Parken in der Stadt: Interview mit Christine Fuchs

Entspannt mit dem Rad unterwegs sein und Abstellmöglichkeiten finden: In vielen Stadtregionen ist das noch Zukunftsmusik. Foto: Adobe Stock/upixa

Autos sollen weniger Raum in der Stadt bekommen − das aber braucht Zeit und gemeinsame Anstrengungen vieler Akteure. Wie Kommunen vorankommen und was sie von guten Beispielen übernehmen können, erklärt Christine Fuchs.

Die Situation für Radfahrer und Fußgänger ist je nach Stadt oder Stadtteil sehr unterschiedlich. Kann man dennoch generell sagen, dass Kommunen in Ihrem Wirkungsgebiet Nordrhein-Westfalen zumindest auf dem Weg hin zu mehr Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit sind?

Christine Fuchs: Ja − insbesondere der Radverkehr wird in den Kommunen längst als eigenständige Verkehrsart wahrgenommen. Beim Fußverkehr stehen wir noch am Anfang, aber auch hier tut sich viel. Für beide Verkehrsarten gilt: Jede Kommune hat unterschiedliche Herausforderungen zu meistern und setzt eigene Prioritäten. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen an Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit stetig und werden immer höher.

Woran liegt das?

Fuchs: Technische Entwicklungen spielen eine Rolle. Zum Beispiel das Pedelec, das durchgängig höhere Geschwindigkeiten ermöglicht − und älteren Menschen eine selbstbestimmte Mobilität. Aktuell sind es die Lastenräder, die wieder andere Anforderungen an Radverkehrsinfrastruktur und Abstellanlagen stellen.

An welchen Stellschrauben sollte jetzt gedreht werden?

Fuchs: Ein Schlüsselthema, insbesondere in den Großstädten, ist das Parken. Abgestellte Autos nehmen Flächen in Anspruch, die für den Ausbau des Rad- und Fußverkehrs dringend benötigt werden. Um ein

zusammenhängendes Radverkehrsnetz umzusetzen, müssen die Flächen für den ruhenden Autoverkehr in den Straßen, in denen das Fahrrad zukünftig Priorität haben soll, reduziert werden. Das stößt häufig auf Widerstände. Städte müssen die Gründe und Vorteile der Maßnahmen gut und verständlich kommunizieren.

Ein gutes Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: In Wuppertal wurde die Nordbahntrasse, eine ehemalige Zugstrecke, zu einem Rad- und Fußgängerweg umgebaut. Foto: Adobe Stock/mitifoto

Wie sieht es In kleineren Städten und auf dem Land aus?

Fuchs: Dort liegen die Potenziale des Radverkehrs insbesondere in seiner Funktion als Zubringer zu Bus und Bahn. Der Umstieg in den öffentlichen Nahverkehr kann durch komfortable und sichere Abstellmöglichkeiten an den Bahnhöfen erleichtert werden. Die Kreise haben die Aufgabe, für Austausch zwischen den Kommunen zu sorgen und sicherzustellen, dass die kommunalen Radnetze mit den regionalen Zielen für den Radverkehr übereinstimmen.

Woran liegt es, dass Änderungen zwar gewünscht sind, es aber − zumindest gefühlt − nur langsam vorangeht?

Fuchs: Auch wenn der Radverkehr inzwischen eine starke Lobby hat − die Verkehrsplanung in Deutschland ist sehr komplex und der Umbau unserer Städte eine langwierige Aufgabe. Aber auch Vorreiter wie Amsterdam oder Kopenhagen haben 40 Jahre und mehr gebraucht, um den heutigen Zustand zu erreichen. Um diesen Prozess über eine so lange Zeit erfolgreich durchzuführen, müssen alle an einem Strang ziehen: die Politik, die Fachplanung und am Ende auch die Bürgerinnen und Bürger, die jeweils sehr unterschiedliche Ansprüche an den begrenzten Raum stellen. Wenn alle vom Mehrwert des Rad- und Fußverkehrs überzeugt sind, werden Ressourcen dafür – finanziell und personell – eher bereitgestellt.

Welche Hürden sehen Sie außerdem?

Fuchs: Aktuell erschwert der Fachkräftemangel die Arbeit in den Kommunen. Das bekommen auch die Mitglieder unseres Arbeitskreises AGFS NRW zu spüren. Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben wir unsere Berufskampagne „Plane Deine Stadt!“ entwickelt. Sie hat das Ziel, mehr junge Menschen für den Beruf der Verkehrsplanung zu begeistern. Hinzu kommt, dass die Bauingenieurinnen und Bauingenieure in den Städten und Gemeinden einen großen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringen, Anfragen aus Politik und Bürgerschaft zu beantworten, anstatt zu planen und umzusetzen.

Es gibt aber eben auch Vorreiter: Münster gilt als eine der vorbildlichen deutschen Fahrradstädte. Zudem sind einige Orte im europäischen Ausland sehr weit beim Thema Fahrradfreundlichkeit. Was machen sie anders?

Fuchs: Münster hat traditionell einen hohen Radverkehrsanteil. Das liegt an der Nähe zu den Niederlanden und der dort herrschenden Fahrradkultur sowie an der flachen Topografie. Das liegt aber auch daran, dass die Verantwortlichen das Potenzial früh erkannt und über einen langen Zeitraum konsequent Radwege gebaut haben. Doch Münster hat auch mit der Kehrseite des Erfolgs zu kämpfen: Das Unfallaufkommen zwischen Radfahrern und Fußgängern ist hoch. Auch in Amsterdam und Kopenhagen ergeben sich bereits neue Probleme durch das hohe Verkehrsaufkommen auf den Radwegen und nicht zuletzt beim Abstellen der Fahrräder.

Was muss geschehen?

Fuchs: Die Verkehrssysteme in den Städten müssen ständig weiterentwickelt werden, keine Stadt hat den einen endgültigen Zustand erreicht. Lernen kann man jedoch von den internationalen Beispielen, dass ein strategischer Ansatz und ein planvolles, gemeinschaftliches Vorgehen unentbehrlich sind.

Welche Beispiele empfehlen Sie gern?

Fuchs: International sind es Städte wie Oslo, Gent, Luxembourg oder auch Vitoria-Gasteiz, die es geschafft haben, den Autoverkehr in den Innenstädten stark zu reduzieren und so mehr Platz für die Menschen zu schaffen. Aber auch in Deutschland gibt es gute Beispiele, wie die Initiative „Ringfrei“ in Köln: Dort wurde einer von zwei Fahrstreifen des innerstädtischen Rings für den Radver- kehr umgewidmet und die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stunden- kilometer reduziert. Oder Wuppertal: Dort haben engagierte Bürger in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung die Nordbahntrasse, eine ehemalige Zugstrecke, zu einem attraktiven Rad- und Fußweg umgebaut, der mehrere Stadtteile miteinander verbindet. Berlin ist beispielhaft für eine schnelle Umsetzung, und der Kreis Paderborn sowie die ganze Region Ostwestfalen-Lippe zeigen, wie die Vernetzung der Kommunen zu einem vorbildlichen regionalen Radwegenetz führen kann.

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Christine Fuchs ist Vorstand der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise AGFS NRW.