Wärme aus Abwasser erzeugen

Abwasser wünschen sich die meisten möglichst weit weg in der Kanalisation oder wie hier im Klärwerk – tatsächlich hat es aber positives (Energie-) Potenzial. Foto: Adobe Stock/Werner

Ein vermeintlich kleines, tatsächlich aber wichtiges, innovatives Projekt in Eningen unter Achalm, das CO2 einspart: eine Heizungsanlage mit Abwasserrückgewinnung aus dem öffentlichen Kanal. Genutzt wird die Wärme für den Bauhof.

Die baden-württembergische Gemeinde Eningen unter Achalm (11.000 Einwohner) hat im letzten Jahrzehnt konsequent ein kommunales Energiemanagement aufgebaut. Ziel ist es, dadurch auf kommunaler Ebene einen wichtigen Beitrag für die Klimaschutzziele zu erreichen und auf lokaler Ebene Energieeinsparpotenziale zu heben. Der Erfolg der Arbeit wird im jährlichen Energiebericht erläutert, der mit der Klimaschutzagentur des Landkreises Reutlingen gemeinsam erstellt und im Gemeinderat öffentlich vorgestellt wird.

Außer energetisch relevanten Gebäudesanierungen an kommunalen Gebäuden wie der Feuerwehr, Kindergärten oder der örtlichen Grundschule sind innovative Heizsysteme in Eningen ein wichtiger Baustein, um möglichst CO2-arm Energie zu erzeugen.

Das Land Baden-Württemberg hat bereits im Jahr 2015 Machbarkeitsstudien bei den Kommunen gefördert, von denen die derzeit noch wenig genutzte Abwasserwärme der kommunalen Kanäle für mögliche Objekte untersucht wird. In diesem Kontext wurde das Potenzial der größeren Eninger Abwasserkanäle für mehrere Standorte beleuchtet. Ein ausreichendes Energieangebot im Abwasserkanal wurde in der Nähe des Bauhofs festgestellt.

Im öffentlichen Bewusstsein ist es allerdings noch nicht angekommen, dass insbesondere bei größeren Sammelkanälen ein erhebliches, ungenutztes Energiepotenzial vorhanden ist. Abwasserkanäle haben eine relativ konstante Temperatur. Mittels Wärmetauscher-elementen kann die vorhandene Energie dem Kanal teilweise entzogen werden.

Ein guter Zeitpunkt: Die Heizungsanlage musste erneuert werden

Der Anlass, sich in Eningen unter Achalm mit der Abwasserwärme als Energiequelle für den Bauhof zu beschäftigen, war die abgängige konventionelle Gasheizungsanlage im Bauhof. Am 8. Oktober 2020 wurde durch den Gemeinderat der Beschluss einer Abwasserwärmerückgewinnung aus dem öffentlichen Kanal gefasst. Der Gemeinderat unterstützt diese innovative Maßnahme mit großer Mehrheit.

Planung und Durchführung waren von November 2020 bis Oktober 2021 vorgesehen. Die Inbetriebnahme erfolgte am 25. Oktober 2021, also kurz nach Beginn der vergangenen Heizperiode. Die Baukosten belaufen sich auf rund. 223.800 Euro netto. Eine Kofinan-zierung erfolgt durch einen Zuschuss über das CO2-Minderungsprogramm des Landes Baden-Württemberg. Die Förderung über die L-Bank gemäß Bescheid vom 22. Juli 2021 beträgt 63.560 Euro.

Das sind die wichtigsten Zahlen und Fakten für den Bauhof:

  • Für den Heizkreis im Bereich des Bauhofs ohne Gasdeckenstrahler stellt die Abwasserwärme bis zu rund 80 Prozent des Wärmebedarfs. Erzeugt wurden Stand 11. Oktober 2022 bereits 46.009 kWh. Hochgerechnet auf eine Heizperiode werden 48.000 bis 52.000 kWh Energie aus der Abwasserwärme gewonnen. Dies entspricht etwa dem Heizbedarf von zweieinhalb durchschnittlichen Einfamilienhäusern mit einem Energiebedarf von rund 20.000 kWh.
  • Lediglich rund 20 Prozent werden im Bereich der Warmwassererwärmung durch Gas erforderlich, da die erzeugbaren Vorlauftemperaturen der Wärmepumpe nicht ausreichen für die gemäß TrinkwVO erforderliche Wassertemperatur des Trink-wassers zur Legionellen-Prophylaxe (etwa 65 bis 70 °C).
  • Ein wesentlicher Anteil des erforderlichen Stroms zum Betrieb der Wärmepumpe wird durch den Eigenverbrauchsanteil der PV-Anlage erzeugt. Im Zeitraum vom 25. Oktober 2021 bis 11. Oktober 2022 waren dies bereits 9902 kWh, also etwa der doppelte Stromverbrauch eines durchschnittlichen Vierpersonenhaushalts.
  • Dadurch wird ein Klimaschutzbetrag von etwa 35 bis 40 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr geleistet. Dies ist eine Reduktion des Gesamttreibhausgasausstoßes der kommunalen Gebäude um acht bis zehn Prozent (laut Energiebericht 2020 gesamt 445 Tonnen CO2).

Kurz- bis mittelfristig sind weitere Einsparungen geplant: durch eine zusätzliche Ver-besserung der Anlagentechnik sowie den Ersatz der Gasdeckenstrahler als „Energie-schleudern“ durch Deckenstrahlplatten (analog zu Friedhof und Feuerwehr), die dann mit Abwasserwärme betrieben werden. Insgesamt könnten CO2-Einsparungen in einer Größenordnung von bis zu 50 Tonnen pro Jahr erzielt werden.

Zudem ist durch den Ukrainekrieg und die damit einhergehende Energiekrise die Wirtschaftlichkeit der Anlage nochmals wesentlich verbessert. Insbesondere ist mit dieser Anlage die Abhängigkeit des Bauhofs von importiertem Gas deutlich verringert.

Diese Art der Energienutzung eignet sich grundsätzlich an den großen Abwasser-Hauptsammlern und Zuläufen zur Kläranlage mit einer ausreichend großen Abwassermenge. Hierbei ist zu beachten, dass die Zulauftemperatur bei der Kläranlage nicht unter acht bis zehn Grad sinken darf, da ansonsten die Wirksamkeit der Biologie im Vorklärbecken beeinträchtigt würde. Insofern ist ein ausreichend großer Abstand zur Kläranlage und gegebenenfalls eine Limitierung des Wärmeentzugs erforderlich. Das Abwasserrohr sollte einen Mindestdurchmesser von rund 700 mm haben.

Tipps aus der Praxis

Grundsätzlich sind weitere Liegenschaften denkbar, zum Beispiel die Straßenmeisterei des Landkreises. Der beste Wirkungsgrad kann allerdings bei niedrigen Vorlauf-temperaturen erzielt werden. Ideal sind daher neue Gebäude, deren Konzeption der Gebäudeheizung bereits auf geringe Vorlauftemperaturen ausgelegt ist, beispielsweise eine Fußbodenheizung.

Überlegenswert ist dies wie in unserem Fall beim Bauhof, wenn eine grundlegende Sanierung der Heizung ansteht und das Abwasserdargebot in der Nähe die Möglichkeit bietet. Voraussetzung für den Erfolg unseres Projekts sind verschiedene Faktoren. Zum einen war es das Engagement von Personen in der Verwaltung, die solche innovativen Techniken ins Gespräch brachten.

Zudem war das Zusammenspiel der beteiligten Firmen und Planer von dem Geist geprägt, hier an einer noch wenig verbreiteten, innovativen Heizungstechnik mitzuwirken, die von allen Beteiligten mehr Engagement als bei üblichen, konventionellen Anlagen verlangt. Die Bereitschaft, hier im Team eine für den Bestand bestmögliche Lösung zu verwirk-lichen, war bei allen Beteiligten spürbar.

Weiterhin ist das Land Baden-Württemberg als Zuschussgeber ein wichtiger Akteur, ebenso der Eninger Gemeinderat, der sich lange vor der aktuellen Gas- und Energiekrise klar zu diesem Projekt bekannte. Thomas Gabler

Der Autor: Thomas Gabler leitet kommissarisch das Amt des Ortsbaumeisters in Eningen unter Achalm.