Unterirdische Versickerung des Regenwassers

Kinder sollen unbeschwert (im Regen) spielen: Das kann eines der Motive für den Bau unterirdischer Versickerungsanlagen sein. Foto: Adobe Stock/Valtenin Valkov

Regenwasser aufzufangen ist wichtig, Sickermulden sind aber nicht immer möglich oder sinnvoll. Wie es ohne sie gehen kann, zeigt der Kindergarten St. Martin in Bad Saulgau-Braunenweiler.

Im Frühjahr 2020 begann beim Kindergarten St. Martin im baden-württembergischen Bad Saulgau (rund 17.000 Einwohner) der zweite Bauabschnitt: für eine komplett unterirdische Versickerungsanlage. Voraussetzung dafür ist nach den Anforderungen des Landes ein vorgeschalteter, bauartzugelassener Filterschacht.

Die Baugrunduntersuchung hatte ergeben, dass bis in eine Tiefe von zwei Metern die Böden für eine Versickerung von Niederschlagsabflüssen nur eingeschränkt geeignet sind. Das bedeutet: Austausch der nicht versickerungsfähigen Bodenschicht, Anlegen einer Mulde mit maximal 30 Zentimetern Einstautiefe und Reinigung des Regenwassers durch die bewachsene Bodenschicht an der Oberfläche. Damit wären allerdings große Teile des Gartengeländes in Anspruch genommen worden.

Bei korrekter Planung und Ausführung steht in bewachsenen Mulden spätestens nach 24 Stunden kein Wasser mehr. Als Dauer-Spielfläche dürfen sie jedoch auch im trockenen Zustand nicht genutzt werden. Der Boden würde verdichtet, der Bewuchs zertreten. Die schnelle Aufnahmefähigkeit für Wasser und die Reinigungsfähigkeit durch das Zusammenspiel von Organismen und Substrat in den oberen Zentimetern des Mutterbodens wären nicht mehr ideal. Bei Starkregen könnten daraus Überflutungen resultieren oder Überläufe in den Kanal, die in der dann erreichten Dimension weder geplant noch gewünscht sind.


Filter gegen Mikroplastik

Winzige Plastikpartikel gelangen ins Meer – und über die Nahrungskette zum Menschen zurück. Mehr noch: Weltweit verteilt belastet Mikroplastik Luft, Boden und Wasser. Bei der Suche nach dessen Herkunft gerät Reifenabtrieb in den Fokus. Der Regenabfluss von Straßen, Parkplätzen, Industrie- und Gewerbeflächen bietet die Möglichkeit, einiges davon zurückzuhalten, zum Beispiel durch Substratfilter.


Der Autor

Dipl. Ing. Klaus W. König ist Fachjournalist, Buchautor, Gründungsmitglied des fbr-Bundesverbandes für Betriebs- und Regenwasser e.V. sowie Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA Wasserrecycling/Regen- und Grauwassernutzung.


Spezielle Filterschächte

Ein Mulden-Rigolen-System wäre bei einem anderen Gebäude an derselben Stelle die richtige Wahl gewesen. Doch für die Betreiber des Kindergartens war die Entscheidung klar, als die Wahl bestand zwischen Sickermulden oder Spielflächen für die Kinder – Spielflächen sind wichtig. Die Situation ist ähnlich wie bei Einkaufszentren und innerstädtischen Geschäftshäusern: Für Sickermulden ist nicht genügend Platz und meist auch zu wenig Schutz gegeben.

Aus Sicht der Betreiber wird die komplette Oberfläche als Parkplatz für Kunden und Mitarbeitende benötigt. Genau für diese Fälle wurden Filterschächte entwickelt, mit denen Regenabflüsse von Dach- und Verkehrsflächen weitestgehend gereinigt werden können. Haben solche Produkte ein Prüfzeichen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt), dann werden sie von der unteren Wasserbehörde als geeignet anerkannt, sofern die Planer im Entwässerungsgesuch die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten und die Bemessung gemäß den Regeln der Technik vornehmen.

Substratfilter für alle Fälle

Im speziellen Fall in Bad Saulgau wird nur das Regenwasser der Dachflächen unterirdisch versickert. Die Dachdeckung besteht aus Ziegel, einem in Hinblick auf die Auslösung von Schadstoffen völlig unbedenklichen Material. Dachrinnen und Fallrohre sind bei dieser Betrachtung von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt selbst für die Werkstoffe Kupfer und Zink, die dabei üblicherweise verwendet werden und Schwermetalle in geringer Dosierung abgeben. Wegen der in Baden-Württemberg kritischen Haltung der Wasserbehörden bei Versickerung ohne bewachsenen Oberboden wurde zwischen Dachablauf und unterirdischer Sickerrigole vorsorglich ein „Alleskönner“ eingeplant, ein Substratfilter des Herstellers Mall. Er kann Schwermetalle herausfiltern, aber auch mineralische Kohlenwasserstoffe und kleinste Partikel wie Mikroplastik von Reifenabrieb – alles Stoffe, die von stark frequentierten Parkplätzen, nicht jedoch von der Dachfläche der Kindertagesstätte, in relevanten Mengen zu erwarten sind.

Der Filterschacht wird vom Kran des Lieferfahrzeugs in die vorbereitete Baugrube versetzt. Foto: König

„Trotzdem die richtige Entscheidung“, meint Dipl.-Ing. Stephan Klemens, Entwicklungsleiter des Herstellers. „Ist laut DIBt-Zulassung das Filtersubstrat bei extremer Beanspruchung durch Regenabfluss von stark frequentierten Verkehrsflächen nach vier Jahren zu wechseln, so kann es bei der Kita in Bad Saulgau wegen der geringen Schadstoffbelastung des Dachwassers um ein Vielfaches länger benutzt werden“.

Ein Betriebsbuch für die Bauherrschaft zum Nachweis ausgeführter Wartungen gehört zum Lieferumfang solcher Filter beim Hersteller. Es enthält die Betriebs- und Wartungsanleitung, die Zyklen der Wartung (zwölf Monate) und Eigenkontrollen (drei Monate) sowie Formulare zur Betriebsdokumentation.

Wassermenge und Sickergeschwindigkeit entscheidend

Ein korrekt geführtes buch dient als Nachweis des ordnungsgemäßen Betriebs in Bezug auf Durchsatz und Stoffrückhalt gegenüber der Wasserbehörde. Falls der Betreiber keine sachkundige oder eingewiesene Person für die genannten Tätigkeiten stellt, kann er den Hersteller mit dieser Dienstleistung beauftragen. Das unterirdische Rigolensystem aus Stahlbetonhalbschalen dient der Versickerung von Regenwasser. Es besteht bei der Kita in Bad Saulgau aus vier vorgefertigten Teilen mit je 2,50 Metern Länge, 2,70 Metern Breite und 1,25 Metern lichter Höhe.

Das Stauvolumen wird nach dem Arbeitsblatt DWA-A 138 ermittelt. Dafür sind zwei Faktoren entscheidend: Einerseits die im Verlauf eines Starkregens anfallende Wassermenge laut den lokalen Starkregendaten aus dem KOSTRA-DWD-Atlas. Andererseits die Wassermenge, die über die Sickerfläche abgeleitet werden kann. Hierbei ist die Sickergeschwindigkeit im anstehenden Boden, der kf-Wert, entscheidend. Das erforderliche Rigolenvolumen ergibt sich aus der Differenz von Niederschlags- und Versickerungsvolumen bei vorgegebener Jährlichkeit des Regenereignisses.

Sickertunnel in zwei Stunden eingebaut

Modulartig aneinandergereiht werden die Elemente direkt auf rund 15 Zentimeter sickerfähigen Kiessand oder auf Split 2/8 Millimeter gesetzt. Bevor die Verfüllung beginnt, wird die gerundete Oberseite des Tunnels mit Geotextil abgedeckt, der Domschacht für den Einstieg bis zur Geländehöhe aufgesetzt und die Zulaufleitung vom Filterschacht zum Sickertunnel verlegt.

Bei der Kita in Bad Saulgau waren dank guter Vorbereitung und reibungslosem Ablauf sämtliche Fertigteile des Filters und des zehn Meter langen Sickertunnels in zwei Stunden versetzt und mit den erforderlichen Leitungen verbunden. Dies haben ein Baggerführer und zwei Mitarbeiter des städtischen Bauhofs erledigt.

Klaus W. König