So gelingt digitaler Unterricht

Schülerinnen und Schüler im digitalen Unterricht: Damit das gelingen kann, will das Forum Bildung Digitalisierung Dialogräume öffnen. Foto: Adobe Stock/gorynvd

Elektronische Geräte für den Unterricht sind wichtig, aber nur die Basis, betont Jacob Chammon. Der Bildungs- und Digitalisierungsexperte plädiert für die Entwicklung einer digitalen Kultur – und dafür, dass Akteure aus Schulen und Schulverwaltungen eng zusammenarbeiten.

Nach zweieinhalb Jahren Schule in Zeiten der Coronapandemie steht das deutsche Bildungssystem vor großen Herausforderungen: Bekannte Problemlagen drängen zurück auf die bildungspolitische Tagesordnung – dazu gehören Lehrkräftemangel, nicht erreichte Mindeststandards bei den Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern, wie es zuletzt der IQB-Bildungstrend dramatisch bescheinigte, und eine wachsende Schere bei den Bildungschancen zwischen Kindern aus privilegierten und sozial benachteiligten Familien.

Die Gestaltung der digitalen Transformation und das Zielbild eines an der Kultur der Digitalität ausgerichteten, inklusiven und chancengerechten Bildungssystems bleibt eine übergeordnete Aufgabe aller Akteure im Bildungsbereich. Die Digitalisierung ist dabei zwar kein Allheilmittel für die multiplen Herausforderungen im Bildungsbereich, aber ein wirksamer Verstärker.

Deren Potenziale können genutzt werden, um das System Schule auf eine digital und von zunehmenden Unsicherheiten und Krisen geprägte Welt auszurichten. Dafür braucht es an die Bedarfe der Schulen gut abgestimmte Strategien und Lösungen, die gemeinsam mit den verantwortlichen Beteiligten in den Kommunen und Bildungsregionen vor Ort gestaltet werden.

Vergleichbare Voraussetzungen für das veränderte Lehren und Lernen schaffen

Schulentwicklung in der digitalen Transformation muss ganzheitlich, agil und regional gedacht werden. Aufgrund der zum Teil sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Einzelschulen vor Ort sind pädagogische Leitbilder besonders zielführend, die entsprechend den regionalen Bedingungen und Herausforderungen entwickelt werden.

Zentrale Aufgabe von Kommunen und Ländern ist es, sicherzustellen, dass sich alle Schulen in einem ähnlichen Rahmen und entlang von festgelegten Standards entwickeln können und regionale Unterstützungssysteme bereitzustellen. Es gilt, im Sinne der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit flächendeckend vergleichbare Voraussetzungen für das veränderte Lehren und Lernen in der Kultur der Digitalität an allen Schulen zu schaffen.

Die Rahmenbedingungen seitens der Schulverwaltungen in Kommunen und Ländern und auf Ebene des Bundes sind unter technischen, rechtlichen, finanziellen und adminis-trativen Aspekten verlässlich zu gestalten, so dass sie es den Schulen unabhängig von ihrem digitalen Entwicklungsstand ermöglichen, sich zukunftsorientiert zu entwickeln.

So viel Autonomie wie möglich

Komplexe Governance und unklare Verantwortlichkeiten zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten dürfen nicht als Bremsen und Widerstand von Transformations-prozessen wirken. Dafür notwendig erscheint so viel Autonomie auf Ebene der Einzel-schulen wie möglich, so viel unterstützende Strukturen auf Ebene der Rahmen-bedingungen wie erforderlich.

Alle Entscheidungen, die Unterrichtsqualität sowie das veränderte Lehren und Lernen in der Kultur der Digitalität unterstützen, sollten anhand des jeweiligen Leitbildes der Einzelschule getroffen werden – im ko-konstruktiven Dialog von Schulleitung mit dem jeweiligen Schulträger und der zuständigen Schulaufsicht. Dabei werden die unter-schiedlichen Ebenen der Schulentwicklung zusammengeführt. Es gilt, den jeweiligen Anforderungen in der Einzelschule vor Ort gerecht zu werden.

Insbesondere vor dem Hintergrund von mehr Autonomie in den Einzelschulen vor Ort braucht es bildungspolitisch und rechtlich legitimierte Experimentierräume für Schulen, in denen neue Ansätze für das Lehren und Lernen in der Kultur der Digitalität rechtssicher erprobt werden können.

Konkret umsetzen lässt sich das etwa über Experimentierklauseln und Modellprojekte, für die auf regionaler oder kommunaler Ebene für einen gesetzten Zeitraum kommunale und staatliche Rahmen so erweitert werden, dass Regionen, Kommunen und vor allem den Schulleitungen an den Einzelschulen ein größtmöglicher Handlungsspielraum ermöglicht wird. Entsprechende Möglichkeiten sind auf Länderebene im Dialog mit den beteiligten Akteuren auszuhandeln und rechtlich zu prüfen.

Gemeinsam am Digitalisierungsstrang ziehen

Mit dem LabBD bietet das Forum Bildung Digitalisierung einen Dialog- und Experimentier-raum an, um den Austausch und die Zusammenarbeit der Akteure zu fördern und auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. 2020 gestartet als Vernetzungsplattform für Schul-träger, wurde das Format über einen Zeitraum von zwei Jahren weiterentwickelt und um weitere Akteure ergänzt. Nachdem 2021 Schulleitungen und Vertreter aus Steuerungs-gruppen eingebunden wurden, sind seit 2022 auch die Schulaufsichten Teil des Prozesses.

Im ko-konstruktiven Austausch werden im Rahmen des LabBD verschiedene Wege der Prozessgestaltung im Zusammenspiel unterschiedlicher Handlungsfelder diskutiert. Es geht darum, gemeinsame Schnittmengen zu identifizieren und auszugestalten. Leitend sind dabei die Fragen: Wie gestaltet sich der Austausch zwischen Schule, Schulträger und Schulaufsicht vor Ort? Sind die Abstimmungen gut, vertrauensvoll und regelmäßig?

Ziel ist es, unterschiedliche Wege der Prozessgestaltung darzustellen, Impulse für den Dialog vor Ort zu geben und einen inspirierenden bundesweiten Austausch zu ermög-lichen. Die Akteure bringen ihre Sichtweise auf Bedarfe, Chancen und Herausforderungen ein und diskutieren gemeinsam die Gestaltung von digitaler Schulentwicklung vor Ort. Im LabBD haben sie die Möglichkeit, gezielt ihre Bedarfe und Herausforderungen zu diskutieren, Beispiele sichtbar zu machen und Gelingensbedingungen zu systematisieren – denn gemeinsam gelingt die Gestaltung der digitalen Transformation besser! Jacob Chammon

Der Autor: Jacob Chammon ist geschäftsführender Vorstand des Forum Bildung Digitalisierung.

 

Digitale Entwicklungsprozesse

Das Forum Bildung Digitalisierung setzt sich für systemische Veränderungen und eine nachhaltige digitale Transformation im Bildungsbereich ein. Im Zentrum der Arbeit stehen die Potenziale digitaler Medien für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. In den Projekten, Publikationen und Veranstaltungen sowie im Dialog mit Bildungspraxis, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft werden Gelingensbedingungen für den digitalen Wandel an Schulen identifiziert. Zudem wird die Expertise gebündelt, und die entscheidenden Akteure werden durch die notwendigen Veränderungsprozesse navigiert.