Ihr Konzept ist im Hinblick auf Umwelt und Mobilität absolut vorbildlich, die Umsetzung in Deutschland allerdings noch schwierig: In der Hauptstadt sollen Kiezblocks nach spanischem Vorbild verkehrsberuhigte Zonen schaffen.
Seitdem die Umweltaktivistin Ada Colau 2015 zur Bürgermeisterin von Barcelona gewählt wurde, verfolgt sie konsequent eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsentwicklung. International bekannt wurde Barcelona in diesem Kontext durch seine sogenannten Superblocks – die Zusammenfassung von neun quadratischen Wohneinheiten, mit denen der Stadtplaner Ildefons Cerdà Mitte des 19. Jahrhundert die Stadterweiterung von Barcelona konzipiert hatte.
Ein Superblock umfasst in der Regel eine Fläche von 400 mal 400 Metern Länge, die durch gleichförmige, mit 20 Metern Durchmesser großzügig bemessene Straßenräume zwischen den einzelnen Wohnblöcken gegliedert ist. Diese werden für den Durchgangsverkehr gesperrt und nur Anwohner dürfen dort parken. Indem der Durchgangs- und der externe Parkplatzsuchverkehr aus den Superblocks herausgehalten werden, werden Straßenflächen frei, die zuvor von Kraftfahrzeugen besetzt wurden. Dadurch können die mehrspurigen Magistralen auf einspurige Einbahnstraßen reduziert und die verbleibenden Fahrstreifen zu Rad- und Fußwegen umgewandelt werden. Die Reduzierung parkender Fahrzeuge wiederum wird dazu genutzt, die freiwerdenden Flächen insbesondere in den Kreuzungsbereichen zu platzartigen Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität zu gestalten.
Berlin-Pankow beginnt mit Umsetzung
Das Konzept der Superblocks in Barcelona hat in Berlin Aktivisten dazu inspiriert, dieses auf Bezirksebene in einzelnen Quartieren zu etablieren – als sogenannte Kiezblocks. Unterstützt vom Verein Changing Cities gibt es mittlerweile in mehreren Bezirken Initiativen, die sich für die Umsetzung von mehr als 180 Kiezblocks engagieren. Ein Vorreiter ist der 400.000 Einwohner starke Bezirk Pankow, der die Realisierung von zwei Kiezblocks bereits beschlossen hat und in diesem Jahr mit der Umsetzung beginnt. Dabei sind die besonderen Schwierigkeiten deutlich geworden, die die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen mit sich bringen.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt die Einschränkung der „Flüssigkeit des Verkehrs“ nur dann, wenn eine besondere Gefahrenlage vorliegt. Abgesehen davon, dass hier nur der Kfz-Verkehr gemeint ist und die Flüssigkeit des Fuß- und Radverkehrs unberücksichtigt bleibt, widerspricht die Regelung dem Prinzip der nachhaltigen Verkehrsentwicklung: Während die Flüssigkeit des Verkehrs ökonomisch begründet wird, werden soziale und ökologische Erwägungen nicht gewürdigt.
Die Steigerung der Lebensqualität rechtfertigt laut StVO keine Einschränkung des Kfz-Verkehrs. Vor diesem Hintergrund sah sich der Berliner Bezirk Pankow gezwungen, ein Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, das die temporäre Einrichtung eines Kiezblocks im Sinne einer Experimentierklausel in der StVO juristisch geprüft hat. Obwohl für die Erprobung der Maßnahme eine einfache Gefahrenlage ausreicht, erfordert spätestens eine Verstetigung des Kiezblocks dann aber nach wie vor den Nachweis einer besonderen Gefahrenlage. An derartigen hohen Anforderungen sind in Deutschland progressive Verkehrsplanungskonzepte in den vergangenen Jahren regelmäßig gescheitert.
Verkehr neu denken
Während das Korsett der Straßenverkehrsordnung einer fortschrittlichen Verkehrspolitik die Luft nimmt, versetzt die aktuelle Finanzarchitektur ihr den Todesstoß. Die Finanzierung im Verkehrssektor ist seit Jahrzehnten einseitig darauf ausgerichtet, den ständig wachsenden Verkehrsmengen Mittel für den Ausbau der harten Infrastruktur zu gewähren. Dementsprechend werden vom Bund im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung vor allem Investitionen in Sachanlagen gefördert.
In dieses Schema passen keine Verkehrskonzepte wie die Kiezblocks, die auf eine Zurückdrängung des motorisierten Verkehrs zielen und stattdessen aktive Mobilität sowie den öffentlichen Personennahverkehr stärken. Vielmehr erscheinen sie aus Sicht des aktuellen Bundesverkehrsministers „gegen jeden Menschenverstand“. Offen bleibt dabei, wie Kommunen die Neuaufteilung des öffentlichen Straßenraums im Sinne einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung finanzieren sollen, um den Wandel aktiv gestalten zu können.
Anders als die Superblocks in Barcelona setzen die Berliner Kiezblocks im ersten Schritt allein auf eine Verkehrsberuhigung, eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums wird erst später mit Bürgerbeteiligung angestrebt. Dennoch droht schon die bescheidene deutsche Variante an finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu scheitern.
Wenn die Kommunen im Sinne ihrer Bewohner künftig eine nachhaltige Verkehrsentwicklung unterstützen möchten, müssen sie sich für ein bundesweites Mobilitätsgesetz einsetzen, welches ihnen einen verbindlichen Rechtsanspruch, personelle Kapazitäten und eine gesicherte Finanzierung für die Förderung des Umweltverbunds garantiert.
Die Autoren
Prof. Dr. Oliver Schwedes leitet das Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung an der TU Berlin, Sven Hausigke und Lisa Buchmann bearbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter in den nächsten zwei Jahren das Forschungsprojekt in Pankow.