Die Landkreise und die Gesundheitsämter haben sich personell und strukturell auch auf eine mögliche zweite Welle der Corona-Pandemie vorbereitet. Die Nachverfolgung von Infektionskontakten muss auch bei einem sprunghaften Wiederanstieg der Infektionszahlen gewährleistet werden.
Die COVID-19-Pandemie und die daraus entstandene krisenhafte Entwicklung berührt die Landkreise in einer ihrer Kernkompetenzen. Die Sicherung der öffentlichen Gesundheitsversorgung ist eine der Hauptaufgaben der 294 Landkreise in Deutschland, die sie in enger Kooperation mit den Ländern durchführen. Dabei sind die Länder als Fachaufsichtsbehörden sowie mit eigenen Kompetenzen eng in die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) eingebunden. Der öffentliche Gesundheitsdienst und darin insbesondere die Gesundheitsämter haben ihre jeweilige Leistungsfähigkeit in der Corona-Krise eindrücklich unter Beweis gestellt.
Die Landkreise mussten sich personell und strukturell je nach Infektionsgeschehen anpassen, weil binnen kürzester Zeit bis zu Hunderte von Nachverfolgungen von Infizierten erfolgen mussten. Sie haben schnell aus anderen verfügbaren Bereichen der Kreisverwaltungen, aber auch in Zusammenarbeit mit kreisangehörigen Städten und Gemeinden sowie mit den Ländern notwendiges Personal bereitgestellt. Dabei kamen die zentralen Kompetenzen der Landkreise für fast alle relevanten Lebensbereiche wie Schule, Kindergarten, soziale Leistungen, aber auch der enge Kontakt der Landkreise zu Wirtschaft, Handel und Industrie zum Tragen. Dies alles hat auch die Maßnahmen, die nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern vermehrt auch in den Landkreisen zu treffen waren, befruchtet und verbessert.
Das bisher Erreichte kann sich sehen lassen: Gemeinsam mit den Menschen und in gutem Einvernehmen aller öffentlichen Ebenen sind seit März 2020 die notwendigen Maßnahmen getroffen worden, sodass die epidemische Entwicklung beginnend im April 2020 deutlich eingegrenzt und ein weiterer Ausbruch abgewendet werden konnte. Ob und wie es gelingt, eine zweite Welle womöglich im Herbst 2020 zu verhindern, hängt nicht zuletzt vom Umgang der Menschen mit der weiterhin nicht gebannten Gefahr zusammen. Hier werben die Landkreise gemeinsam mit allen politischen Verantwortungsträgern auf den anderen Ebenen für einen weiterhin sorgsamen Umgang miteinander und die strikte Einhaltung der Hygieneregeln.
Zudem werden besonders vulnerable (verletzliche) Gruppen und potenzielle „Hotspots“ der Entwicklung verstärkt beobachtet. Dies gilt für Krankenhäuser und Altenpflegeheime ebenso wie für Gruppenunterkünfte und ähnliche Einrichtungen. Überall dort, wo es schwierig ist, die Hygieneregeln zuverlässig umzusetzen, schaut der Landkreis in besonderer Weise hin und veranlasst präventive Maßnahmen sowie auf der Grundlage neuer gesetzlicher Regelungen auch deutlich mehr präventive Tests. Die Mitte Juni bereitgestellte Corona-App ist eine willkommene technische Unterstützung, wenn sie den Gesundheitsämtern die Arbeit erleichtert und eine schnellere Kommunikation im Hinblick auf nach positiver Testung erforderliche Maßnahmen ermöglicht.
Im Rahmen der Beschlüsse im Koalitionsausschuss zu einem Konjunkturpaket sind auch beabsichtigte Maßnahmen zugunsten des öffentlichen Gesundheitsdienstes vorgesehen. So strebt der Bund mit den Ländern und Kommunen einen „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ an. In diesem Rahmen soll das ÖGD-Personal zukünftig in der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes erfasst werden. Unter definierten Kriterien wird eine Personalmindestausstattung für ein Mustergesundheitsamt definiert.
Das ist grundsätzlich zu begrüßen, einschließlich der Erfassung des ÖGD-Personals beim Statistischen Bundesamt. Festlegungen von Personalmindestausstattungen sind hingegen kritisch zu bewerten. Zu berücksichtigen sind die gegebenenfalls unterschiedlich ausgestalteten Aufgabenverteilungen in den Ländern zwischen Landesgesundheitsämtern und Gesundheitsämtern, die Zuordnung verschiedener Aufgaben jenseits des Infektionsschutzes und vieles mehr.
Zudem will der Bund den Ländern in Form von Umsatzsteuerfestbeträgen die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um die zusätzlich erforderlichen Stellen in den Gesundheitsämtern vor Ort für die kommenden fünf Jahre zu finanzieren, soweit eine Anstellung bis Ende 2021 erfolgt. Eine solche Beteiligung des Bundes in Form von Umsatzsteuerfestbeträgen an der personellen Aufstockung der Gesundheitsämter ist nur begrüßen. Es bleibt aber primär Aufgabe der Länder, finanzielle Mittel für die Wahrnehmung auch kommunaler Aufgaben bereitzustellen.
Bund und Länder wollen weiterhin gemeinsam die verbesserte Kommunikation und Konzeptentwicklung zur Stärkung des ÖGD unterstützen und werden sich hierzu über weitergehende strategische Maßnahmen austauschen, beispielsweise zur Anpassung der landesgesetzlichen Regelungen zum öffentlichen Gesundheitsdienst, zur Stärkung des Ansatzes „Health in all Policies“ oder zu einer Organisationsanalyse des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Deutschland. Der Finanzbedarf hierfür wird auf vier Milliarden Euro geschätzt. Aus Sicht der deutschen Landkreise kann dieses Vorhaben nur unter unmittelbarer und institutionell von Beginn an sichergestellter kommunaler Einbindung erfolgreich sein.
Die Landkreise haben sich gemeinsam mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden und mit den Ländern personell und strukturell auch auf eine mögliche zweite Welle vorbereitet. Die Nachverfolgung von Infektionskontakten muss auch bei einem möglichen sprunghaften Wiederanstieg der Infektionszahlen gewährleistet werden. Dies und der epidemiologisch soweit wie möglich abgesicherte Betrieb des öffentlichen wie des privaten Lebens steht im Mittelpunkt der Arbeit der Gesundheitsämter und der Kreisverwaltungen insgesamt.
Reinhard Sager
Der Autor
Reinhard Sager ist Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistages (www.landkreistag.de)