Unconscious bias im Bewerbungsprozess

Wer hat Angst vor der Frau mit Kopftuch? Unterbewusste Stereotype und Vorurteile dürfen nicht über die Auswahl geeigneter Kandidaten entscheiden. Foto: Adobe Stock/Aleksandra Suzi

Diskriminierung gehört in keinen Rekrutierungsprozess und ist hier doch tief verwurzelt. Unbewusste Denkmuster und Stereotype können von Verantwortlichen durch einen bewussten Prozess ausgehebelt werden.

Seit Jahren legen verschiedene Studienergebnisse nahe, dass Rassismus und Diskriminierung auch im Recruiting stattfinden: Bewerber mit Migrationshintergrund, vor allem Bewerber mit schwarzem Phänotyp oder muslimischer Religion, werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt benachteiligt. Auch Frauen mit Kopftuch erfahren Diskriminierung. Weitere Studien zeigen, dass Personen mit einem türkisch klingenden Namen seltener zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden als Personen mit deutsch klingendem Namen – bei ansonsten gleichen Bewerbungsunterlagen.

Zur Erklärung von Rassismus im Recruiting wird oftmals der sogenannte „unconscious bias“ herangezogen. Dieser bezeichnet unbewusste kognitive Verzerrungen, wie zum Beispiel automatische Stereotype, die ansozialisiert und durch gesellschaftliche Strukturen begründet sind. Ein solches „Schubladendenken“ vereinfacht und beschleunigt kognitive Prozesse, ist jedoch unbewusst und somit in Entscheidungsprozessen schwer zu vermeiden. Eine Auflösung solcher unbewussten Stereotype liegt insbesondere darin, sich zugrundeliegende Denkmuster und Schemata bewusst zu machen – zum Beispiel indem man sich mit Alltagsrassismus auseinandersetzt, darüber spricht und Betroffenen Gehör schenkt.

Heterogenes Beobachtungsgremium und Vier-Augen-Prinzip

Ein erster Schritt kann für Verantwortliche darin liegen, sich die Frage zu stellen: Welche Schritte unseres Recruitingprozesses sind potenziell diskriminierend? Wo können „unconscious biases“ greifen? Gerade diese Schritte sollten standardisiert und bestmöglich objektiviert werden. Beispielsweise, indem die Sichtung und Beurteilung der Bewerbungsunterlagen nach klaren, vorab definierten Beurteilungskriterien erfolgt und nicht „aus dem Bauchgefühl heraus“.

Darüber hinaus bietet sich ein „Vier-Augen-Prinzip“ an, sowohl bei der Beurteilung der Bewerbungsunterlagen als auch bei Bewerbungsgesprächen. Insbesondere bei größeren Beobachtungsgremien sollten Verantwortliche zudem auf eine möglichst heterogene Besetzung achten (und nicht nur die oft benannte Gruppe der „alten, weißen Männer“ heranziehen) – divers besetzte Beobachtungsgremien beugen „unconscious biases“ potenziell vor, da Personen mit unterschiedlichen Sozialisationsgeschichten zusammenkommen.

Darüber hinaus kann auch die Anonymisierung von Bewerbungsunterlagen helfen, indem Name, Alter, Familienstand, Herkunft und Foto vor der Sichtung und Beurteilung unkenntlich gemacht werden. Dies erleichtert Recruitern eine ausschließlich auf Qualifikationen und Erfahrungen basierende Beurteilung. Verantwortliche sollten sich jedoch darüber bewusst sein, dass auch in den darauf folgenden Auswahlschritten (Telefoninterviews, Bewerbungsinterviews, Assessment Center) ein besonderes Augenmerk auf mögliche rassistische Urteilsverzerrungen zu legen ist. Julia Schwick

Die Autorin: Julia Schwick, Wirtschaftspsychologin, M.Sc., ist Beraterin bei zfm – Zentrum für Management- und Personalberatung Edmund Mastiaux & Partner, Bonn.

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