Viele Gemeinden auf dem Land klagen über rückläufige Einwohnerzahlen. Sie suchen nach Möglichkeiten, ihren Ortskern zu revitalisieren, die Infrastruktur bezahlbar zu halten sowie überhaupt junge Menschen anzusiedeln. Die Gemeinde Hiddenhausen hat ihre Initiative zu einem Erfolgsmodell entwickelt.
Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Dieser Trend gilt auch für Deutschland. In erster Linie sind es junge Leute, die dem ländlichen Raum in der Hoffnung auf bessere Berufschancen den Rücken kehren. Auch die Vielfalt des kulturellen Angebots macht das urbane Leben für viele anziehend.
Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Attraktiver und zugleich bezahlbarer Wohnraum wird mehr immer zur Mangelware. Gerade junge Familien geraten auf der Suche nach solchen Wohnungen schnell an ihre Grenzen. Gleichzeitig stellt sich für eine wachsende Zahl kommunaler Akteure in kleinen Gemeinden die Frage, wie sie sich eine weitere Verödung von Ortskernen vermeiden lässt.
Mit dem Förderprogramm „Jung kauft Alt – Junge Menschen kaufen alte Häuser“ ist es der Gemeinde Hiddenhausen im ostwestfälischen Kreis Herford gelungen, einen Lösungsweg aufzuzeigen. Dafür erhielt sie unter anderem den Preis „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen 2014/2015“.
Die rund 20.000 Einwohner zählende Kommune beschloss im Jahre 2007, einen Altersatlas anfertigen zu lassen. Auf diesem Weg wollte man sich ein genaues Bild von den Auswirkungen der demografischen Entwicklung machen. Wie die Analyse offenlegte, war in den kommenden Jahren aufgrund des hohen Anteils älterer Menschen mit einem wachsenden Leerstand zu rechnen. „Deshalb beschloss der Gemeinderat, künftig kein neues Bauland an der Peripherie der sechs Ortsteile auszuweisen“, berichtet Andreas Homburg, Amtsleiter für Gemeindeentwicklung in Hiddenhausen. Stattdessen gründete die Verwaltung einen Runden Tisch und lud Experten unterschiedlicher Fachbereiche dazu ein. Architekten gehörten ebenso dazu wie Stadt- und Landschaftsplaner, Immobilienmakler und Fachleute für Baufinanzierung. So entstand die Idee zu einem Förderprogramm, von dem junge Menschen ebenso profitieren sollten wie die Besitzer leerstehender Altbauten.
Wenn eine mindestens 25 Jahre alte Immobilie zum Verkauf steht, bezuschusst die Gemeinde ein Altbau-Gutachten, das den Modernisierungsaufwand einschätzt und die damit verbundenen Kosten beziffert. Die Käufer erhalten 600 Euro und für jedes im Haushalt lebende minderjährige Kind weitere 300 Euro bis zu einer maximalen Grenze von 1500 Euro. Darüber hinaus steuert die Gemeinde für die Dauer von sechs Jahren einen Grundbetrag von 600 Euro pro Jahr bei. Dieser wird für jedes Kind um 300 Euro aufgestockt. Die Obergrenze beträgt 1500 Euro im Jahr. Der Zuschuss kann seit dem Jahr 2012 auch für den Abriss des Altbaus und die Errichtung eines Neubaus auf dem bisherigen Grundstück genutzt werden. Die Gemeinde stellte klar, dass sie keine Immobilen vermittelt und stattdessen mit Maklern aus der Region zusammenarbeitet.
Mit dem fertigen Konzept wandte man sich an den Gemeinderat, der dem Vorhaben seinen Segen erteilte. „Es hat sich bewährt, mit einer zweijährigen Testphase zu starten“, sagt Homburg. Zunächst wurden Haushaltsmittel in Höhe von 20.000 Euro veranschlagt.
Einschulungszahlen überzeugen den Kämmerer
Da sich das Programm als sehr erfolgreich erwies, mussten bereits im nachfolgenden Haushaltsjahr mehr Mittel für die Förderung bereitgestellt werden. Dass der eingeschlagene Weg richtig war, hat der neu gewählte Rat nach der Kommunalwahl 2009 bestätigt, denn er votierte erneut einstimmig für das Programm. Insgesamt wurden von 2007 an 425 Objekte mit einem durchschnittlichen Betrag von 917 Euro von pro Jahr und Objekt gefördert. Dass diese Ausgaben für die Kommune sich lohnen, verdeutlicht Homburg an einem Beispiel: „Allein zwischen 2013 und 2014 wurden in den sechs Ortsteilen insgesamt 23 Kinder eingeschult, deren Eltern das Förderprogramm in Anspruch nehmen. Diese Zahl hat den Kämmerer überzeugt.“
Eine Siedlungspolitik, die in ländlichen Kommunen ausschließlich auf Neubau setze, sei weder zeitgemäß noch nachhaltig, ist sich Homburg sicher und verweist auf die Folgenkosten: „Solche Gemeinden müssen nicht nur für eine funktionierte Infrastruktur in den bisherigen Wohnquartieren sorgen, sondern auch in den neuen Siedlungsflächen. Früher oder später kann daraus ein finanzieller Bumerang werden.“
Doch es geht nicht nur um eine vorausschauende Finanzplanung. Auch das soziale Leben in Hiddenhausen ist wieder interessanter geworden. So sorgen Neubürger beispielsweise dafür, dass das Vereinsleben eine Zukunft hat. Zwar sei Hiddenhausen keine Insel der Seligen, denn nicht jeden könne man für das Landleben begeistern. Aber es sei gelungen, die Wanderungsbewegung umzudrehen, bilanziert Homburg: „Ende April kamen wir im Verhältnis von Zu- und Wegzügen auf ein Plus von 34.“
Von den positiven Erfahrungen des Förderprogramms ließ sich auch Steffi Trittel, Bürgermeisterin der Gemeinde Hohe Börde in Sachsen-Anhalt, inspirieren. Nachdem sie Andreas Homburg zu Beginn des Jahres 2012 zu einem Vortrag eingeladen hatte, einigte sich der Gemeinderat bereits im Februar 2012 darauf, das Förderprogramm aufzulegen. „Die Innenentwicklung des Dorfes ist mir ein zentrales Anliegen“, betont Trittel und spricht über „Jung kauft Alt“ als einem echten Erfolgsmodell. Zudem trage das Förderprogramm dazu bei, dass die Böden auch zukünftig zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt und nicht als Bauland veräußert würden. „Das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat bestätigt, dass wir über den nährstoffreichsten Boden Deutschlands verfügen“, so lautet ihre Begründung.
„Das Programm war bislang ein Selbstläufer, das sich über die Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet hat“, sagt Trittel. Zwischen den Jahren 2013 und 2017 wurden 76 Förderanträge gestellt. Die Gutachten-Förderung nahmen die Käufer bislang jedoch nur in einem Fall in Anspruch. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wohnt in den alten Häusern ausschließlich eine Generation von jungen Menschen, die in der Hohen Börde aufgewachsen sind. In den 18 Ortschaften leben aktuell 18 700 Einwohner. Es habe jedoch auch den Fall einer jungen Familie gegeben, die aus Berlin ins Dorf ihrer Großeltern gezogen sei, um deren altes Haus zu übernehmen. „Das Ansehen der Gemeinde hat eine neue Wertschätzung erfahren“, so Trittels Fazit.
Michaela Allgeier
Die Autorin
Michaela Allgeier, Essen, ist Autorin und Beraterin in den Themenfeldern Demografische Entwicklung und Gerontologie sowie Integration