Zurück zur Tragfähigkeit
Der kommunale Haushalt wird in der Corona-Krise besonders belastet. Bund und Länder haben Städte und Gemeinden im Jahr 2020 jedoch großzügig unterstützt, sagt unser Autor Ronny Freier. Auch für 2021 sollten weitere Hilfen beschlossen werden − am besten als flächendeckende Lösung.
Die Corona-Pandemie stellt unser Land vor große Herausforderungen. Neben der Gesundheitskrise muss sich die Politik auch mit einer der größten Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit auseinandersetzen. Alle staatlichen Ebenen arbeiten daran, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Und alle staatlichen Ebenen geraten dabei finanziell unter Druck. Die Kommunen stehen an vorderster Linie. Sie betreiben Gesundheitsämter und Krankenhäuser, müssen Kontaktsperren überwachen, organisieren den Schulbetrieb, sichern die Daseinsvorsorge und unterstützen Kulturschaffende sowie die lokale Wirtschaft. Diese coronabedingten Mehraufwendungen belasten den kommunalen Haushalt. Dazu kommt, dass die wesentlichen Einnahmequellen der Gemeinden konjunkturabhängig sind und hohe Defizite entstehen.
Die Corona-Krise traf die deutschen Kommunen nach einer langen Phase wirtschaftlicher Stabilität. Die Gemeindesteuern erreichten jährlich neue Rekorde, die bundesweiten Überschüsse summierten sich von 2012 bis 2019 bundesweit auf fast 42 Milliarden Euro. Umso unvermittelter traf die Corona-Krise die kommunalen Finanzen. Genaue Zahlen zu den coronabedingten Mehraufwendungen liegen noch nicht vor, die Kosten der Unterbringung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch lagen aber beispielsweise im August 2020 rund sechs Prozent höher als im August 2019.
Konkreter wird der finanzielle Schaden auf der Einnahmeseite. Das Bundesfinanzministerium prognostiziert für die Kommunen einen Steuerausfall von knapp zehn Milliarden Euro, der auch in den Folgejahren nicht wieder aufgeholt wird. Die Wirtschaftskrise trifft in erster Linie die Gewerbesteuer, deren Rückgang von rund 25 Prozent über die gekürzten Vorauszahlungen bereits im Mai zahlungswirksam wurde.
Bereits im Frühjahr diesen Jahres wurde klar, dass viele Kommunen diese Krise ohne finanzielle Unterstützung nicht überstehen würden. Es galt, einer Situation mit flächendeckenden Haushaltssperren, defizitären Haushaltsplänen 2021, Nachtragshaushalten und Haushaltssicherungskonzepten entgegenzutreten.
Eigene Programme der Länder
Bund und Länder haben umfassend reagiert. Zentral war die jeweils hälftige Erstattung der Gewerbesteuerausfälle durch Bund und Länder. Bemerkenswert ist zudem, dass sich der Bund nach langjähriger Diskussion bereiterklärt hat, den Bundesanteil für die Kosten für Unterbringung und Heizung dauerhaft von 50 auf 75 Prozent zu erhöhen. Bei einem Ist-Aufkommen von 14 Milliarden Euro im Jahr 2019 entlastet dies die Kommunen um etwa 3,5 Milliarden Euro. Zahlreiche Länder legten zusätzlich eigene Programme auf, beispielsweise Zuweisungen für Mehraufwendungen, Hilfen über den kommunalen Finanzausgleich oder eine landesseitige Übernahme ausgefallener Kitagebühren.
Eine bis dato nicht bekannte Reaktion der Länder besteht darin, bestimmte Regeln des Haushaltsrechts auszusetzen und die Kommunen von den üblichen Sparmaßnahmen zu verschonen. Insgesamt sind die Bemühungen von Bund und Ländern 2020 positiv zu bewerten. Durch die Maßnahmen wurden die Effekte der Corona-Krise adressiert und eine Schieflage der kommunalen Finanzen mit weitreichenden negativen Konsequenzen abgewendet. Während die größten Probleme im laufenden Haushaltsjahr vermieden sind, müssen die Kommunen bereits den nächsten Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung gestalten.
Hier werden die Verantwortlichen gleich vor zweierlei Herausforderungen gestellt. Zum einen gilt es, die Unwägbarkeiten der fortwährenden Krise auf die Finanzen einzuschätzen. In welchen Bereichen wird es weiterhin Mehraufwendungen geben? Wird das Aufkommen der Gewerbesteuer wieder das Vorkrisenniveau erreichen? Welche Unterstützungsmaßnahmen werden für die kommunalen Unternehmen notwendig? Da es keine verlässlichen Anhaltspunkte zur Dauer der Pandemie und zum Verlauf der Wirtschaftskrise gibt, ist eine solide Planung kaum möglich.
Komplexes System der Zuweisungen
Dazu kommt als zweite Herausforderung, dass die Wirtschaftskrise ab 2021 auch die Finanzausgleichssysteme erreicht. Die Finanzen von Gemeinden, Ämtern, Kreisen und Ländern sind in einem komplexen System von Zuweisungen miteinander verwoben. Wenn heute die Steuereinnahmen einer Gemeinde sinken, hat dies morgen Auswirkungen auf die Umlagen an den Kreis. Wenn ein Bundesland heute weniger Steuereinnahmen hat, drohen den Kommunen des Landes in der Folge sinkende Zuweisungen.
Aufgrund der fortwährenden Krise und angesichts der enormen Probleme ist es durchaus angemessen, auch für 2021 weitere Hilfen von Bund und Ländern zu fordern. Erste Länder wie Brandenburg haben die Kompensation von Gewerbesteuerausfällen und haushaltsrechtliche Sonderregeln bereits auch für 2021 zugesagt, doch es fehlt an einer flächendeckenden Lösung. Hier kann und sollte der Bund erneut aktiv werden. Aber auch die Länder sind in der Pflicht, gerade mit Blick auf den kommunalen Finanzausgleich. Auch wenn 2021 neue Hilfen beschlossen werden und die Pandemie überwunden ist, werden die kommunalen Haushalte nicht frei von Herausforderungen sein. Ab 2022 werden Bund und Länder wieder durch die Schuldenbremse gehemmt. Dann müssen Kommunen den Weg zurück zu einer tragfähigen Haushaltspolitik finden.
Ronny Freier, Professor für öffentliche Finanzen an der Technischen Hochschule Wildau und Projektleiter für kommunale Finanzen am DIW Berlin