Stadtentwicklung durch die Bundesgartenschau

Die „Wupperpforte“: Über diesem Tal könnte die spektakulärste Idee für die BUGA-Bewerbung realisiert werden – eine 700 Meter lange Hängebrücke. Sie wäre eine der längsten Hängebrücken der Welt und mit geschätzten Kosten von 15 Millionen Euro das teuerste Element der Bundesgartenschau. Foto: Stadt Wuppertal

2031 will Oberbürgermeister Uwe Schneidewind die Bundesgartenschau nach Wuppertal holen. Ein Bürgerentscheid gibt dem „grünen Professor“ jetzt Rückenwind.

Sie haben eine Universität und ein Forschungsinstitut geleitet, jetzt sind Sie Oberbürgermeister von Wuppertal. Wie haben Sie den Wechsel in die Kommunalpolitik erlebt?

Uwe Schneidewind: Ganz einfach war es nicht – die Stadtverwaltung ist eine andere Welt, sehr viel hierarchischer organisiert als eine Universität oder ein Forschungsinstitut. Zum einen ist jede Stadtverwaltung darauf ausgerichtet, auch bei einem Oberbürgermeisterwechsel reibungslos weiter zu funktionieren. Zum anderen sieht mancher im Amtsträger geradezu eine Lichtgestalt. Mit diesen unterschiedlichen Rollenerwartungen gilt es umzugehen.

Ihre Amtszeit begann im November 2020, fiel also ziemlich genau in die Corona-Zeit. Konnten Sie sich während der Lockdowns erst mal in Ruhe einarbeiten?

Schneidewind: Entspannte Einarbeitung war es definitiv nicht. Neu in eine solche Großorganisation hineinzukommen, ist schon für sich eine Herausforderung. Unter Corona-Bedingungen war es noch herausfordernder, Anlässe zu schaffen und viele Gespräche zu führen, damit Mitarbeiter einschätzen konnten, wer der „Neue“ ist, wie er denkt und handelt. Und sicherlich hätte ich manches anders entschieden, wenn abzusehen gewesen wäre, wie lange die Krisensituation andauern würde.

Zum Beispiel?

Schneidewind: Ich bin mit einer Reformagenda angetreten, dafür wurde ich gewählt. Corona hieß dann aber: Lockdown und Stillstand. Die Idee war, den Umgang mit dem Virus beim Stadtdirektor zu konzentrieren, einem sehr erfahrenen Krisenmanager, und ich wollte den Schwung der Wahl nutzen, um meine Transformationsideen voranzubringen. Weil Corona uns aber so lange beschäftigt hat, wäre es vermutlich sinnvoll gewesen, sehr viel stärker das Krisenmanagement an mich zu ziehen, um für Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung sichtbar zu werden.

Abgesehen von der Pandemie: Haben sich Ihre Hoffnungen erfüllt, als Oberbürgermeister Wuppertal verändern zu können?

Schneidewind: Durch die Corona-Krise sind gerade die Veränderungsprojekte sehr viel langsamer angelaufen, als ich das vor der Wahl gehofft hatte. Das ist verständlich und hat natürlich auch Enttäuschungen bei allen erzeugt, die mich mit vielen Reformerwartungen ins Amt gewählt haben. Ich bin aber guter Dinge, dass jetzt vieles in Bewegung kommt.

Wie gehen Sie vor?

Schneidewind: Ich versuche es mit konstruktivem Pragmatismus. Wenn ich als grüner Oberbürgermeister neue Mobilitätsprojekte anstoße, muss ich oft gegen sehr viel mehr Stereotypen ankämpfen, als wenn die Impulse von unten und außen kommen. Wenn aus den Stadtvierteln der Wunsch nach Veränderung geäußert wird, wenn Bürger eine Tempobeschränkung wollen, mehr Platz für Radwege, andere Parkkonzepte: Dann ist viel mehr Offenheit da, und man kann gemeinsam mit der Bezirksbürgermeisterin und Bezirksvertretungen vor Ort etwas auf den Weg bringen.

Das klingt nach mühsamer Kleinarbeit.

Schneidewind: Einsichten und gute Ideen allein sind aber nun mal leider nicht genug. Die Menschen vor Ort müssen mitziehen, und das funktioniert am besten, wenn sie die Notwendigkeit für Veränderung selbst verspüren. Es gibt allerdings noch einen weiteren Ansatz: Über verbindende Schlüsselthemen – über so genannte „Umbrella“-Projekte – an der Stadttransformation zu arbeiten. Unsere Idee ist es hier, die Bundesgartenschau 2031 nach Wuppertal zu holen.

Was meinen Sie mit „Umbrella“?

Schneidewind: Die Idee ist wie ein Schirm gespannt, unter dem man konkrete Veränderungsprojekte zusammenführen kann. Eine moderne Buga ist keine „Blümchen-Schau“, sondern echte Stadtentwicklung. Wir wollen zum Beispiel ein Naherholungsgebiet erschließen, Fuß- und Radwegeverbindungen sollen gestärkt werden. Eine Seilbahn ist geplant und als touristische Attraktion eine 700 Meter lange Hängebrücke.

Es gab starken Gegenwind für diese Idee und am 29. Mai 2022 einen Bürgerentscheid: Ihre Pläne seien zu teuer und nicht nachhaltig, die Hängebrücke sei zu hochgegriffen. Was antworten Sie?

Schneidewind: Wir können das finanzieren, zumal es Fördermittel vom Land und vom Bund gibt. Es ist richtig: Für eine Hängebrücke sind kleinere ökologische Eingriffe nötig – die werden aber durch ökologische Effekte der Buga weit überkompensiert. Neue Parkplätze werden in diesem Kontext kein Thema sein. Wir planen eine Buga 2031, mit der die Mobilität des Jahres 2031 schon in den 20er-Jahren in Wuppertal abgebildet wird, mit der Anbindung über umfassende (Fern-) Radwegnetze, Bahnanbindungen sowie moderne Verkehrs- und Parksuchsteuerung.

Der Bürgerentscheid war kein Selbstläufer, gibt Ihnen jetzt aber grünes Licht.

Schneidewind: Es ist mehr: Nach über 80 Prozent Zustimmung im Rat haben wir am 29. Mai nach vielen Jahren erstmalig wieder einen Bürgerentscheid in Nordrhein-Westfalen für ein Großprojekt entscheiden können. Das sind sehr gute Voraussetzungen, um jetzt loszulegen.

Interview: Sabine Schmidt

Zur Person: Prof. Dr. Uwe Schneidewind war Präsident der Universität Oldenburg und von 2010 bis 2020 Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Er ist Mitglied der Grünen und seit November 2020 Oberbürgermeister von Wuppertal.

Foto: Stadt Wuppertal, Stefanie vom Stein