Seilbahnen in Städten

Seilbahnen werden bereits im urbanen Bereich in deutschen Städten betrieben wie hier in Koblenz – noch ist aber keine in den ÖPNV integriert. Foto: Adobe Stock/Thomas Otto

In den Bergen sind sie längst erprobt, in urbanen Räumen sollten sie ebenfalls eingesetzt werden: Warum das Bundesverkehrsministerium Kommunen beim Betrieb von Seilbahnen unterstützen will, erklärt Johannes Wieczorek.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) führt seit 2019 einen intensiven Austausch mit interessierten Kommunen, Landesvertretern und der Wissenschaft zum Thema urbane Seilbahnen. Dabei haben wir das Thema grundsätzlich als innovative und nachhaltige Form der urbanen Mobilität identifiziert, auch unter der Beachtung von Fragen der Luftreinhaltung in den Städten:

  • Urbane Seilbahnen dienen vornehmlich dem Lückenschluss im ÖPNV-Netz, können topographische, bauliche und verkehrliche Hindernisse wie Flüsse und Berge überbrücken und entlasten den Straßenverkehr.
  • Durch das „Stetigförderer-Prinzip“ der Umlaufbahn ist praktisch immer eine Seilbahnkabine präsent, was einen festen Fahrplan obsolet macht. Daraus ergeben sich hohe Kapazitäten der Personenbeförderung und kurze Wartezeiten.
  • Seilbahnen sind durch die Erfahrungen im Winterbetrieb am Berg tausendfach erprobt, äußerst robust und weitgehend witterungsunabhängig.
  • Durch die Trennung des Antriebs vom eigentlichen Fahrzeug sind Seilbahnen lokal sehr emissionsarm.
  • Je nach Streckenlänge können Seilbahnen innerhalb von einigen Monaten schnell aufgebaut werden, sobald die Planungs- und Genehmigungsprozesse fertiggestellt sind.

Toulouse, London oder New York City sind Beispiele für Metropolen, die bereits erfolgreich urbane Seilbahnen im ÖPNV betreiben. Deutschlandweit werden im urbanen Bereich Seilbahnen in Koblenz, Berlin und Köln betrieben, von denen jedoch keine in den ÖPNV integriert ist.

Zahlreiche deutsche Städte planen derzeit den Bau von urbanen Seilbahnanlagen. Die Kommunen stehen dabei vor ähnlichen Problemstellungen – zum Beispiel bei Planung, Bau, Technik oder Betrieb – und haben bislang keine Referenzen, an denen sie sich orientieren könnten.

Über den Straßen und Staus

Das BMDV hat daher im Rahmen seines Forschungsprogramms Stadtverkehr im November einen Leitfaden veröffentlicht: „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr. Handlungsleitfaden für Kommunen, Verkehrsunternehmen und -verbünde − von der Projektidee über Planung und Bau bis zum Betrieb“. Mit dem Leitfaden soll ein nationaler Standard für urbane Seilbahnen in Deutschland geschaffen werden, an dem sich interessierte Städte und Kommunen orientieren können. Er ist auf der Internetseite des BMDV (www.bmdv.bund.de) abrufbar und liegt zusätzlich in englischer Sprache vor.

Der Leitfaden enthält neben allgemeinen Grundlagen die exemplarische Realisierung eines Seilbahnprojektes, fachliche Informationen zu den Bereichen Verkehr, Umwelt und städtebauliche Integration, Ausführungen zu technischer Infrastruktur und Betrieb sowie zu Bewertung, Investitionen und Förderung.

Die Kommunen werden auch auf Systemgrenzen und Herausforderungen hingewiesen. So müssen sie zum Beispiel beachten, dass im Vergleich zu anderen Mobilitätssystemen Seilbahnen mit geringerer Geschwindigkeit unterwegs sind und sich daher idealerweise für Strecken bis zu fünf Kilometern eignen.

Der Verkehrsweg Seil erlaubt außerdem keine Verzweigungen außerhalb von Stationen. Hier bieten sich Verknüpfungen mit anderen Verkehrssystemen an Seilbahnstationen für direkte Umsteigemöglichkeiten an, so wie es beispielsweise das internationale Praxisbeispiel der Linienführung „Rittner Seilbahn“ in Bozen (Italien) zeigt.

Mobilität mit Panoramablick: Was wie hier in Lissabon geht, soll auch in deutschen Städten Wirklichkeit werden. Foto: Adobe Stock/Mindaugas Dulinskas.

Der Bau und Ausbau von Seilbahnsystemen ist in § 2 Abs. 1 Nr. 1 c) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) als Fördertatbestand genannt und wird daher als schienengebundene ÖPNV-Infrastruktur im Sinne des Gesetzes angesehen. Seilbahnvorhaben sind also bei einer Mindestvorhabensgröße von 30 Millionen Euro mit bis zu 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten im Rahmen des GVFG-Bundesprogramms förderfähig. Die Förderung des Projektes muss im Einklang mit dem Beihilferecht der Europäischen Union stehen. Hierfür ist nach derzeitigem Stand eine Erörterung im Einzelfall erforderlich.

Der Investition in den Bau oder Ausbau eines Seilbahnsystems muss eine gesamtwirtschaftliche Bewertung vorangestellt werden, um durch Bundesfinanzhilfen unterstützt zu werden. Der entsprechende Wirtschaftlichkeitsnachweis ist nach dem bundesweit einheitlichen Berechnungsverfahren der Standardisierten Bewertung zu erbringen.

Mit der 2022 veröffentlichten neuen Version der Standardisierten Bewertung wird die umfassende Darstellung der gesellschaftlichen, verkehrlichen und gesamtwirtschaftlichen Vorteile von ÖPNV-Vorhaben auch für urbane Seilbahnen erheblich erleichtert. Sie ist die neue Grundlage für eine anteilige Bundesförderung als Nachweis der Wirtschaftlichkeit nach dem GVFG.

Das BMDV wird weiterhin intensiv im Rahmen des Arbeitskreises Urbane Seilbahnen mit wichtigen Akteuren im Austausch bleiben, um das Thema voranzutreiben und weitere Entwicklungsmöglichkeiten aufzudecken. Wir wollen die Kommunen unterstützen und im Bereich der urbanen Mobilität etwas bewegen. Seilbahnen sollen als Möglichkeit der Bewegung in Städten bereits bei der Verkehrsplanung in Betracht gezogen werden, um nachhaltige urbane Mobilität zu fördern.


Ab in die Luft

Mit seinem Leitfaden will das Bundesverkehrsministerium einen nationalen Standard für urbane Seilbahnen in Deutschland schaffen: „Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr. Handlungsleitfaden für Kommunen, Verkehrsunternehmen und -verbünde − von der Projektidee über Planung und Bau bis zum Betrieb“.


Johannes Wieczorek


Der Autor

Johannes Wieczorek leitet die Unter­abteilung Klimaschutz in der Mobilität, Umweltschutz im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).