Wie führt man eine Stadt?

Wahlen; Bürgermeisteramt; Stadt
Nach der Wahl ist vor der Praxis – aber niemand muss bei Null anfangen: Frisch Gewählte können auf Tipps oder auch komplexe Konzepte zurückgreifen. Foto: Adobe Stock/Ronny

Mit der Wahl geht es erst richtig los: Der Erfolg ist da – und wie findet man sich jetzt ein ins Amt? Was hilft dabei, die vielfältigen, komplexen Herausforderungen zu meistern? Praxiserprobte Antworten von Berater Achim Moeller.

Wer zur Bürgermeisterwahl antritt, hat sicherlich eine klare Vorstellung von dem, worauf er sich einlässt. Wo gibt es dennoch Gesprächs- oder Beratungsbedarf?

Achim Moeller: Nicht bei funktionalen Tätigkeiten und Abläufen – sie sind geregelt. Zudem informieren Fachmedien und zuständige Stellen über Vorschriften und Veränderungen. Aber wer sagt den Neulingen im Amt, was darüber hinaus notwendig und wichtig ist? Oder aber auch, wenn sich nach Jahren im Amt Routinen eingeschlichen haben: Wer sagt dann dem alten Hasen, was er übersieht und wodurch er möglicherweise seine Wiederwahl gefährdet? An beiden Punkten – ganz am Anfang und mitten in der Routine – ist besonders viel Gesprächsbedarf.

Wenn Sie mit Bürgermeistern sprechen, die neu im Amt sind: Um welche Aspekte geht es dann vor allem?

Moeller: Frisch gewählte Stadtoberhäupter sind oft überrascht von der Komplexität der Aufgaben und Anforderungen. Insbesondere dann, wenn sie vorher keine Erfahrungen in der Kommunalpolitik hatten. Da muss viel gelernt, Unsicherheit müssen überwunden werden. Gleichzeitig stellt der Neuling fest, dass die Verwaltung in fast allem besser informiert ist als er selbst. Und erlebt, wie er oder sie getrieben wird durch einen fremdbestimmten Tagesablauf, der so gut wie keine Freiräume lässt.

Mit welchen Konsequenzen?

Moeller: Es bleiben kaum Zeit und Energie, über die Stadt als Ganzes und die eigene Rolle nachzudenken. Habe ich als Visionär eine Zukunftsvorstellung von meiner Kommune? Verfolge ich eine inhaltliche Strategie mit klaren Prioritäten? Wie manage ich mich und meine Teams? Kommuniziere ich so, dass mein Handeln nach innen und außen sichtbar wird und nachvollzogen werden kann? Repräsentiere ich meine Gemeinde angemessen? Das sind Fragen, für die man Zeit und Ruhe braucht.

Was sind die zentralen Stichworte?

Moeller: Führung und Zutrauen. Als Stadtoberhaupt können Sie aus Ihrer eigenen Perspektive eine gute Führungspersönlichkeit sein – was aber, wenn man Ihnen nicht oder nicht mehr zutraut, die Stadt oder den Kreis zu führen? Wenn Glaubwürdigkeit fehlt oder verloren gegangen ist? Wenn Ihr Image, das Bild, das sich die Öffentlichkeit von Ihnen macht, gelitten hat? Wenn Sie die in Sie gesetzten Erwartungen nicht mehr erfüllen? Dann ist es höchste Zeit, Vertrauen wieder aufzubauen.

Was empfehlen Sie?

Moeller: Hilfreich ist das so genannte 4-Z-Modell. Erstens Zahlen: Sie müssen die Zahlen und Daten ihrer Stadt kennen. Zweitens Zusammenhänge: Sie müssen Zusammenhänge sehen und verstehen. Ein Beispiel: Bürgermeister melden, dass sie noch freie Plätze für Migranten haben – aber gibt es auch genügend Klassenräume, Kitas, Verwaltungspersonal, Finanzen? Drittens Ziele: Wer als Bürgermeister oder Bürgermeisterin die Zahlen und Zusammenhänge überschaut, kann realistische Ziele und Strategien entwickeln. Viertens Zukunft: Ziele und Strategien sind Voraussetzungen, um ein Zukunftsbild, ein Leitziel, eine Vision für die eigene Gemeinde zu entwickeln.

Was hören Sie in der Beratungssituation: Was wird aktuell als besonders große Herausforderung erfahren?

Moeller: Was wir aktuell erleben, auch in der Bundes- und Landespolitik, sind Verunsicherung, Zukunftsängste und mangelndes Vertrauen in politische Eliten, die sich zum Teil in Hass, Wut und tätlichen Angriffen niederschlagen. Damit muss man umgehen können.

Was kann man tun?

Moeller: Dort ansetzen, wo die Wut ihren Ursprung hat. Ein Stadtoberhaupt sollte die vorherrschende Grundstimmung seiner Stadt oder Gemeinde kennen. Was sind die aktuellen Themen? Worüber sprechen die Menschen, wenn sie sich über ihren Wohnort unterhalten? Welche Ereignisse wühlen sie auf? Welche Interessen sollen durchgesetzt werden, und von wem? Zudem ist die Art der politischen Kommunikation von großer Bedeutung.

Was ist hier wichtig?

Moeller: Um Menschen zu bewegen, sind emotionale Botschaften wirkungsvoller als die Verwaltungssprache. Kommunalpolitiker denken sehr oft in Maßnahmen, zum Beispiel: Wir müssen eine Umgehungsstraße bauen. Besser ist: Damit die Lärmbelästigung in der Innenstadt aufhört und unsere Kinder wieder sicher spielen können, bauen wir die Umgehungsstraße. „Damit“ ist eine Führungsvokabel, die zeigt, dass der Bürgermeister, die Bürgermeisterin ein Ziel hat. Gleichzeitig wird der Nutzen für die Bewohner in den Vordergrund gestellt: Wir tun Gutes für Euch.

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Achim Moeller ist Gründer und Inhaber von The LeaderShip — Agentur für Führung, Strategie und Wahlerfolg und Mitgesellschafter der BürgermeisterAkademie.