Anreize für mehr digitale Ratsarbeit

Viele Wege führen zur digitalen Ratsarbeit – einen davon sollte man aber unbedingt einschlagen, empfehlen die Experten. Foto: Adobe Stock/XtravaganT

Sitzungsunterlagen in Papierform sind nach wie vor im Einsatz – es lohnt sich aber, ins Elektronische zu wechseln. Einige Kommunen setzen daher zusätzliche finanzielle Ansätze zur digitalen Ratsarbeit.

Tagesordnungen oder Satzungsentwürfe nur digital bereitzustellen, kann sich für Kommunen lohnen. Zum einen finanziell, da digitale Sitzungsunterlagen Personal-, Druck- und Portokosten in der Verwaltung einsparen können. Zum anderen kann eine papierlose Ratsarbeit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Einige Kommunen zahlen den Mitgliedern ihrer Volksvertretung daher als Anreiz eine zusätzliche Entschädigung, wenn sie durch eine schriftliche Erklärung auf Sitzungsunterlagen in Papierform verzichten. Die Entschädigung soll die Kosten ganz oder teilweise abdecken, die durch die digitale Ratsarbeit entstehen.

Hierzu zählen insbesondere die Anschaffungskosten für ein mobiles Endgerät (Tablets und Notebooks), Zusatzausstattung (Schutzhülle, Maus) sowie die laufenden Kosten für die digitale Infrastruktur (Internetzugang, Drucker). Die Art und Höhe der Entschädigung regeln die Kommunen in der Regel in einer Satzung oder in der Geschäftsordnung der Volksvertretung.

Einmalige und monatliche Entschädigung

Die beiden häufigsten Arten sind die einmalige Entschädigung zu Beginn der Wahlperiode und die monatliche Entschädigung. Eine einmalige Entschädigung zahlen beispielsweise die Stadt Heilbronn in Baden-Württemberg (1500 Euro), der Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg (500 Euro) und die Stadt Königs Wusterhausen in Brandenburg (300 Euro).

Für eine monatliche Entschädigung haben sich unter anderem die Stadt Speyer in Rheinland-Pfalz (25 Euro pro Monat), der Landkreis München in Bayern (70 Euro pro Monat) und die Gemeinde Kriftel in Hessen (10 Euro pro Monat) entschieden.

Es gibt aber auch Misch- und Sonderformen: So zahlt beispielsweise die Stadt Ludwigshafen am Rhein in Rheinland-Pfalz einmalig 200 Euro und zusätzlich 5 Euro pro Monat. In der Stadt Oldenburg in Niedersachsen können die Mitglieder des Rates wählen, ob sie einmalig 900 Euro erhalten oder ob die Stadt kostenlos ein mobiles Endgerät bereitstellen soll.

Individuelle Lösungen

Ein mobiles Endgerät stellt auch die Stadt Zerbst/Anhalt in Sachsen-Anhalt kostenlos zur Verfügung – allerdings ohne weitere oder alternative Entschädigungszahlungen. Dort regelt die Richtlinie über die digitale Ratsarbeit, dass den Mitgliedern des Stadtrats leihweise ein mobiles Endgerät einschließlich Schutzhülle und elektronischem Stift bereitgestellt wird.

Voraussetzung ist der Abschluss einer Nutzungsvereinbarung. Eine private Nutzung des Endgeräts ist allerdings untersagt. Wenn Mitglieder des Stadtrats ihr eigenes Endgerät nutzen wollen, beteiligt sich die Stadt nicht an dessen Anschaffungskosten.

In der bayerischen Gemeinde Pullach im Isartal können die Gemeinderatsmitglieder wählen, ob sie ihr eigenes Endgerät oder ein Endgerät der Gemeinde nutzen wollen (jeweils bei Nutzung der eigenen digitalen Infrastruktur). Wenn sie ihr eigenes Endgerät nutzen, bekommen sie eine Entschädigung von 60 Euro pro Monat, bei einem Endgerät der Gemeinde erhalten sie 20 Euro pro Monat.

Mehr Transparenz und einfachere Kommunikation

Durch die Umstellung auf eine papierlose Ratsarbeit ergeben sich viele Vorteile, wie kürzere Umlaufzeiten von Vorlagen, eine höhere Transparenz, eine vereinfachte Kommunikation und die Möglichkeit eines ständigen, ortsunabhängigen Zugriffs auf alle Sitzungsunterlagen. In finanzieller Hinsicht bestehen Einsparpotenziale insbesondere bei den Druck- und Portokosten.

Der Kreis Coesfeld in Nordrhein-Westfalen bezifferte die Kostenersparnis bei Umstellung auf eine papierlose Ratsarbeit im Jahr 2015 auf jährlich 178,36 Euro pro Kreistagsmitglied. Dies entspricht knapp 10.000 Euro pro Jahr, sofern alle 54 Kreistagsabgeordneten mitmachen.

Demgegenüber stehen die Kosten für die Umsetzung der digitalen Ratsarbeit. Hierzu zählen Kosten für Server- und Clientlizenzen, für den technischen Support sowie für Entschädigungszahlungen an die Mitglieder der Volksvertretung.

Passgenaue Anreize sind sinnvoll

Bei Gegenüberstellung der Einsparungen und Kosten konstatierte der Kreis Coesfeld, dass die Wirtschaftlichkeit einer Umstellung auf die papierlose Ratsarbeit insbesondere vom Anteil der Kreistagsabgeordneten abhänge, die bei der digitalen Ratsarbeit mitmachen. Liege der Anteil lediglich bei 50 Prozent, übersteigen die zusätzlichen Kosten die Einsparungen.

Bei einem Anteil von 100 Prozent könnten dagegen Einsparungen von 2076 Euro jährlich erzielt werden. Zu beachten ist allerdings, dass Einsparungen von Personalstellen-Anteilen in der Poststelle und der Druckerei sowie Kosten für einen erhöhten EDV-Stellenbedarf (zum Beispiel technischer Support, Schulungen) aufgrund mangelnder Abschätzbarkeit nicht in die Kalkulation des Kreises miteinbezogen wurden.

Damit sich möglichst viele Mitglieder der Volksvertretung an der digitalen Ratsarbeit beteiligen, sind passgenaue Anreize wichtig. Entschädigungszahlungen sind ein möglicher Anreiz, um die Bereitschaft zum Verzicht auf Sitzungsunterlagen in Papierform zu steigern.

Große Unterschiede zwischen den Kommunen

Die Beispiele zeigen, dass es bei der Entschädigungshöhe enorme Unterschiede zwischen den Kommunen gibt. Welche Höhe und welche Art der Entschädigung (einmalig vs. monatlich) zwecks Anreizwirkung optimal ist, wäre daher sicherlich eine spannende künftige Forschungsfrage.

Eine digitale Ratsarbeit ist aber natürlich auch ohne zusätzliche Entschädigungen umsetzbar. Es erscheint grundsätzlich empfehlenswert, auf Sitzungsunterlagen in Papierform möglichst zu verzichten – unabhängig davon, ob Entschädigungen gezahlt werden oder nicht. Andreas Burth und Mignon Sarah Egger

Die Autoren: Andreas Burth ist Dozent für allgemeine BWL und kommunales Management an der Ostfalia Hochschule in Salzgitter. Mignon Sarah Egger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Stadt- und Regionalmanagement.