Wirtschaftsförderung: Profil bilden mit Prädikat

Im Standortwettbewerb kommt es für Kommunen darauf an, alle ihre Vorzüge überzeugend zu kommunizieren. Ein Instrument dafür ist das IHK-Zertifikat „Ausgezeichneter Wohnort für Fach- und Führungskräfte“, das im Ballungsraum Rhein-Main entwickelt wurde.

Für Städte und Gemeinden jeder Größenordnung ist der Kampf der Unternehmen an ihrem Standort um qualifizierte Arbeitskräfte heute ein dringliches Thema. Während es beim interkommunalen Standortwettbewerb in früheren Jahrzehnten vor allem darum ging, eigene Stärken bei den sogenannten harten Standortfaktoren gegenüber potenziellen Neuansiedlungen herauszustellen, sind heute die vermeintlich schwachen Faktoren nicht minder wichtig für die Qualität einer Kommune als Unternehmensstandort.

Bei Unternehmensbefragungen rangieren zum Beispiel das Bildungs- und Kulturangebot, die ärztliche Versorgung und die Ausstattung mit Kita und anderen Angeboten für Familien unter etwa 20 abgefragten Standort-Kriterien heute in der Regel auf den ersten drei bis vier Plätzen.

Was kann die Kommunalverwaltung in dieser Situation praktisch tun? Ein Mittel, das sich bewährt hat, ist der Erwerb des Prädikats „Ausgezeichneter Wohnort“ und die Nutzung dieses Zertifikats in der Ansprache der Unternehmen.

Die Initiative zu diesem Zertifikat ging 2012 von der IHK Darmstadt aus. Sie ist Mitglied im IHK-Forum Rhein-Main und hat gemeinsam mit Bürgermeistern und Wirtschaftsförderern aus ihrem Kammerbezirk das Qualitätszeichen „Ausgezeichneter Wohnort für Fachkräfte“ erarbeitet, das heute von den Industrie- und Handelskammern der gesamten Metropolregion angeboten wird.

Mit dem Qualitätszeichen „Ausgezeichneter Wohnort für Fach- und Führungskräfte wird versucht, den Unternehmen Argumente an die Hand zu geben, um ihren Mitarbeitern die infrage kommenden Kommunen als Wohnort attraktiv zu machen und ihnen eine verlässliche Entscheidungshilfe bei der Suche nach einem geeigneten Wohnort an die Hand zu geben.

Die miteinander konkurrierenden Kommunen in der Region können das Zertifizierungsverfahren nutzen, um nachhaltige Strategien zur Gewinnung von (Neu)Bürgern zu entwickeln. Sie können sich damit – im Sinne einer Willkommenskultur – besser auf die Bedürfnisse zuziehender Fach- und Führungskräfte einstellen.

Etabliert und getestet wurde das Zertifizierungsverfahren mit den beiden Pilotkommunen Bensheim und Groß-Gerau. Inzwischen gibt es 45 ausgezeichnete Kommunen im Gebiet Frankfurt-Rhein-Main und es lässt sich feststellen: Das Zertifikat hat sich bewährt und sein Nutzen ist erwiesen. Auch die IHK Ostwürttemberg und die IHK Würzburg-Schweinfurt haben das erkannt und bieten die Auszeichnung als Partner der IHK-Forums Rhein-Main den Kommunen in ihren Regionen an.

Die Datengrundlage für die Verleihung des Qualitätszeichens besteht aus einem umfangreichen Prüfbogen, der regelmäßig aktualisiert wird. Die antragstellende Kommune füllt diesen Prüfbogen aus, bei dem vor allem örtliche Leistungsangebote sowie das Serviceverhalten von Kommunen gegenüber Fachkräften erfasst werden. Die Erfüllung der Kriterien wird nach einem Punktesystem bewertet. Für kleinere Kommunen (Unterzentren) gibt es bei Vorliegen bestimmter Stärken Sonderpunkte.

Auditierungsgespräch und Prüfergebnis

Zentrales Element des Verfahrens ist das Auditierungsgespräch vor Ort im Rathaus. Dabei wird die Anwesenheit des Bürgermeisters und der betroffenen Abteilungsleiter der Kommunalverwaltung erwartet. Inhaltliche Basis des Gesprächs ist der Prüfbogen. Jeder Punkt wird besprochen und von der Kommune erläutert.

Die Kommune macht eigene Vorschläge für ihre Entwicklungsziele und stellt weitere Projekte vor, mit denen eventuell Sonderpunkte erreicht werden können. Abschließend übergibt die Kommune die Dokumentationstabelle (auch elektronisch) und den Ordner. Das Gespräch endet ohne Berechnung der Punkte; das Bewertungsergebnis bleibt noch offen.

Nach Überprüfung der Unterlagen durch externe Fachleute werden die Punkte vergeben und die Entwicklungsziele benannt. Das Ergebnis des Audits wird dem Ansprechpartner in der Kommune vorab telefonisch mitgeteilt, in einem Zeugnis festgehalten und die Urkunde der Kommune zugesandt.

Wird die Mindestpunktzahl nicht auf Anhieb erreicht, kann die Kommune „nachbessern“ und sich erneut bewerben. Unter Beachtung definierter Nutzungsrechte kann die erfolgreiche Kommune mit dem Logo „Ausgezeichneter Wohnort für Fach- und Führungskräfte“ drei Jahre lang für sich werben.

Empfehlung für Kommunen in anderen Regionen

Kommunen können selbst dann aus dem Verfahren einen Nutzen ziehen, wenn sie das Zeichen nicht oder noch erhalten können. Anhand der Systematik des Prüfbogens können sie die Stärken und Schwächen ihres Standorts mit eigenen Mitteln präzise und objektiv erfassen.

Das Ergebnis ihrer Selbstkontrolle sollten Sie mit geeigneten Vertretern der Wirtschaft am Ort besprechen und mit deren Input vervollkommnen. Sie gewinnen damit eine solide Grundlage zur Standortbewertung und eine praktische Hilfe für überzeugende Marktkommunikation ihrer Wirtschaftsförderung.

Karl J. Eggers

Der Autor
Dr. Karl J. Eggers ist freier Unternehmens- und Kommunalberater in Lambrecht/Pfalz

Info: Kronberg nutz das Qualitätszeichen

Klaus Temmen, Bürgermeister von Kronberg (18.000 Einwohner, Hessen), über den Wert des Standortzertifikats für seine Stadt: „Die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in unserer Region ist sehr hoch, die Aktivität unserer Nachbarstädte aber auch. Wir nutzen das Qualitätszeichen ,Ausgezeichneter Wohnort für Fach- und Führungskräfte‘, um zu zeigen, dass wir im Wettbewerb gut mithalten können. Es liegt aber ein eigener Wert darin, dass wir durch das gründliche Zertifizierungsverfahren Klarheit darüber erhalten haben, welche Stärken und Schwächen unsere Stadt aus Sicht der Zielgruppe ‚Fachkräfte‘ hat und wo wir mit Verbesserungsmaßnahmen ansetzen können.“

Info: Näheres zum Verfahren finden Sie hierDownload des Prüfbogens