Dröge Jobs im Rathaus? Mitnichten! Wer als Berufseinsteiger eine sinnstiftende Aufgabe sucht, für den ist der gemeinwohlorientierte öffentliche Dienst eine gute Wahl. Zumal der eigenen Entwicklung durch Weiterqualifizierung die Tür offen steht. Auch angestammte Mitarbeiter profitieren von den Angeboten.
Eine grobe Schätzung geht von 1,5 Millionen Ruheständlern im öffentlichen Dienst in den kommenden 15 Jahren aus. Das Problem bei der Suche nach neuen Mitarbeitern: Es mangelt in den Augen vieler Jobkandidaten dem relativ sicheren Job im Rathaus an Attraktivität.
Wenn aber für die Berufseinsteiger von heute das zu erwartende Einkommen längst nicht mehr ausschlaggebend ist bei der Wahl des Arbeitsplatzes, die Absicherung des Lebensstandards nicht mehr die entscheidende Rolle spielt, sondern vornehmlich die sinnstiftende Aufgabe im Beruf gesucht wird, hat der kommunale Sektor doch Chancen. „Gerade da bietet der gemeinwohlorientierte öffentliche Dienst in unseren Städten und Gemeinden ein riesiges Potenzial“, ist Dr. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, überzeugt.
Beruf und Bildung kombinieren
Hinzu kommt: Wer als Mitarbeiter in der Kommunalverwaltung Eigeninitiative zeigt in Bezug auf die Weiterqualifizierung für das Erreichen höherer Weihen – oder auch nur für einen Wechsel in einen interessanteren Aufgabenbereich mit mehr persönlicher Erfüllung –, dem stehen die Türen offen. Bekanntermaßen verfügt der öffentliche Dienst über ein komplexes Aus- und Weiterbildungsinstrument, das gerne genutzt wird: die Staatlichen Hochschulen für öffentliche Verwaltung (FHöV). Das Netz ist dicht gespannt und die Möglichkeit, Arbeit und Weiterbildung als Variante des Dualen Studiums zu kombinieren, keine Kompromissfrage, sondern von den Instituten entsprechend berücksichtigt.
Ebenfalls beliebt, allerdings mit einem hohen Maß an Selbstdisziplin verbunden, hat sich in den letzten Jahren die Option des Fernstudiums etabliert – E-Learning macht es möglich. Die „Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung“ etwa bietet das Fach „Verwaltungsmanagement“ für Tarifbeschäftigte und Beamte als Fernstudiengang an. Neben verpflichtenden Präsenzphasen am Standort Brühl beziehungsweise Berlin sind die Studierenden sich selbst verpflichtet, ihre Prüfungsziele durch Lernen zu erreichen.
Interessant: Jeder Studierende wird im Rahmen des dreijährigen Studiums für 340 Tage freigestellt, um in einer zweisemestrigen Praxisphase Erfahrung in verschiedenen Bundesbehörden zu sammeln. Eine Art Praktikumsphase, wie sie Berufsanfänger kennen, allerdings ohne das häufig herrschende prekäre Verhältnis. Stattdessen erfolgt die Weiterbildung in verschiedenen Abteilungen eingebettet in die Erwerbsbiographie und eröffnet die Möglichkeit, sich ganz darauf einzulassen.
Ein zweites Segment der Weiterbildung bildet das Seminar. Dort buhlen diverse private Anbieter um die Gunst des engagierten städtischen Angestellten. Kein Wunder, fallen Zeit- und Geldaufwand für Tages- oder Wochenseminare doch deutlich geringer aus als bei der universitären Weiterbildung.
Mit der Technischen Akademie in Wuppertal (TWA) beispielsweise wendet sich einer der großen Anbieter in Nordrhein-Westfalen mit Angeboten aus praktisch jedem Aufgabenbereich des öffentlichen Dienstes an Interessierte: Ein eintägiger Workshop zum Thema „Urlaubsrecht im öffentlichen Dienst TVöD“ schlägt mit 420 Euro zu Buche.
Auch abseits der reinen Know-how-Vermehrung im Fachlichen durch Qualifizierungsangebote herrscht Bedarf an Veränderung. Dort kommen eher ungewöhnliche Weiterbildungsangebote ins Spiel, wie sie etwa die Universität Trier anbietet. Wer berufsbegleitend den Studiengang „Zukunftsmanagement und positiver Wandel“ absolviert, wird von Prof. Michaela Brohm-Badry in einem interdisziplinären Parforceritt für die psychologischen Feinheiten in der Verwaltung geschult – eine Optimierung der Soft Skills für stressige Rathaustage mit hohen Besuchszahlen, aber auch sinnstiftend für den Mitarbeiter. Die als „Glücksexpertin“ bekannte ehemalige Lehrerin ist mit ihrem Angebot bei weitem kein Einzelfall, das Sensibilisierungsgenre mit dem Schwerpunkt der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt im Weiterbildungssektor als feste Größe.
„Coaching“ lautet ein weiteres Schlagwort in diesem Kontext. Gemeint ist der Coach, ein vermittelnder Kollege, der in einem Konfliktfall ähnlich einem Vertrauenslehrer zwei Parteien zusammenbringt. Speziell geschult liegt es am Coach, Neuausrichtungen innerhalb einer Behörde möglichst konfliktarm durchzuführen. Etwa wenn ein einstiger Bachelorabsolvent nun sein Duales Studium mit einem Master beendet, etwas ungestüm an den Umbau seiner Abteilung herangeht – Stichwort digitale Transformation – und dabei ältere Kollegen mit seinem zeitgemäßen Wissen konfrontiert. Die daraus entstehenden Spannungen werden vom Coach abgebaut und das Arbeitsklima verbessert.
Hilfe von außen
Der Sektor boomt, bleibt aber, da die Bezeichnung „Coach“ nicht geschützt ist, unübersichtlich. Ein professioneller Anbieter wie www.kommunencoaching.de hätte vor wenigen Jahren kaum die Aufmerksamkeit von kommunaler Seite auf sich gezogen.
Wie findet die Stadt den passenden Pressesprecher unter den Angestellten der Verwaltung? Welche Weiterbildung hilft wem in welcher Abteilung zum Wohle aller am meisten? Das Einholen externer Hilfestellung, um interne Prozesse zu optimieren und den einzelnen Mitarbeiter zur Fortbildung anzuleiten – durchaus ein Beleg für die neue Durchlässigkeit zwischen Rathaus und Wirtschaft, die dem öffentlichen Dienst im Kampf um die besten Köpfe nützen könnte.
Till Röcke
Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist