Stadtentwicklung: Auf einem guten Weg?

Viele Kommunen mit wenig finanziellen oder personellen Ressourcen sind trotz dieser Umstände Vorreiter beim Thema Umweltschutz. Foto: Adobe Stock/allessuper_1979

Im Mai ist der aktuelle Nationale Fortschrittsbericht zur Umsetzung der „New Urban Agenda“ erschienen. Er zeigt: Die Aktivitäten und Förderangebote für mehr Nachhaltigkeit in den Kommunen nehmen zu. Trotzdem ist noch viel zu tun.

Bis zum Jahr 2030 sollen die von den Vereinten Nationen vereinbarten globalen Ziele – die 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) – erreicht sein. Dabei kommt den Kommunen eine wichtige Rolle zu. Konkrete Handlungsziele für die lokale Ebene hatten die Vereinten Nationen mit der sogenannten „New Urban Agenda“ erarbeitet. Welche Fortschritte haben die deutschen Städte und Gemeinden bisher bei der Umsetzung dieser Zielvereinbarungen gemacht?
Diese Frage lässt sich eher exemplarisch als umfassend beantworten. Im Nationalen Fortschrittsbericht zur „New Urban Agenda“ ist das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) der Frage nachgegangen. Die Experten haben sich anhand von neun Partnerkommunen auf Klimaanpassung und Mobilität konzentriert. Dabei haben sie sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen und Umsetzungsgrade vorgefunden.

Wo stehen die Kommunen?

Repräsentative und umfassendere Daten zur „New Urban Agenda“ existieren nicht. Dies gilt weitgehend auch für die Agenda 2030, wenngleich die Datenlage hier etwas besser ist: Im deutschen „Voluntary National Review“, der im Juli 2021 erscheinen wird, ist eine Zusammenfassung zum kommunalen Beitrag enthalten. Diese gibt anhand ausgewählter Analysen Aufschluss darüber, wo die deutschen Kommunen bei der Umsetzung der SDGs stehen.
Häufig wird vermutet, dass Kommunen mit ungünstigen topografischen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen geringere Chancen haben, eine nachhaltige Entwicklung vorabzutreiben. Einige Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland, die als Vorreiter für nachhaltige Entwicklung bekannt sind, haben tatsächlich eine relativ positive Haushaltslage. Nachhaltigkeit gilt als freiwillige Aufgabe, die von personellen und finanziellen Kapazitäten beeinflusst ist. Dies wird nach einer Difu-Studie insbesondere mit Blick auf die Bereiche Lebensqualität, Klima- und Ressourcenschutz sowie Arbeit und Wirtschaft deutlich. Allerdings ist eine beachtliche Anzahl an Kommunen trotz einer fiskalisch angespannten Situation vorbildhaft.

Im kommunalen Leitbild verankert

Das Difu untersucht seit längerem Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Neben finanziellen und personellen Ressourcen spielen unter anderem die „Kultur“ einer Kommune, die Einbeziehung der Kompetenzen der Gesellschaft, Ideenreichtum, ein wirkungsorientiertes Nachhaltigkeitsmanagement sowie Willen und Rückhalt von Entscheidungsträgern eine entscheidende Rolle. Einigen finanzschwachen Kommunen gelingt es sogar, mit solchen Erfolgsfaktoren eine ungünstige wirtschaftliche oder topographische Ausgangslage auszugleichen.
Dreh- und Angelpunkt für eine Entwicklung hin zu nachhaltigerem Gemeinwesen ist ein wirkungsorientiertes Nachhaltigkeitsmanagement, das in einem Leitbild verankert ist. Dieses sollte auf eine integrierte, fachämterübergreifende und koproduktive Kommunalentwicklung abzielen und aus einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept abgeleitet sein. Hierfür sind die SDGs der praktikabelste Kompass.

Monitoring der Maßnahmen

Mit Blick auf die notwendige Ganzheitlichkeit nachhaltiger Entwicklung muss vermieden werden, dass Zielkonflikte unerkannt oder chancenreiche Gemeinsamkeiten zwischen Zielen ungenutzt bleiben. Dies spricht gegen „Cherry-Picking“, also die isolierte Bearbeitung einzelner SDGs oder Handlungsbereiche. Es ist unrealistisch, der Komplexität nachhaltiger Entwicklung vollständig gerecht werden zu wollen. Insbesondere Einsteiger müssen in einzelnen Schwerpunkten beginnen, Prioritäten festlegen, also „Stärken stärken und Schwächen schwächen“, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.
Aus dem Leitbild werden konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt. Über das „SDG-Portal für Kommunen“ können Kommunen zahlreiche gute Beispiele für deren Umsetzung finden, dazu gehören passende Handlungsempfehlungen und Beispiele guter Praxis aus Kommunen mit ähnlicher Größenklasse und Wachstumsdynamik. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagements sind das Monitoring und die Evaluation von Maßnahmen. Diese können beispielsweise anhand der „SDG-Indikatoren für Kommunen“ in diesem Portal erfolgen.

Pandemie als Chance und Risiko

Die Corona-Pandemie ist für Kommunen sowohl eine große Chance, die Weichen im Sinne eines „building back better“ neu zu stellen, als auch ein Risiko für die notwendige „große Transformation“ auf lokaler Ebene. So erwarten laut dem KfW-Kommunalpanel 2021 insbesondere finanzschwache Kommunen Einsparungen bei freiwilligen Aufgaben, etwa im Bereich Soziales. Das Vermögen, den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu begegnen, ist in unterschiedlichen Regionen sehr verschieden.
Mut macht das „OB-Barometer 2021“: Demnach wird die seit 2019 steigende Bedeutung des Klimaschutzes aus Sicht der Verwaltungsspitzen in der eigenen Kommune durch Corona nicht ausgebremst. Eher im Gegenteil: Der Klimawandel wird als ein wichtiges Problemfeld nachhaltiger Entwicklung auf kommunaler Ebene wahrgenommen. Es ist zu hoffen, dass ihm vor Ort mit einer ganzheitlichen Perspektive begegnet wird.

Die Autorin: Dr. Jasmin Jossin forscht im Bereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin.