Tiny Houses: wenig Platz, viel Potenzial

Tiny House, Wohnen, Bauen
Eines der Tiny Houses in Schorndorf: eine bewusste Entscheidung für eine andere Wohn- und Lebensform. Foto: Stadt Schorndorf

Der Wunsch nach minimalistischen Wohnformen steigt – und Schorndorf bietet eine Fläche für Tiny Houses an. Oberbürgermeister Bernd Hornikel erklärt die Grenzen, aber auch die Chancen dieses Experiments.

Sie sind gerade mal 35 Quadratmeter groß, individuell auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zugeschnitten und stehen auf einer kleinen städtischen Schondorfer Grünfläche an einem Waldrand: „Tiny Houses“, also winzige Häuser. Es handelt sich um die kleinste Form von Wohngebäuden, sogenannten Kleinst- oder Mikrohäusern mit einer Wohnfläche von 15 bis 45 Quadratmetern.

Bereits im Mai 2020 hat der Gemeinderat der Stadt Schorndorf die Bereitstellung von Flächen für den Bau von Tiny Houses beschlossen und damit ein neues städtebauliches Format auf den Weg gebracht. Das Tiny-House-Projekt in Schorndorf ist ein (Wohn-)Experiment, das dazu dienen soll, sich den Bedarfen der Gesellschaft anzupassen und die Innenverdichtung innerhalb der Stadt sinnvoll voranzutreiben.

Wie möchte ich in Zukunft leben? Diese Frage stellen sich viele Menschen, wenn sie in die erste eigene Wohnung ziehen, ein Eigenheim erwerben möchten oder im Alter nach einer neuen Bleibe suchen. Die Antwort fällt mit dem größeren Angebot an Wohnmöglichkeiten immer individueller aus: Öko-Niedrigenergiehaus, Smart Home, Mehrgenerationenhaus oder Ökodorf – für fast jeden Wunsch gibt der Markt mittlerweile etwas her. Für 40 Prozent der Menschen kommt laut einer aktuellen Umfrage auch Wohnen auf kleinstem Raum in Frage (statista.de).

Wohnung für alleinstehende

Besonders alleinstehende Personen zeigen an dieser modernen Wohnform großes Interesse. Das zeigt sich auch an der großen Resonanz auf die Erstausschreibung von insgesamt fünf Parzellen in Schorndorf. Mehr als 900 Interessenten meldeten sich bei der Stadt, 40 Bewerbungen gingen am Ende ein.

Bei den in Schorndorf angebotenen Grundstücksteilen handelt es sich um eine städtische Grünfläche, die sich nicht für eine konventionelle Bauweise eignet. Die Parzellen werden im Rahmen von befristeten Mietverträgen mit einer Laufzeit von zehn Jahren angeboten, eine Verlängerung von bis zu drei Jahren ist möglich. Danach müssen die Tiny Houses an einen anderen Ort umziehen, Strom- und Wasseranschluss werden wieder rückgebaut. Der Grund: Es braucht eine zeitliche Befristung, da das Projekt ganz explizit den Status eines Experiments hat.

Kreativität ist gefragt

Die zeitliche Befristung und die Reduzierung des Wohnraums auf gerade einmal 35 Quadratmeter schreckte viele Interessenten am Ende dann doch ab. Die fünf ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber entschieden sich aber bewusst für diese alternative Wohnform.

Drei Tiny Houses stehen mittlerweile auf der Fläche und sind im Jahr 2022 bezogen worden. Das Häuschen für die vierte Parzelle befindet sich aktuell im Bau, ein Einzug ist noch in diesem Jahr geplant. Die fünfte Parzelle steht aus persönlichen Gründen des Käufers wieder zur Verfügung, erste Bewerbungen sind schon eingegangen. Die Stadt Schorndorf möchte diese und andere alternative Wohnformen weiterhin unterstützen und sucht dafür nach möglichen neuen Standorten, auch mit Kaufoption und ohne zeitliche Befristung.

Tiny Houses sind allerdings nicht die ultimative Lösung für Innenverdichtung. Denn rechnet man die benötigte Fläche und die tatsächliche Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner von ein bis maximal zwei Personen pro Quadratmeter, hat das mit Innenverdichtung im klassischen Sinne nichts zu tun. Diejenigen, die sich bewusst für ein Tiny House entscheiden, tragen aber aktiv zum Schutz von Natur und Landschaft bei. Denn sie verzichten bewusst auf Wohnfläche und besitzen nur das, was sie wirklich brauchen. „Downsizing“ nennt sich diese Lebens- form, von der sich sicherlich jeder von uns eine Scheibe abschneiden kann.

Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte an, bleibt den Kommunen auch gar nichts anderes übrig, als kreativ zu sein. Alle Städte und Gemeinden im Land kämpfen mit steigenden Mieten, Wohnraummangel und fehlenden freien Flächen. Laut einer aktuellen Studie des Pestel Instituts in Hannover fehlen alleine im Jahr 2023 rund 700.000 Wohnungen. Nicht nur die Großstädte sind davon betroffen, sondern auch immer mehr kleinere Kommunen wie Schorndorf.

Zum „Downsizing“ anregen

Entgegen früherer Prognosen wächst die Bevölkerung in Schorndorf kontinuierlich. Von derzeit 41.000 Einwohnerinnen und Einwohner auf mehr als 42.000 bis 2035. Das heißt: In der Stadt wird es enger, aber es gibt kaum noch Flächen. Die wenigen Flächen, die es noch gibt und die sich nicht für den konventionellen Wohnungsbau eignen, sollten daher sinnvoll genutzt werden.

Tiny Houses sind kein Allheilmittel gegen die Wohnungsnot, aber das Wohnprojekt hat gleich mehrere Vorteile: Das Bedürfnis nach Wohnraum beziehungsweise nach einer minimalistischen Lebensweise kann gestillt werden; zudem freuen sich die Bauherren über die Möglichkeit, den Wunsch vom Eigenheim mit geringerem Ressourcenverbrauch und niedrigeren Baukosten erfüllen zu können. Bleiben wir also mutig und gehen die Herausforderungen der Zukunft an!

Bernd Hornikel


Der Autor

Bernd Hornikel ist Oberbürgermeister der Stadt Schorndorf. Der Jurist war viele Jahre in leitender Funktion im Bereich Immobilienmanagement bei Vermögen und Bau Baden Württemberg tätig.


Hornickel, Oberbürgermeister, Schorndorf
Schorndorfs OB Bernd Hornikel sieht in Tiny Houses nicht die ultimative Lösung für Innenverdichtung. Das Potenzial, das sie bieten, sind für ihn aber das Experiment wert. Foto: Stadt Schorndorf