Zukunft für den Wald?

Nicht nur der Klimawandel macht dem deutschen Wald zu schaffen. Foto:AdobeStock/Marek Brandt

Trockenheit, Borkenkäfer, Wetterextreme: Dem deutschen Wald hat der Klimawandel stark zugesetzt. Wie wird es weitergehen? Wie muss die Forstwirtschaft reagieren? Experte Prof. Dr. Andreas Bolte gibt Antworten.

Welche Entwicklung prognostizieren Sie für die Zukunft des Waldbestandes in Deutschland?

Andreas Bolte: Klima- und Witterungsextreme wie Hitzeperioden und Trockenheiten der Jahre 2018, 2019 und gebietsweise 2020 werden in Zukunft häufiger und intensiver auftreten, Stürme eventuell auch. Diese Extreme führen zu Waldschäden, die durch Schaderreger wie Insekten und Pilze erheblich verstärkt werden. Derzeit gehen wir von etwa 285 000 Hektar abgestorbener und wiederzubewaldender Waldfläche und fast 200 Millionen Kubikmeter Schadholz als Folge der letzten Trockenjahre aus. Schäden gibt es bei allen Hauptbaumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche, aber Fichte ist besonders betroffen. In Zukunft könnten sich diese Schäden bei häufigerer und stärkerer Extremwitterung aber deutlich ausweiten. Bei einem zukünftigen Verlust aller Fichtenwälder unter 600 Meter Geländehöhe wären mehr als 2Millionen Hektar betroffen, dass sind rund 20 Prozent der Waldfläche in Deutschland. Bei Berücksichtigung der zunehmenden Schäden auch an anderen Baumarten sind durchaus Verluste bis über 3 Millionen Hektar beziehungsweise 30 Prozent und darüber nicht unrealistisch.

Gibt es eine Rettung für die Fichte?

Bolte: Die Fichte wird in Zukunft vermutlich nur noch in höheren Lagen der Mittelgebirge als dominante Baumart zu halten sein. Als beigemischte Baumart in höheren und kühleren Lagen sollte sie aber keinesfalls komplett abgeschrieben werden. Großflächige Fichten-Reinbestände sollten aber in Zukunft vermieden werden, um den derzeit flächigen Absterbeerscheinungen in Zukunft vorzubeugen.

Welche andere Zusammensetzung von Baumarten sollten Waldbesitzer in Betracht ziehen?

Bolte: Das Wichtigste ist die Abkehr von Reinbeständen, die das Schadrisiko auf eine Baumart konzentrieren. Die Umgestaltung der Wälder in Mischbestände ist schon seit zwei Jahrzehnten im Gange, muss aber forciert werden, um die Wälder stabiler gegenüber Waldschäden zu machen. Die Superbaumart im Klimawandel wird es voraussichtlich nicht geben, weil der Klimawandel und seine Auswirkungen regional und lokal komplex und unterschiedlich ausfallen werden. Daher ist es wichtig, die Palette der Baumarten zu erweitern. Dies umfasst bisher weniger beachtete, in Deutschland heimische Baumarten wie Hainbuche, Winterlinde oder Esskastanie, aber auch seit Jahrzehnten angebaute nicht-heimische Baumarten mit zum Teil hoher Trockenheitstoleranz wie Douglasie, Küstentanne oder Roteiche. Auch schon aus dem Süden „anklopfende“ Baumarten wie die Balkaneiche oder die Orientbuche sind Optionen. Aber auch südliche Herkünfte heimischer Baumarten wie Buche oder Eiche können die Wälder widerstandsfähiger machen. Der Anbau von Exoten wie Libanon- und Atlaszeder oder Baumhasel sollte umfassend geprüft und die Vor- und Nachteile gegenüber der Verwendung von Baumarten mit größerer Erfahrung sollten abgewogen werden. Eine unkontrollierte Ausbreitung, das heißt Invasivität, eingeführter Baumarten sollte vermieden werden.

Welche Auswirkungen wird das auf die Nutzung des Waldes haben?

Bolte: Derzeit gibt es ein Überangebot an Holz und einen Preisverfall besonders beim Fichtenholz durch die aktuellen Waldschäden. Ein größerer Anteil dieses aktuellen Schadholzes sollte aber erst in einigen Jahren und Jahrzehnten geerntet werden. Daher wird es je nach dem weiteren Andauern und Forstschritt der Waldschäden mit einem Zeitverzug von wahrscheinlich zehn bis 20 Jahren eine deutliche Reduktion des Fichtenholzangebots geben. Bisher ist Fichte mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent des gesamten Nutzholzaufkommens die wichtigste Baumart für die Holznutzung. Das wird sich in der Zukunft verändern mit durchaus gravierenden Auswirkungen auf die holzbe- und verarbeitenden Betriebe im ländlichen Raum. Das zukünftig vermehrte Laubholzangebot stellt den Holzsektor dabei vor erhebliche Herausforderungen.

Wie muss bzw. wird sich dementsprechend das Arbeiten verändern?

Bolte: Der Waldbau und die Waldbewirtschaftung müssen adaptiv werden. Bewirtschaftungsziele müssen in Abständen von zehn bis 20 Jahren immer wieder an die Bedingungen des Klimawandels, die Ansprüche der Gesellschaft und die technischen Möglichkeiten angepasst werden. Waldwirtschaft wird auch immer kleinräumiger werden bis auf die Ebene des Einzelbaums, neue Techniken wie Fernerkundung und künstliche Intelligenz werden wichtiger. Dazu wird mehr und differenziert ausgebildetes Personal in den Forstbetrieben nötig sein.

Interview: Denise Fiedler

Foto: Thünen Institut

Zur Person
Prof. Dr. Andreas Bolte ist Leiter am Thünen Institut für Waldökosysteme in Eberswalde.