Smart City: Jena for future

Neben dem 5G-Ausbau sollen in den kommenden Jahren etliche Projekte Jena zur digitalen Vorzeigestadt transformieren. Foto: Adobe Stock/kvitkanastroyu

Unter dem Motto „Gemeinwohl und Netzwerkstadt – Stadtnetzwerk“ hat das Bundesinnenministerium in der zweiten Förderstaffel 32 Kommunen als Smart-City-Modellstädte ausgewählt. Eine davon ist Jena. Chief Digital Officer Manuela Meyer berichtet im Interview, welche Ziele sich Jena gesteckt hat und wie die Umsetzung aussehen soll.

Wie weit ist Jena auf dem Weg zur Smart City?

Manuela Meyer: Wir stehen noch am Anfang. Im September 2020 haben wir den Förderungszuschlag für unseren Antrag „Jena digitalisiert, lernt und teilt. Unsere Stadt schafft und nutzt WISSEN.“ bekommen. Wir erhalten dafür insgesamt 17,5 Millionen Euro über sieben Jahre.

Wie sehen das konkrete Ziel und der Weg dorthin aus?

Meyer: Die vielen verschiedenen Maßnahmen, die wir umsetzen wollen, haben wir schon bei der Bewerbung angegeben. Sie erfolgen in fünf Handlungsfeldern [siehe Infokasten rechts, Anm. d. Red.]. Jedes ist mit einer Arbeitsgemeinschaft aus Experten verschiedener Disziplinen besetzt, zum Beispiel aus der Wissenschaft, der Wirtschaft oder der Schule. Wir wollen so die Breite der Stadtgesellschaft ins Boot holen. In den Projektteams sitzen dann jeweils drei Personen, die die Umsetzung betreuen, darunter natürlich auch Informatiker.

Wie laufen die Planungen in den einzelnen Handlungsfeldern?

Meyer: In Handlungsfeld eins sind wir schon gut im Rennen. Das Projektteam und die AG sind engagiert und schnell. Es gab bereits eine erste Investition in den LoRaWAN-Ausbau. Übergeordnetes Ziel in diesem Handlungsfeld ist es, die Daten, die es vielfältig gibt, für alle nutzbar zu machen, Bürger, Unternehmen, Wissenschaft – unter Einhaltung des Datenschutzes natürlich. Das Teilprojekt im Handlungsfeld zwei ist ebenfalls schon im Werden. „Jenawohnen“ baut einen Plattenbau mit insgesamt 270 Wohnungen zu einem „Smart Building“ um. In einem der drei Wohnkomplexe hat der Bezug bereits begonnen. Mithilfe einer Community Managerin wollen wir Wissen erlangen, welche Smart-Home-Anwendungen gut ankommen und sinnvoll sind. Das Besondere ist, dass es sich um staatlich geförderten Sozialwohnungsbau handelt. Ein weiteres Handlungsfeld erstreckt sich über die Themen „Bildung, Kultur und Soziales“. Wissen muss barrierefrei und gleichberechtigt zugänglich sein – ein Leben lang. Hier wollen wir die digitale Spaltung überwinden. Im Handlungsfeld „Wirtschaft“ hat uns Corona vor eine besondere Herausforderung gestellt. Mit dem Teilprojekt Smart City Logistik wollen wir die Auslieferung von Waren im Stadtgebiet smart gestalten. Hier hat uns die Zeit überholt. Das Thema hat eine ganz neue Brisanz bekommen und es wurden im Laufe des letzten Jahres bereits Anwendungen und Plattformen entwickelt. Wir werden nochmal den Bedarf erfassen, schließlich wollen wir kein Geld verschwenden. Im Handlungsfeld fünf planen wir eine App mit der man Verwaltungsleistungen auf mobilen Endgeräten beantragen kann. Die AG muss überlegen, ob wir die „Mein Jena“-App erweitern oder etwas Neues gestalten. Wir müssen uns deutlich vom Onlinezugangsgesetz abgrenzen. Wir können keine Maßnahmen fördern, die das OZG ohnehin fordert, wir können sie nur „vergolden“.

Was muss von technischer Seite noch umgesetzt werden?

Meyer: Technisch ändert sich im Frontend, also für den Verwaltungsmitarbeitenden gar nicht so viel. Das meiste passiert ja im Backend. Es müssen Schnittstellen programmiert und Prozesse digital abgebildet werden. Anträge landen im Fachverfahren, egal ob sie per App oder auf der Homepage oder auch persönlich im Bürgerservice gestellt wurden. Neben dem Smart City Projekt ist Jena auch 5G-Modellstadt. 5G schafft die Grundlagen für die Digitalisierungsprojekte im Rahmen des Smart City Projekts. Hier sind wir schon in der Umsetzung. Es gab bereits Projekte in den Bereichen Verkehr und Mobilität.

Hier spüren die Bürger sicherlich schon eine Veränderung.

Meyer: Ja. Wir haben zum Beispiel ein Projekt zum Umweltsensitiven Verkehrsmanagemnt durchgeführt Verkehrsflussoptimierung und Schadstoffminderung waren hier die vorrangigen Ziele. Es wurden Umwelt-Messstellen installiert, der Verkehrsrechner aufgerüstet und Ampeln umgebaut. So können wir den Verkehr angenehmer gestalten und die Umweltbelastung reduzieren.

Wo sehen Sie Jena gut gerüstet, wo gibt es Nachholbedarf?

Meyer: Unser Vorteil ist eine über mehrere Jahrhunderte gewachsene Industrie und Wissenschaft, die wir hier vor Ort haben. Wir können in allen Handlungsfeldern von dieser Expertise profitieren. Jena ist schon seit langem E-Commerce-Standort, dadurch ist Digitalisierung permanent ein Thema. Und wir sind mit ca. 110.000 Einwohnern eine relativ kleine Stadt. Jeder kennt jeden und alle haben etwas beizutragen. Wo wir hinterherhinken ist beim OZG. Hier liegt der Ball allerdings nicht nur bei uns. Viele Dinge müssen auf einer höheren Ebene entschieden werden, wie zum Beispiel das Schriftformerfordernis, das vielfach einer medienbruchfreien Verwaltungsdienstleistung im Wege steht.

Bei welchen Städten haben Sie sich etwas abgeschaut?

Meyer: Die interkommunale Kooperation Hamburg, Leipzig, München finde ich sehr interessant: Hier wurde auch eine urbane Datenplattform aufgebaut und die Städte planen, einen digitalen Zwilling zu erstellen. Rostock die „Smile City“ hat eine interessante und unkonventionelle Herangehensweise. Aber auch mit vielen Städten aus der ersten Förderstaffel sind wir in Kontakt, beispielsweise Bamberg. Hier können wir viel lernen, was die Bürgerbeteiligung angeht. Bamberg hat ein tolles Tool dafür, „Consul“, etwas Ähnliches wollen wir auch umsetzen. Und last but not least schauen wir auch auf unsere Nachbarstadt die Smart City Gera. Hier findet auch ein regelmäßiger Austausch statt.

Ist das ein Tipp, den Sie an andere Kommunen weitergeben können, sich mit anderen Städten zu vernetzen?

Meyer: Ja, unbedingt. Ich finde es sehr sinnvoll, sich mit anderen auszutauschen und Ideen mit nach Hause zu nehmen. Das ist auch unser Auftrag als Smart City Modellstadt, unser Wissen weiterzugeben. Ich selbst bin viel auf Online-Plattformen wie LinkedIn unterwegs und tausche mich dort sehr gut aus.

Was haben Sie noch für Vorschläge, wie sich vielleicht auch kleinere Kommunen, die keinen eigenen CDO haben, der Digitalisierung annehmen können?

Meyer: Viele sagen, dass die Digitalisierung mit dazu gehört, also neben dem Tagesgeschäft umgesetzt werden kann. Aber das ist falsch. Digitalisierung kommt on top. Deswegen würde ich empfehlen, Mitarbeitende vom Tagesgeschäft freizustellen und Projektteams zu bilden. Zuerst steht die Bestandsaufnahme an. Was haben wir vielleicht schon und wo können wir anknüpfen? Welche Expertise habe ich in meinem Mitarbeiterstab? Das müssen auch nicht immer Digital Natives oder IT-Cracks sein – gerade wenn es um den Austausch und die Fördermittelbeschaffung geht. Binden Sie unbedingt die älteren Mitarbeitenden ein. 30 oder gar 40 Jahre Verwaltungswissen ist wertvoll. Vielleicht lassen sich auch mit anderen Kommunen Synergien finden.
Interview von Denise Fiedler

Zur Person
Manuela Mayer ist Chief Digital Officer der Stadt Jena. Die studierte Medienwissenschaftlerin war zuletzt als Projektmanagerin mit der Einführung der E-Akte beschäftigt, bevor sie in der 110.000 Einwohner-Stadt in Thüringen ihren jetzigen Posten antrat.