Offen für viele Mobilitätsbedürfnisse

Verkehrsplanung nicht durch die Windschutzscheibe: Dresden setzt gezielt auf die verschiedenen Mobilitätsbedürfnisse – mit dem Fahrrad als einem wichtigen Bewegungsmittel. Foto: Adobe Stock/uslatar

Dresden führt das Ranking der aktuellen ADAC-Umfrage „Mobil in der Stadt“ an – bei allen untersuchten Verkehrsmitteln: PKW, ÖPNV und Fahrrad sowie bei denen, die zu Fuß unterwegs sind. Welche Grundlagen es für dieses gute Ergebnis gibt, erläutert Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn.

Der ADAC hat untersucht, wie zufrieden Menschen in deutschen Großstädten über 500.000 Einwohnern mit der Mobilitätssituation sind. Ein Ergebnis: In Dresden „sind alle, die am Verkehr teilnehmen, zufriedener als anderswo in Deutschland.“ Wie sehen Sie selbst das Thema Mobilität für Dresden?

Stephan Kühn: Alle Menschen sind auf eine gute Mobilität angewiesen und wollen sicher, zuverlässig und möglichst schnell an ihren Zielen ankommen. Der erste Platz beim ADAC-Monitor hat mich persönlich daher sehr gefreut. Dennoch muss bei der Mobilität mit Blick auf den Klimaschutz und für eine hohe Lebensqualität auch in Dresden viel passieren. Bei diesen notwendigen Veränderungen wird sehr genau hingeschaut. Das merken wir auch in Beteiligungen: Die Menschen wollen mitreden.

Sie sind aber offensichtlich zumindest bereits auf einem guten Weg. Was ist die Grundlage für die Zufriedenheit, die höher ist als in anderen Großstädten?

Kühn: Der Dresdner Stadtrat hat 2022 Leitziele für den Dresdner Mobilitätsplan 2035+, unseren Masterplan für die Mobilität der Zukunft, festgelegt. Die Leitziele beinhalten mehr Klimaschutz, eine Teilhabe aller Menschen, eine gute Erreichbarkeit sowie verbesserte Gesundheit und Stadtverträglichkeit. Wir machen Verkehrsplanung nicht durch die Windschutzscheibe, sondern wollen all die verschiedenen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen berücksichtigen. Beim Fuß- und Radverkehr steht die Verkehrssicherheit im Vordergrund. Das ist innerhalb der Verwaltung ein Querschnittsthema, und auch mit der Polizei bestehen Kooperationen in Form einer Unfallkommission und einer Sicherheitspartnerschaft.

Wie steht es um den ÖPNV?

Kühn: Mit den Dresdner Verkehrsbetrieben haben wir einen sehr erfolgreichen Mobilitätsdienstleister. Das schon dichte Angebot haben wir durch Fahrradverleih, Carsharing und auch On-Demand-Shuttle-Service in den letzten Jahren nochmal erweitert.

Was ist der zentrale Planungsansatz für die Mobilität in Dresden?

Kühn: Fast alle sind regelmäßig mit mehr als einem Verkehrsmittel unterwegs. Sie sind nicht ausschließlich Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger oder ÖPNV-Nutzer, sondern multimobil. Darauf stellen wir uns ein – und wir setzen sehr stark auf Beteiligung, insbesondere beim Dresdner Mobilitätsplan 2035+. Dabei steht der „MOBIdialog“ als das zentrale Beteiligungsgremium im Zentrum bei allen zu klärenden Fragestellungen – von den Leitzielen, der Erarbeitung der entsprechenden Maßnahmen bis zur Diskussion eines Vorzugsszenarios für die Zukunft des Verkehrs in Dresden.

Was heißt das konkret – wie setzen Sie das um?

Kühn: Um den Verkehr in Dresden noch sicherer und umweltschonender zu gestalten, setzen wir verstärkt auf bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und Verkehrsversuche in Wohngebieten sowie vor Schulen. Solche Versuche sind auch im Prozess des Dresdner Mobilitätsplans 2035+ integriert. Sie zeigen die Vorteile auf und sorgen dafür, dass Ängste genommen werden. Das schafft Vertrauen in Veränderungen und somit Gestaltungsspielräume.

Wo sehen Sie die größten Hindernisse für den Mobilitätswandel in Ihrer Stadt?

Kühn: Die große Herausforderung ist, alle mitzunehmen. Für jeden Menschen ist Mobilität eines der wichtigsten Grundbedürfnisse, aber jeder Mensch definiert dieses Bedürfnis anders. Das hängt mit der persönlichen, der familiären oder auch der beruflichen Situation zusammen. Auf eine „neue Verkehrswelt“, die kostenneutral und ohne persönliche Veränderungen daherkommt, könnten sich wahrscheinlich alle schnell einigen. Aber das ist nicht die Realität. Die Verkehrsplanerinnen und -planer der Stadt wissen, dass es ohne restriktive Maßnahmen, also Push-Maßnahmen hin zu mehr Fuß- und Radverkehr und mehr Nutzung des ÖPNV nicht geht. Das müssen wir vermitteln.

Sie sind aber bereits auf dem Weg – was sehen Sie bis jetzt als größten Erfolg?

Kühn: Die 70 MOBIPunkte sind ein sehr großer Erfolg: An ihnen verknüpfen wir Sharingangebote mit dem ÖPNV. Sie ermöglichen ein einfaches Umsteigen zwischen ÖPNV, Leifahrrädern und Carsharing. Besonders stolz sind wir in diesem Kontext darauf, wie das Fahrradverleihsystem, unsere MOBIbikes, angenommen wurden. Mit durchschnittlich 4,2 Ausleihen pro Tag und pro Fahrrad sind wir die nachfragestärkste Stadt in Deutschland. Im Sommer 2023 hatten wir einen Rekordmonat mit etwa 220.000 Fahrten. Die MOBIbikes sind ein fester Bestandteil des Mobilitätssystems in Dresden.

Gibt es Erfahrungen mit Ihrem Mobilitätskonzept, die Sie empfehlen und an denen sich andere Kommunen orientieren könnten?

Kühn: Mit der Herangehensweise bei der Erstellung des Dresdner Mobilitätsplans 2035+ haben wir sehr gute Erfahrung gemacht. In dem Prozess setzen wir auf Kontinuität und auf dem Weg zum finalen Plan, beziehen auch den Dresdner Stadtrat intensiv ein und halten Zwischenergebnisse verbindlich fest. Es geht uns nicht darum, möglichst schnell ein Konzept zu erstellen, sondern im Entwicklungsprozess die Bürgerschaft und den Stadtrat mitzunehmen. Als zweites die Verkehrsversuche: Veränderung muss auch anschaulich werden, sie braucht „Bilder“. Wir nutzen die Möglichkeit von Verkehrsversuchen, mit denen wir Maßnahmen testen und die Wirkung überprüfen.

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Stephan Kühn ist Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften der sächsischen Landeshauptstadt Dresden.