32 Jahre im Amt des Bürgermeisters

Insekten, Blumen, Wiese
Eines der Anliegen des Maselheimer Bürgermeisters Elmar Braun: ein gutes Umfeld für Insekten. Die ungemähte Wiese gleich neben dem Rathaus war anfangsallerdings für manchen gewöhnungsbedürftig. Foto: Adobe Stock/vejaa

1991 wurde Elmar Braun der erste grüne Bürgermeister Deutschlands, blieb 32 Jahre – und bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand würdigte ihn der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Vorbild.  Im Rückblick erklärt der 67-jährige Braun, was ihn an dem Amt fasziniert hat.

Vor 32 Jahren wollten Sie eigentlich nicht kandidieren, haben Ihren Hut erst 15 Minuten vor Fristende in den Ring geworfen. Was war ausschlaggebend dafür?

Braun: Damals war ich zwar bei den Grünen in der Landespolitik aktiv, hatte aber  keine Ahnung vom Bürgermeisteramt. Meine Freunde meinten dann, ich sollte kandidieren. Bis dahin gab es nur eine Bewerbung für das Bürgermeisteramt in Maselheim, das fand ich undemokratisch. Das hat letztlich den Ausschlag gegeben.

Und dann sind Sie einfach mal so ins kalte Wasser gesprungen?

Braun: So war es. Eigentlich hatte ich damals keine Chance in Oberschwaben mit meiner Biografie: Ich war in einem Pharmaunternehmen tätig, sehr aktiv im Betriebsrat, hatte ein uneheliches Kind, war ein Grüner, hatte kein Wahlkampfmaterial und nicht einmal einen Anzug.

Sie sind gekommen, um zu bleiben und erhielten bei den letzten beiden Wahlen sogar jeweils mehr als 80 Prozent der Stimmen. Was hat da so gut gepasst?

Braun: So pathetisch es klingen mag – aus meiner Sicht muss man die Menschen mögen, oder mehr noch: sie lieben. Ich bin in Maselheim verwurzelt und fühle mich den Maselheimern sehr verbunden. Für mich hat auch die sehr spezielle Form der Arbeitszeit gepasst. Man ist eigentlich immer im Dienst, wobei die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend sind. Zum Beispiel, wenn ich mir die Haare schneiden ließ: Erst erzählten die Friseurin und ich ein bisschen allgemein, dann sprachen wir über die nächste Sitzung – sie ist im Gemeinderat. Oder der Abend bei der Musikkapelle: Die Rede, die ich hielt, war Arbeitszeit – dann aber blieb ich, um mit Leuten zu reden, die ich kenne. Es ist kein Bürojob mit festen Arbeitszeiten, das muss man mögen.

Sie sind im konservativen Oberschwaben angetreten. Wie hat das funktioniert?

Braun: Das ging gut, weil ich kein Revolutionär bin, ich selbst sehe mich als liberal-konservativ. Letztlich war das Besondere an uns grünen Bürgermeistern auch nicht das, was wir getan haben, sondern dass wir die ersten waren, die es getan haben. Heute ist nicht nur Maselheim eine insektenfreundliche Gemeinde und auch nicht die einzige mit einer Brennstoffzelle im Rathauskeller.

Sie haben ja aber neue Ideen mitgebracht  – wie  kam das beim Gemeinderat an?

Braun: Ganz unterschiedlich. Ich habe mir auch schon mal eine blutige Nase  geholt, und längst nicht alle meine Ideen konnte ich umsetzen. Die Brennstoffzelle wurde angeschafft, weil Maselheim eine großartige Kämmerin hat, die überzeugend vorgerechnet hat, dass sich die Investition in zehn Jahren rechnen lässt. Dafür, dass Maselheim Gas über eine Biogasanlage hier aus der Region bekommt, habe ich erst mal keine Mehrheit bekommen.

Und wie ist es mit der ungemähten Wiese direkt neben dem Rathaus?

Braun: Das war ein großes Thema. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass Maselheim insektenfreundliche Gemeinde wird. Aber vielen Bürgerinnen und Bürgern war die ungemähte Wiese zu unordentlich, sie wollten lieber einen gestutzten Rasen. Darüber habe ich sehr viele Gespräche führen müssen.

Kommunalpolitik ist oft kleinteilig und mühsam. Hatten Sie nicht auch Lust, in die Landespolitik zu gehen?

Braun: Ich bin mit Winfried Kretschmann befreundet, wir telefonieren oft. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass wir uns mit denselben Themen befasst haben – nur war ich als Bürgermeister viel dichter dran, konnte vor Ort direkt etwas bewegen. Während meiner Amtszeiten war ich oft in Stuttgart und zwei-, dreimal pro Jahr in Berlin, und ich habe immer gemerkt, wie frei ich bin. Wenn Besuch aus Taiwan kam, konnte ich die taiwanische Flagge aufhängen, auch wenn China das nicht passte – ich war gewählter Volksvertreter und konnte das tun. Ich konnte die Musikkapelle bitten, zu spielen, wenn Politiker zu uns zu Besuch kamen, in Maselheim muss man dafür kein großes Rad drehen. Das hat mir sehr gefallen.

Welche Empfehlungen mögen Sie anderen geben?

Braun: Es ist ein faszinierendes, aber auch anstrengendes Amt. Man ist eigentlich immer im Dienst, vieles kostet viel Kraft. Meine Empfehlung: nicht allzu jung anzutreten, damit man nicht allzu früh ausgebrannt ist; oder nach einigen Jahren in einen anderen Job zu wechseln. Natürlich muss man laufend Kompromisse machen, aber man sollte authentisch bleiben — bei aller Arbeit sollte man die Familie und das eigene Leben nicht vergessen.

Sie haben diese Balance 32 Jahre hinbekommen – und was geschieht jetzt?

Braun: Aktuell gebe ich noch viele Interviews. Zwischendurch kümmere ich mich um das Gemüse im Garten, schaue den Bienen beim Honigsammeln zu – und ich bin natürlich weiter bei den Grünen aktiv.

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Elmar Braun (Bündnis 90/Die Grünen) war von 1991 bis April 2023 Bürgermeister im baden-württembergischen Maselheim (4600 Einwohner).