Photovoltaik-Stromspeicherkombinationen sind wichtig für die Energiewende, betont Solarstromexperte Mike Heger – dazu komme aber noch sehr viel mehr. Was bereits möglich ist und wo Kommunen ansetzen sollten, erklärt er im Interview.
Wind weht nicht immer, und die Sonne scheint nicht durchgehend. Strom muss gespeichert werden – mit welchen Lösungen gibt es gute Erfahrungen?
Mike Heger: Mit Photovoltaik-Stromspeicherkombinationen: Mit ihnen lässt sich sehr schnell eine hohe Eigenerzeugung und Unabhängigkeit von Netzstrom- sowie den damit steigenden Strompreisen realisieren. Unsere Systeme liefern darüber hinaus Netzersatzstrom, lassen sich als USV-Anlage ausbauen und können zur Spitzenlastkappung eingesetzt werden.
Windenergie macht vor allem in Küstennähe Sinn, Solarenergie eher im sonnigen Südwesten – ist das tatsächlich so?
Heger: Für Windenergiestandorte werden aufwändige Gutachten erstellt. Bei der Solarstrahlung ist das einfacher: Sie liefert in Deutschland im Durchschnitt etwa 1000 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr – im Norden etwas weniger, im Süden etwas mehr. Photovoltaik liefert überall Energie, und sie ist vergleichsweise schnell ausgelegt, genehmigt und installiert. Aus meiner Sicht ist es egal, ob im Norden im ungünstigen Fall „nur“ 850 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr generiert werden: Photovoltaik liefert über viele Jahrzehnte zuverlässig Strom, steigert Unabhängigkeit von Energieimporten, verringert Treibhausgasemissionen und senkt langfristig Kosten.
Hausbesitzer bringen Solarzellen auf Dächern an – welche Flächen können Kommunen zusätzlich für Photovoltaik nutzen?
Heger: Photovoltaik arbeitet, wo Tageslicht ist und die Sonne scheint: an Fassaden von Gebäuden, auf Flach- und Satteldächern jeder Ausrichtung – Süd, West, Nord und Ost. Sie funktioniert auf teilverschatteten Flächen, auf Freiflächen, an Zäunen, auf Carports und als Element in oder an Schallschutzwänden. Sollte die Fläche nicht ausreichen, könnten Kommunen sogar Straßen mit Photovoltaik überdachen, um Erzeugungsfläche zu gewinnen. Möglichkeiten gibt es viele, und die Technik ist vorhanden.
Gibt es aktuell eine verstärkte Nachfrage nach Photovoltaik?
Heger: Ja – spätestens der Krieg in der Ukraine hat vielen Menschen klargemacht, wie abhängig Deutschland von Energieimporten ist. Eigenerzeugung mit erneuerbaren Energien für mehr Unabhängigkeit und Kostenkontrolle wird von Unternehmen, Landwirtschaft, Privatleuten und Kommunen stark nachgefragt.
Sie sind auch im Bereich der Sektorenkopplung tätig – inwiefern ist dieser Bereich wichtig?
Heger: Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sektorenübergreifend gedacht, geplant und realisiert wird. Unsere Kernkompetenz sind Photovoltaik und Stromspeicher. Trotzdem denken wir nicht nur an Solarstrom, sondern auch an Wärme und Mobilität, sowie im großen Rahmen an Windkraft, Wasserkraft und Biomasse. Deshalb bieten alle unsere Komponenten offene Schnittstellen – für intelligente Kommunikation mit allen Sektoren.
E-Mobilität ist ebenfalls wichtig, hier lautet Ihre Formel: 40 Prozent werden Zuhause, 20 unterwegs und 40 Prozent am Arbeitsplatz geladen. Das klingt beim aktuellen Stand geradezu utopisch – warum glauben Sie, dass das bald möglich sein wird?
Heger: Das gesamte Unternehmen Powertrust fährt seit über einem Jahr batterieelektrisch – vom Vertrieb über Service, Einkauf, Entwicklung und Buchhaltung bis zum Management. Es ist noch kein einziger Termin aufgrund eines Reichweitenproblems geplatzt, und es ist bisher noch jeder mit seinem E-Auto zurückgekommen. Unsere E-Mobil-Flotte besteht aus Fahrzeugen mit Reichweiten von 400 Kilometern, die mit Ökostrom geladen werden. Elektromobilität in Unternehmen ist mit der Ladestruktur 40 – 20 – 40 problemlos möglich: Das ist unsere Erfahrung.
Was können – oder sollten – Kommunen tun?
Heger: Kommunen sollten die Mobilitätswende ernst nehmen und in öffentliche Ladeinfrastruktur investieren, vor allem auf dem Land. Hier fehlt sie, und das bei einem gleichzeitig schlechten Angebot für den öffentlichen Nahverkehr.
Sie sind in beiden Bereichen aktiv: Speicher und E-Mobilität. Ist es für Sie ein Ziel, beides zu verbinden, also Autobatterien als Speicherbatterien zu nutzen, mit denen man Strom in das Netz zu Hause wie in das Netz draußen einspeisen kann?
Heger: Bidirektionales Laden wäre eine feine Sache. Elektrofahrzeuge stellen als Einzelfahrzeuge beachtliche Batterie-Kapazitäten zur Verfügung – deutlich mehr als die meisten Heimspeicher. Steht die Kapazität mehrerer E-Autos zur Verfügung, kommen schnell einige 100 Kilowattstunden zusammen. Damit lassen sich Netze stabilisieren und Spitzenlasten kappen. Das wäre nachhaltig, weil Batterie-Kapazität nicht doppelt angeschafft werden müsste. Noch gibt es Hindernisse und ungelöste Fragen – aber ja: Das ist ein attraktives Ziel.
Aktuell geht es nicht „nur“ um den Klimawandel, sondern auch darum, dass Gas knapp wird: Auch deshalb müssen wir dringend auf erneuerbare Energien umsteigen. Was empfehlen Sie Kommunen, um hier einzusteigen bzw. um die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien weiter auszubauen?
Heger: Die Gasverknappung ist akut und kann bis zur kalten Jahreszeit nicht mit erneuerbaren Energien gelöst werden. Wir können aus der Situation aber lernen und den Ausbau der Erneuerbaren mit Plan und System vorantreiben. Photovoltaik mit Stromspeicher ist die erneuerbare Energieform, die am schnellsten und relativ unbürokratisch zu realisieren ist. Kommunen sollten alle Möglichkeiten prüfen, um schnell auf Leistung zu kommen.
Wie können Kommunen hier konkret vorgehen?
Heger: Als ersten Schritt können sie Projekte identifizieren, für die Photovoltaik-Stromspeicherlösungen unproblematisch zu realisieren sind, oder die bereits angedacht waren, aber nicht realisiert wurden. Mittelfristig kann überlegt werden, wie fossile durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden können – bei Wärme, ÖPNV und Individualverkehr. Steht der Fahrplan zur Dekarbonisierung, wird umgesetzt – das ist das langfristige Ziel.
Quartierslösungen, Gewerbe, Stadtentwicklung: Wenn man nicht punktuell denkt, sondern umfassend – worauf kommt es vor allem an?
Heger: Beim „großen Wurf“ – also der komplett dekarbonisierten Vollversorgung von Quartieren, ganzer Kommunen oder eines ganzen Landes – ist man schnell beim Thema Digitalisierung. Zuverlässige Energieversorgung mit erneuerbaren Energien wird dezentral, regional und zum großen Teil volatil sein. Sie braucht chemische und physikalische Energiespeicher – um Lastspitzen zu puffern. Sie braucht aber vor allem Daten, die informieren, wann wo wie viel Energie erzeugt, verbraucht und in Speichern zur Verfügung steht. Es ist ein System, das nach außen und innen auf Intelligenz, Flexibilität, Vernetzung und Kommunikation basiert. Die Technik dafür haben wir – sie muss nur angewendet werden.
Interview: Sabine Schmidt
Zur Person: Mike Heger ist Geschäftsführer der Powertrust GmbH in Bremen.