Software für Schulen: Digital unabhängig

Des einen Leid ist des anderen Freud: Homeschooling und Homeoffice hat den Anbietern von Videosoftware viele neue Nutzer beschert. Foto: Adobe Stock/shangarey

In vielen Schulen kommen Dienste wie Zoom und Microsoft Teams zum Einsatz, obwohl diese datenschutzrechtlich bedenklich sein können. Auch deshalb setzen die ersten Bundesländer und Behörden auf europäische Open-Source-Lösungen. Damit alle Schulen und Ämter digital souverän arbeiten können, müssen die Verantwortlichen noch stärker zusammenarbeiten.

Die Corona-Krise hat zu vielen kurzfristigen Umstellungen geführt. Das gilt insbesondere für den digitalen Unterricht. Um den Schulbetrieb aufrecht erhalten zu können, mussten viele Schulen in Deutschland gewissermaßen über Nacht eine Digitalisierung des Unterrichts gewährleisten. Dienste wie Zoom oder Teams von Microsoft kamen dabei zunächst sehr gelegen. Denn die Namen sind bekannt, das Design vertraut und die Nutzung häufig kostenlos. Mittlerweile stehen Schulen, die diese Dienste nutzen, allerdings erneut vor einem großen Problem. Denn Cloud- und andere Lösungen von Anbietern, die in den USA sitzen, dürfen an Schulen teilweise nicht mehr eingesetzt werden.
Generell gilt, dass die Dienste, die in deutschen Schulen oder auch Behörden genutzt werden, der hiesigen Datenschutzgrundverordnung entsprechen müssen. In den USA sind die Anforderungen an den Datenschutz allerdings deutlich geringer als in Deutschland. Beispielsweise können amerikanische Dienste-Anbieter von US-Behörden gezwungen werden, Daten von Nutzern preiszugeben, selbst wenn diese in Deutschland leben und arbeiten.
Zu Beginn der Corona-Pandemie galt zunächst noch eine Ausnahmeregelung für die Nutzung entsprechender Dienste, damit Schulen nicht plötzlich den gerade erst eingeführten Digitalunterricht wieder einstellen mussten. Das sogenannte EU-U.S. Privacy Shield wurde allerdings bereits im Juli letzten Jahres vom Europäischen Gerichtshof für unwirksam erklärt. Eine Zwischenlösung, die EU-Standardvertragsklausel, ist mittlerweile ebenfalls gekippt worden.
In einigen Bundesländern und Kommunen wird deshalb daran gearbeitet, eine digitale Souveränität zu erlangen. Eine Vorreiterrolle nimmt Schleswig-Holstein ein. Anstatt sich von Diensteanbietern abhängig zu machen, sollen Schulen wie auch Behörden von Open-Source-Lösungen profitieren. So wurde etwa im Projekt „Phoenix“ gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen Dataport ein cloudbasierter Web-Arbeitsplatz für den öffentlichen Sektor entwickelt, der auch von Schulen genutzt werden kann. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei eine Open-Source-Software, die Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern garantiert. Anders als bei Microsoft & Co. kann so gezielt gesteuert werden, was mit den teils äußerst sensiblen Daten geschieht.
In den meisten Bundesländern ist man allerdings noch nicht soweit. Letztlich erinnert die Situation ein wenig an die Corona-Maßnahmen. Auch hier wurde die dritte Welle erst gebrochen, als die Entscheidungen auf Bundesebene gefällt wurden. „Für die Digitalisierung von Schulen und Behören ist es wichtig, Kräfte zu bündeln“, sagt Frank Hoberg, Mitgründer von Open-Xchange. Das gilt für die einzelnen Behörden, Gemeinden und Bundesländer ebenso wie für die Open-Source-Projekte selbst. Am Projekt „Phoenix“ haben neben Open-Xchange gleich eine Reihe namhafter europäischer Anbieter mitgewirkt, um eine ebenso effektive wie souveräne Lösung zu kreieren.

Es fehlt an Koordination

Zwar sind einige Kommunen wie die Stadt Lübeck bereits auf einem guten Weg, sich mit Hilfe von Open Source unabhängiger von den großen Konzernen zu machen, generell ist es jedoch schwierig für die lokal verantwortlichen Behörden und Personen, etwas im Alleingang zu ändern. Deshalb wäre es wichtig, dass wichtige Weichenstellungen auf Bundes- und Länderebene passieren. „Hunderte von Kommunen und Tausende von Schulen haben dasselbe Problem“, sagt Frank Hoberg. „Wie sich in Schleswig-Holstein zeigt, ist es durchaus möglich, bereits heute auf etablierte Open-Source-Lösungen umzustellen und damit erfolgreich zu arbeiten.“ Die Migration von Daten und Informationen von bestehenden Systemen und Diensten auf Open-Source-Lösungen sei ebenfalls bereits heute machbar.
Vor allem auf Bundesebene sind fehlende Gelder generell nicht das Problem, wieso nicht mehr für Open Source und gesetzeskonformen Datenschutz getan wird. Das hat sich nicht zuletzt beim Digitalpakt gezeigt. Eher fehlt es an einer einheitlichen Strategie und koordinierten Aktionen. Wieso weder auf Bundesebene noch in den meisten Bundesländern nicht mehr getan wird, um nicht zuletzt auch mit den eigenen Datenschutzgesetzen konform zu sein, liegt zum Teil auch an der Macht der Gewohnheit.
Die Benutzeroberflächen von Microsoft und Google sind den meisten vertraut. Doch selbst Lehrer und andere Beamte, die nicht in der IT zu Hause sind, können sich schnell in Lösungen wie die Sovereign Productivity Suite für den öffentlichen Sektor einarbeiten. Der Open-Source-Lösungsstack kombiniert Produkte, die sich auf dem Markt bereits bei mehr als 100 Millionen Anwendern bewährt haben.
Von Open-Xchange sind die erfolgreich am Markt etablierten Komponenten E-Mail, Kalender, Kontakte und Aufgabenverwaltung integriert. Die Funktionen für die Online-Dateisynchronisation bzw. -freigabe sowie für Videokonferenzen und Chat werden von Nextcloud beigesteuert. Für die zentrale Benutzerverwaltung fungiert das Identitätsmanagement von Univention – der Univention Corporate Server. Alles ist aufeinander abgestimmt und miteinander integriert. Dort, wo bereits entsprechend gearbeitet wird, ist die Nutzerzufriedenheit hoch und es gibt keine nennenswerten Probleme. Die gibt es vielmehr dort, wo weiterhin ein Flickenteppich an Lösungen sowie datenschutzrechtlich verbotene Dienste eingesetzt werden.

Der Autor:

Tillmann Braun ist Fachjournalist mit Schwerpunkt IT und Digitalisierung aus Haiterbach.