Wenn eine Kommune die Stadtwerke mit der öffentlichen Straßenbeleuchtung beauftragt, geht sie beihilferechtliche Risiken ein. Das zeigt ein aktueller Fall in Norwegen, den die EFTA-Aufsichtsbehörde prüft.
Beauftragt eine Gemeinde einen kommunalen Energieversorger oder ein Stadtwerk mit der Wahrnehmung der öffentlichen Straßenbeleuchtung, muss sie das Europäische Beihilfenrecht beachten. Beihilfenrechtliche Risiken können sich insbesondere dann ergeben, wenn Kommunen die Unternehmen ohne Ausschreibung beauftragen. Das zeigt ein beihilfenrechtliches, förmliches Prüfverfahren, das die EFTA-Aufsichtsbehörde gegen Norwegen eingeleitet hat (Beschluss vom 18. April 2019, vgl. Amtsblatt EU v. 13. Juni 2019 Nr. C 197, S. 25 ff.). Gegenstand dieses Verfahrens ist die Finanzierung des Betriebs der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in der Gemeinde Bergen. Die Behörde prüft, ob die Gemeinde einem überwiegend kommunal gehaltenen Unternehmen, das die Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in Bergen betreibt und wartet, unzulässige Beihilfen gewährt hat.
In Norwegen sind die Kommunen für die Finanzierung und den Betrieb der öffentlichen Straßenbeleuchtung zuständig. Die Gemeinde Bergen hat ohne Ausschreibung das Unternehmen BKK mit dem Betrieb und der Wartung der öffentlichen Straßenbeleuchtung in Bergen beauftragt. BKK ist ein überwiegend kommunal gehaltenes Unternehmen, an dem auch die Gemeinde Bergen beteiligt ist. Die BBK ist Eigentümerin von einem Großteil der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in Bergen.
Auf die Beschwerde eines Wettbewerbers hin untersucht die EFTA verschiedene Maßnahmen der Gemeinde Bergen: Erstens die Angemessenheit der Vergütung für Betrieb und Wartung. Zweitens prüft die EFTA, warum die Gemeinde auf eigene Kosten 12.000 LED-Lampenfassungen beschafft und der BBK als Ersatz für alte Fassungen zur Verfügung gestellt hat. Drittens prüft die Aufsichtsbehörde, ob die Gemeinde Investitionskosten der BKK für die öffentliche Straßenbeleuchtung übernommen hat.
Eine staatliche Maßnahme ist lediglich dann eine Beihilfe, wenn sie einem Unternehmen gewährt wird. Ein Unternehmen ist jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Bestimmte hoheitliche Tätigkeiten, wie Polizei oder Feuerwehr, sind keine wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Finanzierung dieser Tätigkeiten unterliegt nicht dem Beihilfenrecht.
Definition wirtschaftlicher Tätigkeit
Norwegen argumentiert, die BKK übe keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Es gebe keine privaten Abnehmer von Serviceleistungen für die Straßenbeleuchtungsinfrastruktur. Die EFTA widerspricht dieser Argumentation. Auch auf Märkten, bei denen es nur öffentliche Abnehmer gebe, könne Wettbewerb zwischen den Unternehmen bestehen. Eine Tätigkeit bleibe zudem auch dann wirtschaftlich, wenn sie aus Gemeinwohlinteresse beschafft werde.
Des Weiteren prüft die EFTA, ob die Gemeinde die BKK durch die drei genannten Maßnahmen begünstigt hat. Ein Unternehmen wird begünstigt, wenn es einen Vorteil erhält, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Ob eine Maßnahme ein Unternehmen bevorteilt, wird in einem Market Economy Operator Test (MEOT) festgestellt. Dabei wird geprüft, ob sich die öffentliche Hand wie ein marktwirtschaftlich handelndes Unternehmen verhält. Der Test ist an die Spezifika der Transaktion anzupassen. Zum Beispiel gilt bei der Prüfung von Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand der Private Purchaser Test.
Die EFTA bezweifelt, dass der Servicevertrag von BKK mit der Gemeinde Bergen einem Private Purchaser Test standhält. Die Vergütung für Betrieb und Wartung sei im Vergleich zu anderen der EFTA bekannten Vergütungen ungleich höher. Die Gemeinde Bergen macht geltend, dass die BKK auf der Grundlage ihrer Eigentümerstellung anderen Unternehmen den Zugang zu der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur verweigert habe. Sie habe deshalb kein anderes Unternehmen beauftragen können und ihre Monopolstellung zur Durchsetzung hoher Preise genutzt. Der vergleichsweise hohe Preis sei damit marktüblich. Die EFTA hat diese Begründung bisher nicht akzeptiert, sondern verlangt weitere Nachweise.
Die EFTA bezweifelt auch, dass ein privater Einkäufer die 12.000 LED-Fassungen für die Infrastruktur der BKK finanziert hätte. Die Gemeinde Bergen macht geltend, dass sie durch die neuen Fassungen ihre Stromkosten senken könne. Die EFTA ist zwar bereit, dieses Ziel anzuerkennen. Allerdings habe Norwegen auch bei diesem Punkt bisher versäumt, aussagekräftige Unterlagen zur Marktüblichkeit vorzulegen.
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesem Fall für kommunale Energieversorger und Stadtwerke in Deutschland? Der Erfolg der Argumentation Norwegens, der Betrieb der öffentlichen Straßenbeleuchtung sei keine wirtschaftliche Tätigkeit, erscheint äußerst fraglich. Auch anderen Tätigkeiten, die überwiegend oder ausschließlich von öffentlichen Auftraggebern in Anspruch genommen werden (z. B. Entwicklung von Wehrmaterial), hat die EU-Kommission bisher nicht ihre Wirtschaftlichkeit abgesprochen. Die EFTA wird deshalb voraussichtlich vor allem die Begründung der Marktüblichkeit überprüfen.
Kommt sie am Ende zu dem Ergebnis, dass BKK rechtswidrige Beihilfen erhalten hat, kann sie Norwegen aufgeben, diese samt einer Verzinsung für den Zeitraum ihrer Gewährung zurückzufordern. Das kann erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Insbesondere wird das Unternehmen jetzt schon zu prüfen haben, ob es Rückstellungen für die Rückforderung zu bilden hat.
Signalwirkung für deutsche Kommunen
Damit ist das Prüfverfahren in Norwegen auch ein wichtiges Signal an Kommunen in Deutschland. Ähnlich wie in Norwegen sind in Deutschland die Kommunen für die öffentliche Straßenbeleuchtung zuständig. Auch in Deutschland beauftragen Kommunen häufig (kommunale) Unternehmen ohne Ausschreibung. Sieht die Kommune von der Durchführung eines Vergabeverfahrens ab (das sich in der Regel bestens für den Nachweis der Marktüblichkeit einer Vergütung eignet), muss sie die Marktüblichkeit durch andere Methoden nachweisen. Geeignet ist hier insbesondere ein Benchmarking oder eine andere Standardbewertungsmethode (z. B. Kapitalrendite einer Investition).
Kommunen sollten genau darauf achten, dass sie die Marktüblichkeit ihrer Vergütung jederzeit nachweisen können. Auch in Deutschland ist keine Gemeinde davor gefeit, dass sich ein Wettbewerber bei der EU-Kommission über die Bedingungen beschwert, zu denen staatliche Stellen Direktaufträge vergeben.
Georg Queisner / Eric Holger Glattfeld
Die Autoren
Dr. Georg Queisner, Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht, ist Local Partner bei PwC Legal im Bereich Vergabe- und Beihilfenrecht, Eric Holger Glattfeld, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator, ist Senior Manager bei PwC Legal im Bereich Energiewirtschaftsrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht
Info: Staatliche Beihilfen
Ebenso wie in den EU-Mitgliedsstaaten sind in den EFTA-Mitgliedstaaten Norwegen, Island und Liechtenstein Beihilfen im Grundsatz verboten. Vereinfacht gesagt, ist eine Beihilfe jede staatliche Maßnahme, die ein Unternehmen wirtschaftlich begünstigt und dadurch den Wettbewerb zwischen Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsgebiet verzerren kann. Darunter können nicht nur öffentliche Zuschüsse fallen, sondern auch Kapitaleinlagen in die Stadtwerkegesellschaft, zinsvergünstigte Darlehen, Bürgschaften oder eine zu hohe Vergütung bei öffentlichen Aufträgen. Die EFTA prüft die Einhaltung der beihilfenrechtlichen Regelungen und übt entsprechende Aufgaben wie die EU-Kommission aus. Dabei orientiert sich die EFTA an der Spruchpraxis der europäischen Gerichte und der EU-Kommission.