Verschuldungsgrad als Ganzes betrachtet ist nur auf den ersten Blick noch nicht besorgniserregend. Denn der Teilsektor der kommunalen Energieversorger ist sehr heterogen. Schon 2013 wies aber eine erhebliche Anzahl von Stadtwerken eine unhaltbar hohe Verschuldungsquote auf. Zudem hat sich der negative Trend 2014 fortgesetzt. Der operative Verschuldungsgrad für die Unternehmen, die bereits 2013 diesbezüglich im oberen Viertel lagen, ist von 4,0 im Jahr 2013 auf 4,7 im Jahr 2014 gestiegen. Er hat sich also weiter verschlechtert.
Ganz besonders stark hat sich die Schuldentragfähigkeit derjenigen 174 kommunaler EVU verschlechtert, die im Rahmen stadtwerketypischer Holding-Strukturen arbeiten. Eine naheliegende Erklärung besteht darin, dass diese Unternehmen im Regelfall aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen ihren gesamten Gewinn an die jeweilige Holding überweisen müssen, sodass mit diesem dort unter Nutzung des steuerlichen Querverbunds die Verluste dauerhaft defizitärer Bereiche ausgeglichen werden können.
Demgegenüber können diejenigen Unternehmen, die nicht in kommunale Holding-Strukturen eingebunden sind, ihre Investitionen in neue Geschäftsfelder zum Teil auch aus nicht ausgeschütteten (thesaurierten) Gewinnen finanzieren. Für diese Erklärung spricht, dass die Eigenkapitalquote der Tochterunternehmen kommunaler Holdings über den Beobachtungszeitraum hinweg sank, während die der anderen EVU weitgehend konstant blieb. Wie die erwähnte Analyse zeigt, ist diese Erklärung aber alleine nicht ausreichend.
Möglicherweise kommt zusätzlich ein Steuerungsproblem zum Tragen: Innerhalb kommunaler Holding-Strukturen ist es eventuell vergleichsweise leicht, eine durch die öffentliche Hand gedeckte schuldenfinanzierte Expansion in neue Geschäftsfelder vorzunehmen. Ein Unternehmen dagegen, das entweder in transparenter Weise direkt an eine Kommune angegliedert ist oder an dem mehrere Kommunen oder auch private Gesellschafter beteiligt sind, könnte beim Aufnehmen von Schulden auf größere Hürden stoßen.
Es muss jetzt reagiert werden
Wenn eine kritische Schwelle des operativen Verschuldungsgrads überschritten wird und die Schuldentragfähigkeit ernsthaft in Zweifel gezogen werden muss, ist es für kommunale EVU besonders schwierig, wieder eine gesunde Eigenkapitalstruktur herzustellen und eine Konsolidierung einzuleiten. Dem diesem können sowohl haushaltsrechtliche als auch EU-beihilferechtliche Grenzen gesetzt sein. Dies zeigen Erfahrungen mit entsprechend gelagerten konkreten Fällen. Es besteht also tatsächlich die Gefahr, dass Kommunen auf Fehlentwicklungen ihrer EVU erst reagieren, wenn es bereits zu spät ist.
Es ist deshalb ratsam, dass insbesondere kleine und mittlere Stadtwerke, die in den vergangenen Jahren ihre Verschuldung erheblich ausgeweitet haben, ihre Schuldentragfähigkeit einer detaillierten Untersuchung unterziehen und dem Gesellschafter regelmäßig eine Darstellung der Tragfähigkeit unter Beachtung verschiedener Szenarien als Bestandteil der Mittelfristplanung vorlegen. Dafür ist es vor allem erforderlich, ein szenariofähiges integriertes Planungsinstrument einzusetzen. Über solche Planungsinstrumente verfügen kleine und mittlere Stadtwerke häufig nicht – der Aufwand für die Einführung solcher Planungsinstrumente ist aber gut vertretbar.
Jörg Balz / Nikolaus Graf Kerssenbrock
Die Autoren
Jörg Balz und Nikolaus Graf Kerssenbrock sind Partner bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin