Tempolimits: Neustart in die richtige Richtung

Mehr Sicherheit und weniger Lärm durch Tempolimits: Das will die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“. Was mit der Novelle des Straßenverkehrsgesetzes erreicht ist, streicht Thomas Dienberg heraus, Sprecher der Initiative und Baubürgermeister der Stadt Leipzig.

Tempolimit
Mit Tempo durch die Stadt — das steht für viele Städte und Gemeinden nicht mehr unbedingt an erster Stelle. Sie setzen auf Tempolimits. Foto: Adobe Stock/Christian Müller

Am 14. Juni haben Bundestag und Bundesrat die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes bestätigt. Zuvor hatte im Bundesrat das „Zehnte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes“ am 24. November 2023 nicht die Mehrheit erhalten, die für eine Zustimmung erforderlich ist. Nach umfangreichen Abstimmungen im Vorfeld konnte im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ein Kompromiss erzielt werden.

Mit Gesetz mehr Handlungsspielräume für Tempolimits

Aus Sicht der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ kann das Gesetz die Grundlage dafür sein, dass Städte, Gemeinden und Landkreise künftig mehr Handlungsspielräume erhalten. Die Initiative hat den Weg zu einem neuen Straßenverkehrsrecht aktiv mitgestaltet.

Auf Leipzigs Impuls im Juni 2021 gemeinsam mit den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Münster und Ulm gegründet, engagieren sich heute rund 1100 Gemeinden, Städte, Landkreise und eine Region in der Initiative. Das überparteiliche und bundesweite Bündnis hat sich von Beginn an mit großer Expertise und unter großem Medienecho dafür eingesetzt, die Bedürfnisse der Kommunen stärker im Straßenverkehrsrecht zu verankern — durch Überzeugungsarbeit auf allen politischen Ebenen, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen der Mitgliedskommunen, bisher zwei Online-Konferenzen und durch direkte Adressierung der Entscheidungsträger.

Flexiblere Anordnung von Tempolimits

Mit spürbarem Erfolg: Vor allem die Aufnahme neuer Hauptziele im Straßenverkehrsgesetz wie Umwelt- und Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Interessen verspricht künftig mehr Beinfreiheit. Damit soll die flexiblere Anordnung von Tempolimits innerorts, Busspuren, aber auch Anwohnerparken möglich gemacht werden. Hier verhinderte der Gesetzgeber bisher pragmatische und praxisgerechte Lösungen.
Im Mittelpunkt stehen vor allem die Hauptverkehrsstraßen, in denen eben auch gewohnt und gelebt wird. Auf diesen Straßen ist es bisher nur unter hohen Hürden möglich, Tempo 30 auszuweisen. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Tempo 30 birgt viel Potenzial, eine ganze Reihe von Problemen zu lösen, die der innerstädtische Verkehr mit sich bringt.

So wirken sich geringere Höchstgeschwindigkeiten unmittelbar auf den Verkehrslärm aus. Untersuchungen — gemessene Werte ebenso wie Modellrechnungen und Simulationen — in deutschen Städten wie Berlin und in der Schweiz kommen alle zum gleichen Ergebnis: Tempo 30 statt 50 senkt den Lärmpegel signifikant und wahrnehmbar.

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Ein starkes Argument für Tempo 30: Vor allem bei Unfällen mit Kindern kann die Fahrzeuggeschwindigkeit über Leben und Tod entscheiden. Foto: Adobe Stock/Sasenki

Der schnelle Weg zum Bremspedal

Das stärkste Argument für Tempolimits liefert die Verkehrssicherheit. Aus Tempo 30 beträgt der Anhalteweg — also Reaktions- und Bremsweg — etwas mehr als 13 Meter. Bei Tempo 50 hat der Fahrer nach dieser Strecke noch nicht einmal den Fuß auf dem Bremspedal. Der Anhalteweg steigt bei Tempo 50 auf rund 28 Meter. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Unfallzahlen und die Schwere der Verletzungen mit steigendem Tempo zunehmen. Vor allem bei Unfällen mit Kindern kann die Fahrzeuggeschwindigkeit über Leben und Tod entscheiden. Damit steigt die Aufenthalts- und die Lebensqualität mit reduziertem Tempo deutlich — durch eine sichere Umgebung für Rad- und Fußverkehr.

Wichtig ist, immer wieder mit guten Argumenten zu verdeutlichen, dass damit praktisch keine Nachteile für den Kfz-Verkehr verbunden sind. Auf die Leistungsfähigkeit von Hauptverkehrsstraßen hat die Höchstgeschwindigkeit keinen nennenswerten Einfluss. Dass man im Stadtverkehr Zeit verliert, hat eher mit der Anzahl der Querungen, Parkvorgängen, dem Zusammenspiel mit dem ÖPNV, noch nicht optimierten Ampelschaltungen und vor allem mit der hohen Zahl anderer Fahrzeuge zu tun. Das immer wieder vorgetragene Scheinargument, die Motordrehzahl bei Tempo 30 würde den Lärmpegel noch vergrößern, lässt sich nicht bestätigen: Der Anteil von Roll- und Windgeräuschen ist nicht nur bei Elektrofahrzeugen der dominante Faktor.

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Tempolimits können die Lebensqualität in Städten deutlich erhöhen. Fotos: Adobe Stock/Tobias

Unterwegs, aber noch nicht am Ziel

Mit dem neuen Straßenverkehrsgesetz ist die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ihren Zielen ein gutes Stück näher gekommen. Was Städte, Gemeinden und Landkreise damit konkret vor Ort umsetzen können, muss jedoch erst geprüft werden. Die tatsächlichen Handlungsspielräume hängen vor allem von der neuen Straßenverkehrsordnung ab, die noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll.

Natürlich hofft die Initiative, dass die künftige Straßenverkehrsordnung dazu beiträgt, Straßen und Wege mit weniger Aufwand und vor allem rechtssicher so gestalten zu können, wie es sich die Bürgerinnen und Bürger wünschen. In der dritten Onlinekonferenz der Initiative nach der Sommerpause wird deshalb die Frage im Mittelpunkt stehen, welche konkreten Möglichkeiten das neue Straßenverkehrsrecht bieten wird.


Der Autor

Thomas Dienberg ist Baubürgermeister der Stadt Leipzig und Sprecher der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“.


Thomas Dienberg