Ukrainekrieg: Partnerstädte unterstützen

In Polen am Grenzpunkt Dorohusk–Jagodzin warten ukrainische Geflüchtete auf ihren Weitertransport. Foto: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V./Paul Hahn

Am 24. Februar 2022 wurde das Bild vieler Menschen vom friedvollen Europa zerstört. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine bedeutet einen Einschnitt in der Geschichte. Wie gehen deutsche Städte damit um?

72 deutsche Städte und Kreise pflegen Freundschaften und Partnerschaften mit der Ukraine. Viele von ihnen sind bereits in den 1990er Jahren entstanden. Hilfsprojekte für die Kinder aus Tschernobyl und eine Öffnung durch die Regierung Gorbatschows förderte das Interesse an partnerschaftlichen Beziehungen. Diese langjährige Tradition führt zu einer besonderen Anteilnahme deutscher Städten mit ihren Partnern in der Ukraine.

„Wir sind erschüttert über die Bilder, die uns aus Charkiw erreichen“, sagt Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König. „Alle haben wir die aufwühlenden Video-Botschaften meines Amtskollegen Ihor Terechov gesehen. Wir versuchen zunächst von Nürnberg aus zu helfen. Und müssen dann sehen, was mittel- und langfristig in Charkiw benötigt wird.“

Charkiw im Osten des Landes ist nach Kiew mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Hier werden Wohnviertel angegriffen, Verwaltungsgebäude zerstört, Infrastruktureinrichtungen bombardiert. „Viele Menschen aus Charkiw haben bereits ihr Leben verloren. Viele Bürger versuchen, die Stadt zu verlassen“, erklärt König. „Wir stehen unserer Partnerstadt zur Seite.“

Koordinierungsstab einberufen

Seit 1990 unterhält das bayerische Nürnberg die Städtepartnerschaft mit Charkiw. Soweit es trotz der Angriffe gehe, stehe man in Kontakt. Derweil sammeln die Stadt und der Partnerschaftsverein Spenden, es seien bereits über 120.000 Euro eingegangen, heißt es von Seiten der Stadtverwaltung. Es werde zudem eine Hilfskette über die polnische Partnerstadt Krakau aufgebaut. Von dort werden Hilfstransporte nach Charkiw organisiert.

Die Stadt Nürnberg habe nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine einen Koordinierungsstab für die Geflüchteten einberufen, teilt Pressesprecher Andreas Franke mit. Darin seien alle wichtigen städtischen Dienststellen, wie Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen, vertreten. Eine Kerngruppe tage täglich. Zudem wurde ein Maßnahmenpaket für die Geflüchteten geschnürt.

Kern ist eine zentrale Anlaufstelle in der Innenstadt. Dort gibt es erste medizinische Beratung, Unterkunftsvermittlung, Hilfspakete, Dolmetscher-Service, Meldeberatung, psychosoziale Erstberatung und eine Aufnahme durch das Sozialamt. Ukrainer dürfen den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen, Sachspenden koordiniert das BRK, es gibt ein Impfangebot.

Die Stadt Nürnberg habe sofort Unterkünfte vorbereitet, eine Schulturnhalle dient als Notunterkunft. „Damit kommen wir in einem ersten Schritt auf gut 1000 Plätze“, schreibt Franke. „Viele Dutzend Geflüchtete sind bereits in Nürnberg untergekommen. Vor Ausbruch des Kriegs lebten hier bereits 4200 Ukrainer. In einigen Wochen werden es sicher deutlich mehr sein.“

Schnelle Aufnahme von Geflüchteten

Freiburg im Breisgau (Baden-Württemberg) pflegt eine Städtepartnerschaft mit der westukrainischen Stadt Lviv. Oberbürgermeister Martin Horn steht im regelmäßigen Austausch mit seinem Amtskollegen in Lviv, Andrij Sadovyj. Freiburg unterstützt seine Partnerstadt bei der Beschaffung von Notstromaggregaten, schickt Lkws mit Hilfsgütern und sammelt Spenden.

Außerdem wurden aus einem Kinderheim in Kiew Kinder und Mitarbeiter evakuiert. Von Seiten der Stadt wurden unter Hochdruck alle Vorbereitungen mit Unterstützung von DRK und Malteser getroffen, um 167 Kinder und Jugendlichen sowie 32 Betreuer in Freiburg unterbringen und versorgen zu können. Auch Dolmetscher wurden bereitgestellt, die bei der Verständigung helfen.

„Der furchtbare Krieg in der Ukraine macht fassungslos. Umso wichtiger ist es jetzt, dass wir unseren ukrainischen Freundinnen und Freunden helfen, wo wir nur können. Für mich stand es außer Frage, dass wir die geflüchteten Kinder bei uns aufnehmen. Krieg kennt keine Gewinner – und Kinder sind die größten Verlierer“, meint Horn.

Und Russland?

Rund 130 offizielle Kooperationen gibt es zwischen deutschen und russischen Städten. Erste Rufe wurden laut, diese auszusetzen. „Wer andere Länder überfällt, kann kein Partner sein“, sagte etwa der CDU-Politiker Kai Wegner der Nachrichtenagentur dpa. Dagegen spricht sich der Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU), aus: „Ich rate dringend davon ab, Städtepartnerschaften zu russischen Städten jetzt zu beenden.“

In Dortmund setzen sich aktuell der Verwaltungsvorstand sowie die Ratsfraktionen mit der Thematik des Russland-Ukraine-Konflikts und seinen Auswirkungen auseinander. Die Städtepartnerschaft mit Rostow am Don, das nur 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt, besteht seit 1978.

„Oberbürgermeister Thomas Westphal hat zu Beginn des Krieges einen Brief mit einem Appell zur Beendigung des Angriffs an die Stadtspitze in Rostow geschickt. Eine Antwort darauf steht aus“, schreibt Dortmunds Ansprechpartnerin für Städtepartnerschaften, Bärbel Masurat. In der nächsten Ratssitzung am 31. März wolle man das Thema diskutieren. „Aktuell halte ich den Kontakt zu meinem Pendant in Rostow noch aufrecht“, so Masurat.

Brücken erhalten

Die Entscheidung zur Vereinbarung sowie zur Beendigung einer Städtepartnerschaft obliegt dem Rat der Stadt. Sowohl der Oberbürgermeister als auch die meisten Dortmunder Ratsfraktionen haben sich derzeit gegen eine Kündigung der Partnerschaft ausgesprochen.

„Eine Beendigung der Städtepartnerschaft würde alle Bemühungen zur Völkerverständigung, auch für die Zukunft, zunichtemachen“, erklärt Bärbel Masurat. „Nur das Aufrechterhalten des vorhandenen Austauschs auf kommunaler Ebene bietet die Chance, nach Beendigung der kriegerischen Handlungen eine (erneute) Annäherung zu ermöglichen.“

Isaac Newton soll einst gesagt haben: „Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenige Brücken.“ Doch die Städte tun ihr Möglichstes, um die Brücken zu ihren Partnern im Osten trotz des Krieges zu erhalten.

Denise Fiedler