Aktiv gegen anonyme Sprayangriffe

An der Frage, ob Graffiti an Hauswänden und in Tunneln Kunst ist, scheiden sich die Geister. Für die Kommunen ist eines klar: Illegale Sprühwerke sind Sachbeschädigung, deren Beseitigung hohe Kosten verursacht. Dieser Beitrag zeigt, wie in Dresden, Heilbronn und Radebeul das Thema behandelt wird.

Die Graffitiszene hat bekanntermaßen ihren eigenen „Slang“ und Stolz. So freut sich ein „Writer“ (= Grafittisprüher) diebisch, wenn er ein neues „Masterpiece“ (= besonderes Kunstwerk) angefertigt hat und beim „Bombing“ (= illegales Sprayen) nicht erwischt wurde. Dadurch konnte er seinem Ruf als „All city king“ (= Sprayer, der im Stadtbild mit seiner Graffitikunst überall präsent ist) wieder einmal gerecht werden. In Dresden nahmen beispielsweise in den vergangenen Monaten die Schriftzüge des Sprayers „Lauchs“ an Hauswänden auffällig zu, was die „Sächsische Zeitung“ zu einem Bericht über die Graffitiszene in der Landeshauptstadt Dresden veranlasste.

Zweifelhafte Reputation mit unrühmlichen Ausgang erlangten im Frühjahr in Singapur zwei Sprayer aus der deutschen Graffitiszene. Die beiden jungen Männer wurden beim illegalen Sprayen in Singapur erwischt und hart bestraft. Im Tigerstaat Singapur drohen generell schon bei vergleichsweise „harmlosen“ Straftaten drastische und brutale Strafen. Die Deutschen wurden jeweils zu neun Monaten Haft und drei Stockschlägen auf den blanken Hintern verurteilt.

Wer in Deutschland beim „Bombing“ ertappt wird, kann sicher sein, dass ihm keine körperliche Gewalt angetan wird – dafür drohen jedoch empfindliche Geldstrafen. In deutschen Kommunen ist man sich einig, dass illegale Graffitikunst eine teure und illegale Sachbeschädigung darstellt. „In den wenigsten Fällen handelt es sich bei Graffiti um künstlerische Werke, sondern um einfache Kürzel, deren Sinn wohl nur Eingeweihte verstehen“, betont Dr. Anton Philipp Knittel, Pressesprecher der Stadt Heilbronn (Baden-Württemberg). Das sei in seiner Kommune nicht anders.

Im sächsischen Radebeul wird bei diesem Thema ähnlich gedacht. „Wenn Graffiti als Gekrakel wahllos und ungenehmigt an privaten und öffentlichen Gebäuden, Masten und Zäunen aufgesprayt wird, hat dies nichts mit Kunst zu tun, sondern ist eindeutig und konsequent als Sachbeschädigung zu verfolgen“, so Ute Leder, Pressesprecherin der Stadt Radebeul. Dennoch gehen die Kommunen differenziert mit diesem Thema um. Es lässt sich eben nicht wegdiskutieren, dass Graffiti mittlerweile eine „etablierte“ Ausdrucksform der urbanen Jugendkultur darstellen, für die im Stadtbild ebenfalls Raum vorhanden sein muss. „Wenn spezielle Flächen für eine künstlerische Gestaltung ausdrücklich von den Eigentümern zur Verfügung gestellt worden, dann verhält sich das ganz anders“, bekräftigt Ute Leder.

Legale Flächen in der Stadt

Dem Thema differenziert begegnen will ebenfalls die sächsische Landeshauptstadt Dresden. „Dies bedeutet einerseits, illegalem Graffiti vorzubeugen und andererseits legales Sprayen zu ermöglichen“, erklärt Anke Hoffmann von der Pressestelle der Stadt. Das geschehe unter anderem durch das Anbieten von legalen Flächen sowie durch präventive Angebote in Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen im Stadtgebiet, insbesondere „Spike Dresden“, so Hoffmann. Im Lokalen Handlungsprogramm für Ordnung und Sauberkeit seien finanzielle Mittel eingestellt, um dieses Ziel zu erreichen.

In Dresden gibt es sechs öffentliche Plätze, an denen es erlaubt ist, die Kunstform der Graffiti legal auszuleben. Diese Flächen seien mit einem „Legal-Plain-Logo“ gekennzeichnet. „Nur wenn sie dieses Logo tragen, dürfen sie besprüht werden“, erläutert die Mitarbeiterin der städtischen Öffentlichkeitsarbeit.

Legale Graffiti und Graffitgestaltungen können durchaus eine positive Wirkung haben. „Durch die einzigartige Gestaltung zum Beispiel der Bahnbögen am Bahnhof Dresden-Mitte und des Gorbitzer Fußgängertunnels konnte und kann illegalen Schmierereien größtenteils vorgebeugt und eine erneute illegale Bemalung größtenteils verhindert werden“, so Anke Hoffmann.

Die Stadt Heilbronn geht konsequent gegen illegale Graffiti in der Innenstadt vor. „Da der künstlerische Aspekt in den allermeisten Fällen keine Rolle spielt, wirkt sich Graffiti negativ auf das Stadtbild aus“, sagt der Pressesprecher Dr. Anton Philipp Knittel. Der Bürger empfinde das Graffiti als schmuddelig und verbinde die Farbsprühereien mit einem unsauberen Erscheinungsbild, meint Knittel. Graffiti an städtischen Objekten würden daher durch die Bauverwaltung schnellstmöglich entfernt. „Das ist besonders an exponierten Lagen oder bei politischen Parolen der Fall“, ergänzt Knittel.

Das Ordnungsamt gehe bei besonders auffälligen Graffiti auf private Grundstücksbesitzer zu. „Dank einer entsprechende Initiative wurde in den letzten zwei Jahren ein Großteil der privaten Hausbewohner oder Geschäftsinhaber in der Innenstadt mit der Bitte angeschrieben, die aufgesprühten Graffiti an den Gebäuden entfernen zu lassen“, bekräftigt der Pressesprecher. Oberstes Ziel in Heilbronn sei die zeitnahe Entfernung der Graffitis, um bei den Urhebern die „Freude“ am Werk zu reduzieren und eventuell Folgetaten zu vermeiden.

Sandstein und Granit: Schwierige Reinigung

Auch in Dresden wird betont, dass für die Entfernung von Graffiti nicht nur im öffentlichen Raum immer der jeweilige Eigentümer des betroffenen Objektes zuständig sei. „Ob er aber eine Entfernung vornimmt oder veranlasst, liegt in seiner Verantwortung“, sagt Anke Hoffmann von der Pressestelle der Stadt. Sobald aber verbotene Schriftzüge und Symboliken ins Spiel kämen, sei der Eigentumer zur Entfernung verpflichtet.

Ob illegale Graffiti nun als ästhetische Ausdrucksform urbaner Jugendkultur oder als hässliche Schmiererei eines Schmutzfinken wahrgenommen werden, hängt in erster Linie vom Auge des jeweiligen Betrachters ab. Was sich jedoch ohne große Diskussion festhalten lässt: Aufgesprühte Graffiti an denkmalgeschützten Gebäuden können der historischen Bausubstanz erheblich schaden. „Besonders problematisch sind Krakeleien auf Sandstein oder Granit, weil die Farbe in diese Baustoffe besonders tief eindringen kann“, sagt Dr. Anton Philipp Knittel. Die Entfernung von Graffiti ist zeit- und kostenaufwendig. In Radebeul weiß man aber auch, dass sie nicht selten ebenfalls komplex ist. „Es gibt in der Prävention verschiedene Schutzlacke, die aber noch im Test sind, inwiefern Mauerwerke beeinträchtigt werden“, so Ute Leder, Pressesprecherin der Stadt.

Als Spezialist auf dem Gebiet der Graffitientfernung gelte die Deutsche Bahn (DB), die oft von Schmierereien betroffen sei, so Leder. Die Stadt Radebeul arbeitet daher eng mit dem Unternehmen zusammen. „Es gibt derzeit eine vertragliche Kooperation des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) mit der Deutschen Bahn (s. Info), wo derartige Schmierereien in Bahnhöfen regelmäßig entfernt werden“, berichtet Ute Leder. „Wir bemühen uns als Stadt zudem darum, von der Deutschen Bahn die Möglichkeit der künstlerischen Gestaltung der Bahnunterführungen zu erhalten und wollen diese dann mit unseren Schulen in Patenschaft gestalten“, untermauert die Pressesprecherin.

Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist

Info: Die Deutsche Bahn reagiert

Der Deutschen Bahn entstehen jährlich rund 30 Millionen Euro Kosten durch Vandalismus und Graffititaten. 2014 sind nach DB-Angaben mehr als 35 000 solcher Vorfälle zu Lasten der Bahn registriert worden, rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders viele Fälle werden aus Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hamburg und Nordrhein-Westfalen gemeldet.

Die Bahn setzt sich zum Ziel, Graffiti möglichst innerhalb von 24 bis 72 Stunden zu entfernen. Um den aufgesprühten Farblacken auf Zügen beizukommen, greift die Bahn auf stark reizende Chemikalien zurück, die wiederum oft die darunterliegenden Lack- und Folienschichten angreifen.

Mit einem Bündel an Maßnahmen möchte die DB als Pionier das Problem von illegalen Graffiti in den Griff bekommen. Fachleute erarbeiten in ihrem Auftrag Lösungen, um den Lack umweltfreundlich von Sandstein zu lösen und so denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten. Auch gegen Mauerschimmel und Feuchtigkeitsschäden haben die Mitarbeiter der Bahn eine wirksame Methode entwickelt. Damit die Wände weiter atmen können, werden sie zum Schutz vor Graffiti mit Beschichtungen aus mikroporösem Wachs und speziellen Schutzschichten ausgerüstet.

Andreas Scholz