Photovoltaik für Mülldeponien

PV-Freiflächenanlagen bringen weit mehr als Idylle wie hier auf einer Mülldeponie im Kreis Herford: Sie sind ein Wertschöpfungs-Booster für Kommunen – das ist Vision und Erfahrung des Bündnisses Bürgerenergie. Foto: FEGH

Genossenschaftliche Energieprojekte: Dafür macht sich das Bündnis Bürgerenergie stark – zum Beispiel eine Photovoltaik-Freiflächenanlage im Kreis Herford auf einer Mülldeponie.

Lokale Energieprojekte sind in mehrfacher Hinsicht eine Chance für Kommunen. Zum Beispiel schützen sie das Klima durch die flächeneffiziente Produktion erneuerbarer Solarenergie und durch eine ökologische sowie insektenfreundliche Flächenpflege. Sie können auch bedeutende Gestaltungspotenziale und ebenso finanzielle Anreize für Kommunen schaffen – dies gelingt vor allem mit den richtigen Akteuren zur Realisierung der erneuerbaren Energieanlage. Bürgerenergie-Genossenschaften haben sich hier schon oft als kompetente sowie faire Partner und als „Wertschöpfungs-Booster“ für Kommunen bewiesen.

Der Bau von Photovoltaik (PV-)-Freiflächenanlagen ist für eine Kooperation von Energiegenossenschaft und Kommune besonders interessant. Ein Blick zum Kreis Herford und zur Gemeinde Kirchlengern zeigt, wie Energiegenossenschaft, Kreis und Kommune beim Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage auf einer Mülldeponie an einem Strang ziehen.

Dabei spielt es eine Rolle, dass die Bundesregierung mit der EEG-Novelle 2023 die Ausbauziele von erneuerbaren Energien deutlich erhöht hat. Rund die Hälfte der neuen PV-Anlagen soll auf dem Dach, die andere auf Freiflächen gebaut werden, um den verfügbaren Platz effizient zu nutzen. Freiflächenanlagen sind wirtschaftlich sehr attraktiv: Sie erbringen aufgrund ihrer optimalen Ausrichtung einen um bis zu 20 Prozent höheren Ertrag als Dachanlagen. Zugleich sind die Stromgestehungskosten von PV-Freiflächenanlagen mit am niedrigsten unter den erneuerbaren Energietechnologien bei einer zu erwartenden hohen Lebensdauer von bis zu 40 Jahren.

Eines der Argumente für PV-Freiflächenanlagen: „ Sie erbringen aufgrund ihrer optimalen Ausrichtung einen um bis zu 30 Prozent höheren Ertrag als Dachanlagen“, so Janina Kosel. Foto: Adobe Stock/protectnature

Die Baugenehmigung für eine PV-Freiflächenanlage erteilt die Kommune im Rahmen der Bauleitplanung und besitzt somit ein entscheidendes Instrument zur Gestaltung ihrer Umgebung. Hier stellt sich die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten die Kommune umsetzen kann. Wo will und wo muss sie externe Partner hinzuziehen? Dabei hat sie zwei Möglichkeiten: Sie kann Flächen an geeignete Akteure zur Verfügung stellen, oder sie kann selbst als Initiatorin oder Projektpartnerin aktiv werden. In welchem Umfang sie dies tun will, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je aktiver die Kommune ist, desto mehr Ressourcen für die Umsetzung und Abwicklung werden beansprucht.

Risiko minimieren

Wirtschaftliches Risiko und wirtschaftlicher Ertrag gehen dabei Hand in Hand. Bei einer Flächenüberlassung an einen ausgewählten Dritten ist das Risiko geringer und weniger kommunale Ressourcen werden benötigt. Die Projektabwicklung in Eigenregie birgt höhere Anforderungen, bringt aber auch einen höheren Ertrag. Im Fall des Kreises Herford war es die Friedensfördernde Energie-Genossenschaft Herford eG (FEGH), die das Potenzial der Mülldeponie in Kirchlengern für eine PV-Freiflächenanlage erkannte.

Im Januar 2018 bewarb sie sich beim zuständigen Kreis um die Realisierung einer großen Freiflächenanlage. Es sollte die erste Anlage dieser Art für die Genossenschaft werden, die bisher bereits mehrere größere PV-Dachanlagen in der Umgebung, unter anderem auch des Kreises Herford, gebaut hatte. Doch um die dezentrale und lokale Energieproduktion zu erhöhen, beschloss die Genossenschaft, noch größere Energieanlagen zu realisieren und sich nicht nur finanziell, sondern auch unternehmerisch am Projekt zu beteiligen.

Lokale Partner

Der Versuch des Kreises, den lokalen Energieversorger ins Boot zu holen, scheiterte, da die Renditeaussichten nicht hoch genug waren und sich der Energieversorger deshalb zurückzog. Für die Vermarktung des erzeugten Stroms sprach die Energiegenossenschaft die Stadtwerke an. Auch sie waren nicht interessiert aufgrund zu geringer Kapazitäten. Somit schloss die FEGH als alleiniger Kooperationspartner des Kreises eine entsprechende Pachtvereinbarung ab und errichtete eine hundertprozentige Bürgerenergie-PV-Freiflächenanlage mit 750 kWp Leistung.

Bürgerenergie-Genossenschaften, wie in diesem Fall die FEGH, sind größtenteils lokal verankert mit dem Ziel, eine höchstmögliche Wertschöpfung vor Ort zu schaffen. So wurden von der FEGH bewusst lokale Unternehmen beauftragt, wie das Unternehmen, das den Bau der Anlage umgesetzt hat, sowie Architekt, Statiker und Gutachter. Vor allem ermöglichen sie Bürgerinnen und Bürgern vor Ort auch mit kleinem Geldbeutel, als Mitglied der Genossenschaft mit ihren Anteilen Miteigentümer der PV-Freiflächenanlage zu werden.

Impuls für die nächste PV-Anlage

Seit Oktober 2020 vermarktet die FEGH den produzierten Strom über einen Direktvermarktungsvertrag. Seit 2023 können Bürgerinnen und Bürger den grünen Solarstrom unter der Strommarke der Bürgerwerke eG beziehen, die eine große Bürgerenergie-Dachgenossenschaft sind. Außerdem profitieren Städte und Gemeinden von der Gewerbesteuer, die sie in diesem Falle von den Energiegenossenschaften erhalten. Bei großen PV-Freiflächenanlagen allgemein kann die Kommune nun sogar mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde am Ertrag teilhaben (Kommunalabgabe, § 6 EEG).

Auch wenn Gewinnmaximierung für die FEGH keine Priorität hat, muss das Projekt wirtschaftlich sein, da Genossenschaften neben sozialen und ökologischen Zielen auch wirtschaftlich erfolgreich arbeiten. Die hohen Pachtforderungen des Kreistags brachten das Projekt zunächst zum Stillstand, bis klärende Gespräche zwischen beiden Akteuren ein Umdenken bewirkten und die Planung fortgesetzt werden konnte.

Dies spiegelte sich auch darin wider, dass der Kreis Herford das Projekt über die Finanzierung des Bebauungsplanes, des Bodengutachtens und einer Trockensteigleitung unterstützte. Letztere musste im Rahmen eines Brandschutzkonzeptes installiert werden, das von der Baubehörde verlangt wurde. Nach der Genehmigung des Bebauungsplans durch die Kommune Kirchlengern, in der die Mülldeponie liegt, konnte das Vorhaben umgesetzt werden. Der Bau der Anlage auf der Mülldeponie erforderte eine besondere Unterkonstruktion, die nicht tiefer als 40 Zentimeter in die Renaturierungsschicht eindringt. Vorerst alle zwei Jahre muss die Statik nun laut Baugenehmigung überprüft werden.

Beitrag zum Klimaschutz

Die Herausforderungen wurden dank der guten Zusammenarbeit von Bürgerenergie-Genossenschaft, Kreis Herford und Kommune erfolgreich bewältigt. Auch die Energieagentur NRW unterstützte die Genossenschaft intensiv in Form von kostenloser Beratung.

Der Weg war mitunter holprig, lohnte sich aber mehrfach: Zum einen wird mehr Solarstrom im Landkreis produziert; zum anderen bewirkte die Kooperation ein Mitwirken der FEGH am Kreisklimaschutzkonzept. Hier wurde das Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien mit Bürgerbeteiligung voranzutreiben. Und der Kreis Herford plant eine weitere PV-Freiflächenanlage auf einer anliegenden Mülldeponie.

Janina Kosel


Die Autorin

Janina Kosel ist Projektmanagerin und Referentin bürgerschaftliches Empowerment und Partizipation beim Bündnis Bürgerenergie e.V. in Berlin.