„Weitere Mittel sind erforderlich“

Digitale Endgeräte für alle Schüler und Lehrer wird es trotz aufgestockter Förderung in Heilbronn nicht geben. Foto: Adobe Stock/Syda Productions

Was bringt der Digitalpakt?

Zwölf Millionen Euro stehen 35 Heilbronner Schulen zur Verfügung. „Die Mittel werden viel ermöglichen“, sagt Bürgermeisterin Agnes Christner. Aber nicht alles. Denn die Aufgaben im laufenden Betrieb sind herausfordernd, zum Beispiel die technische Betreuung, findet Amtsleiterin Karin Schüttler.

Die Bundesregierung hat im Konjunkturpaket vom Juni mehr Geld für Schulen zur Verfügung gestellt. Kommt dieses Geld an? Ist es ausreichend?

Agnes Christner: Bund und Land haben mit dem Digitalpakt Schulen Finanzmittel in hohem Umfang zur Verfügung gestellt. Für die Beschaffung der digitalen Endgeräte hat die Stadt Heilbronn im Sommer 1,6 Millionen Euro erhalten. Die weiteren Bundesmittel des Digitalpakts sind über ein formales Verfahren je Schule zu beantragen. Zur Beschleunigung kann eine Antragstellung zwischenzeitlich auch ohne freigegebenen Medienentwicklungsplan vorgenommen werden. Für die 35 Schulen in Trägerschaft der Stadt Heilbronn stehen aus dem Digitalpakt einschließlich des städtischen Finanzierungsanteils in Höhe von 20 Prozent insgesamt etwa zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel werden viel ermöglichen und die Schuldigitalisierung auch in Heilbronn noch deutlicher voranbringen. Sie werden allerdings nicht ausreichen, um jeder Schülerin und jedem Schüler sowie jeder Lehrkraft ein digitales Endgerät zur persönlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Offen ist aus unserer Sicht noch die Finanzierung der laufenden Betriebskosten, Service, Wartung und Ersatzbeschaffungen. Dazu sind weitere Mittel erforderlich. Hier sehen wir auch das Land in der Pflicht.

Experten meinen, dass nach dem zweiten „Corona-Schulgipfel“ zwischen der Kanzlerin und den Kultusministern der Länder im September der digitale Fokus weiterhin auf der technischen Infrastruktur liegt und nicht auf dem pädagogischen Umgang mit Digitalisierung. Wie bewerten Sie das?

Christner: Der Eindruck mag entstehen, da im Gegensatz zu pädagogischen Konzepten die technische Infrastruktur messbar ist. Für uns in Heilbronn ist die Entwicklung und konsequente Umsetzung der pädagogischen Konzeption – der Medienentwicklungsplan der jeweiligen Schulen – kein Selbstzweck. Pädagogik und Technik müssen abgestimmt sein – nur dann kann die Digitalisierung zur Qualität des Bildungssystems beitragen. Das Land ist den pädagogischen Umgang mit Digitalisierung offensiv angegangen und hat mit dem neugebildeten Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung sowie dem Landesmedienzentrum mit den dezentralen Kreismedienzentren Einrichtungen geschaffen, die für die Lehrkräfte die erforderliche Unterstützung bieten.

Wie sind die Schulen in Heilbronn für eine mögliche zweite Phase des Homeschoolings gerüstet? Stehen alle Schulen gleich gut da?

Christner: In Heilbronn war der Ausbau der Digitalisierung in den Schulen bereits vor Beginn der Pandemie Schwerpunktthema. Während der Schulschließung waren unsere Schulen sehr kreativ und haben in kurzer Zeit Methoden entwickelt, wie sie den regelmäßigen Kontakt und die Unterrichts- und Aufgabenversorgung auf vielfältigen digitalen Wegen sicherstellen. Gleichzeitig wurden allerdings auch die Grenzen der vorhandenen pädagogisch-didaktischen Konzepte und der IT-Infrastruktur deutlich. Ein schneller Internetanschluss und ein stabiles Netzwerk sind unabdingbar für die digitale Kommunikation in den Schulen und für das Homeschooling. Bis zur flächendeckenden Anbindung aller Schulen ans Breitband wurden als Sofortmaßnahmen die Übertragungsraten auf die Maximalwerte erhöht und die WLAN-Anbindung optimiert. Im Rahmen des Sofortausstattungsprogramms aus dem Digitalpakt Schule hat die Stadt Heilbronn 3022 digitale Endgeräte als Leihgeräte beschafft, die die Schulen an Schülerinnen und Schüler ausgeben können. An die Schulen wurden die Geräte zu 80 Prozent nach den Schülerzahlen und zu 20 Prozent nach den Sozialdaten verteilt. Zur Verbesserung der Kommunikation per Video-Stream wurde begonnen, die Schulen mit einer kombinierten Videokonferenztechnik auszustatten. Unser Ziel ist, dass alle Schulen sowohl in der technischen Ausstattung als auch bei der Medienkompetenz gleich gut aufgestellt sind.

Wo gibt es Nachholbedarf was die technische Infrastruktur oder die Qualifizierung angeht?

Karin Schüttler: Als Schulträger beeinflussen wir die Ausstattung. Das Engagement und die Bereitschaft, den digitalen Wandel anzunehmen und pädagogisch-didaktisch gut in die Lehr- und Lerninhalten aufzunehmen, können wir nur bedingt unterstützen. Eine gut funktionierende technische Infrastruktur und eine attraktive Geräteausstattung soll dafür einen Anreiz bieten. Die digitale Bildung hat sehr hohe Bedeutung und wir setzen alles daran, dass unsere Bildungseinrichtungen in Heilbronn dafür gut gerüstet sind. Wir sind jedoch auch davon überzeugt, dass selbst die beste digitale Ausstattung und die besten digitalen Methoden den Präsenzunterricht nicht dauerhaft ersetzen können. Gerade die Zeit der Schulschließung hat uns deutlich gezeigt, was Schule eben auch ausmacht: Begegnung, Beziehung, individuelle Unterstützung, das Erkennen von Stimmungen, Sorgen und Problemen der Schülerinnen und Schüler.

Gibt es denn ausreichend qualifiziertes Personal, dass sich um die technische Infrastruktur kümmern kann? Verbleiben die Aufgaben weiterhin bei den Lehrern oder müssen hier Aufgaben ausgelagert werden?

Schüttler: Mit zunehmender technischer Komplexität der Infrastruktur steigt natürlich auch der Bedarf nach einer professionellen Betreuung. Das führt aber auch dazu, dass das bislang praktizierte Modell der Betreuung durch die Lehrkräfte zunehmend in den Hintergrund tritt. Auch angesichts der Engpässe in der Versorgung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern müssen die Lehrkräfte dringend von IT-Aufgaben entlastet werden. Verträge mit Dienstleistern oder die Erledigung durch eigens dafür angestellte Fachkräfte des Schulträgers werden sicherlich das Zukunftsmodell sein. Wir arbeiten in Heilbronn aktuell an einem passenden Konzept dafür. Das aus Bundesmitteln finanzierte Administratorenprogramm stellt – leider zunächst nur befristet – die Finanzierung sicher.

Interview: Denise Fiedler