Wandbegrünung hilft gegen Schadstoffe und Lärm

Der Citytunnel in Darmstadt: ein durch sehr hohes Verkehrsaufkommen belasteter Ort – jetzt aber versehen mit einer Wandbegrünung, die Schadstoffe filtern und Lärm reduzieren kann. Foto: Vertiko

Wandbegrünung im Citytunnel Darmstadt: Ohne Tageslicht wurden dort Pflanzen als natürliche Luftfilter und als Lärmschutz getestet. Der Biologe und Grünfassadenexperte Kilian Lingen erklärt das einzigartige Modellprojekt.

Die Idee stammte von der Initiative Essbare Stadt Darmstadt e.V., die sich für Urban Gardening stark macht: Die Idee war, Pflanzen an belasteten Orten als Helfer gegen Schadstoffe und Lärm einzusetzen. Daraus wurde ein Forschungsprojekt, das die Wissenschaftsstadt Darmstadt fördert.

Experimentiert wurde an dem Ort, der am stärksten durch Schadstoffe und Lärm belastet ist: im Citytunnel. Gedacht war das Projekt als „zukunftsweisendes Beispiel für die Umsetzung von Wandbegrünungen in schwierigen Umfeldern“, so Umweltdezernentin Barbara Akdeniz.

Die Begrünung spannt sich über eine vier mal 16 Meter große Wandfläche im Tunnel. Sie verfügt über ein automatisches Bewässerungs- sowie ein energiesparendes LED-Beleuchtungssystem. Umgesetzt wurde der biologische Anteil des Projekts vom Vertikalbegrünungsexperten Vertiko.

Fassadenbegrünung als wichtiges Element der Stadt der Zukunft

Inzwischen ist die wissenschaftliche Begleitung abgeschlossen, unabhängig davon bleibt die Begrünung am Standort. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden zum Ende des Jahres 2022 veröffentlicht. Bereits jetzt kann man aber sagen, dass das Ergebnis positiv ausfällt: Die Pflanzen nehmen Feinstaub und Stickoxid auf, ebenso den Abrieb von Reifen und Bremsen, und es ist eine Lärmreduktion feststellbar.

Eine direkte Übertragung des Experiments in eine Praxis mit weiteren Tunneln ist nicht geplant. Dafür passt das Kosten-Nutzen-Verhältnis in der Regel nicht: Der Aufwand für Begrünung im Tunnel ist sehr hoch. Das Experiment hat aber erwiesen, wie wirksam Begrünung selbst an extrem belasteten Orten ist.

Es zeigt eindrücklich, dass die Fassadenbegrünung ein wichtiges Element in der Stadt der Zukunft sein könnte und sein sollte: eine Stadt, die nicht auf Autos fokussiert ist, sondern menschliche Bedürfnisse nach Grün und frischer Luft berücksichtigt.

Mehr Lebensqualität dank besserer Luft

„Wir wollen mit der City-Tunnel-Begrünung zeigen, dass auch an besonderen oder extremen Standorten wie einem stark frequentierten Tunnel vertikale Begrünungs-maßnahmen möglich sind“, so hatte sich Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch zum Start des Projekts geäußert. „Weiterhin bleibt unser vordringliches Ziel, die Verkehrswende weg vom motorisierten Individualverkehr hin zum Umweltverbund – also zu Fuß, mit dem Rad oder ÖPNV – zu vollziehen.“

Die Wissenschaftsstadt Darmstadt kann jetzt die positiven Forschungsergebnisse dafür nutzen, für Fassadenbegrünung zu werben. Denn noch gibt es Vorbehalte von Immobilienbesitzern. Tatsächlich ist Fassadenbegrünung aber längst aus den Kinderschuhen heraus: Sie verhilft nicht nur zu besserer Luft, mehr Lebensqualität und einem attraktiven Stadtbild, sondern schützt auch die Fassaden. Kilian Lingen

Der Autor: Kilian Lingen leitet Forschung und Entwicklung beim (Vertikal-) Begrünungsunternehmen Vertiko.