Die neue Luftreinhaltestrategie 2030 der Stadt Berlin soll Gesundheitsprävention, Klimaschutz und Mobilitätswende miteinander verbinden. Das Ziel: die Belastung durch Feinstaub und Stickoxide zu minimieren.
Als bisher einzige deutsche Kommune hat Berlin (rund 3,6 Millionen Einwohner) angekündigt, eine Luftreinhaltestrategie zu entwickeln, um die Luftqualität im Stadtgebiet weiter zu verbessern. Dies war bereits 2019 Bestandteil des Luftreinhalteplans und ist nun auch im neuen Regierungsprogramm festgehalten.
Das Ziel: die Annäherung an die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese waren im September 2020 verschärft worden. Die in diesem und im nächsten Jahr geplante Entwicklung der Berliner Luftreinhaltestrategie und ihre spätere Umsetzung stehen jedoch vor besonderen Herausforderungen.
Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene erforderlich
Zum einen sind die WHO-Richtwerte keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte. Noch ist zu klären, welche rechtlichen Möglichkeiten auf kommunaler Ebene nach Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte existieren, um emissionsarme Techniken oder Verhaltensweisen wie ein feinstaubarmes Baustellenmanagement oder das Heizen mit feinstaubgeminderten Öfen mit dem „blauen Engel“ vorschreiben zu können – entgegen den weniger strengen EU-Produktvorschriften der Ökodesign-Richtlinie.
Zum anderen stammt der im Stadtzentrum gemessene Feinstaub zu mehr als zwei Dritteln aus Quellen außerhalb der Stadt. Fast die Hälfte dieses nach Berlin importierten Feinstaubs wird luftchemisch aus Ammoniak gebildet, das durch die Gülledüngung der Landwirtschaft in die Luft gerät. So werden die neuen WHO-Richtwerte für die kleineren Partikel PM2,5 selbst im ländlichen Brandenburg um fast das Doppelte überschritten.
Berlin kann daher die WHO-Empfehlungen für Feinstaub nicht alleine erreichen. Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei Kraftfahrzeugen und bei Heizungsanlagen braucht es ergänzende Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene, um die großräumige Belastung deutlich zu senken.
Weniger Autoverkehr
Die künftige Luftreinhaltestrategie soll herausarbeiten, welcher externe Beitrag notwendig ist und was Berlin selbst leisten kann. Dazu gehört nicht nur die schnellere Umstellung der Kfz-Flotten auf emissionsfreie Elektrofahrzeuge. Denn der Großteil des verkehrsbedingten Feinstaubs kommt nicht (mehr) aus dem Auspuff, sondern aus dem Abrieb von Reifen, Fahrbahn und Bremsen sowie der Aufwirbelung von Straßenstaub, wofür es wenig technische Minderungsmöglichkeiten gibt.
Gefragt sind also Maßnahmen für weniger Autoverkehr in Wohngebieten, eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung sowie der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, sichere Radinfrastruktur und attraktive Fußwege, die auch dem Klimaschutz, der Lärmminderung und der Mobilitätswende dienen.
Die geplante Luftreinhaltestrategie 2030 wird deshalb ein fach- und politikübergreifendes Unterfangen, bei dem die Stadtgesellschaft bereits in der Phase der Maßnahmenentwicklung einbezogen wird. Notmaßnahmen, wie die vor 35 Jahren durchgesetzten stadtweiten Fahrverbote gegen schlechte Luft, haben dann endgültig ausgedient. Martin Lutz
Der Autor: Martin Lutz ist Fachgebietsleiter Luftreinhalteplanung bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz im Berlin.