Wie war der Start ins neue Amt in einer besonders herausfordernden Zeit? Oberbürgermeister Daniel Bullinger äußert sich positiv über die Stadtentwicklung – und spricht über ein bemerkenswertes Personalprojekt: Erzieherinnen und Erzieher aus Spanien für Kitas in Schwäbisch Hall.
Für Ihr erstes Jahr im Oberbürgermeisteramt haben Sie eine besonders herausfordernde Zeit erwischt: Als Corona im Frühjahr 2022 endlich in den Hintergrund treten sollte, begann der Krieg gegen die Ukraine. Konnten Sie sich dennoch auf die Ziele konzentrieren, mit denen Sie zur Wahl angetreten sind?
Daniel Bullinger: Das war nur bedingt möglich. Alle Kommunen waren und sind ja nach wie vor mit verschiedenen Krisen konfrontiert, die parallel laufen – sie stehen an erster Stelle. Das heißt, dass die intensive Arbeit an den Zielen, die wir uns für Schwäbisch Hall gesteckt haben, zum Teil zurückgestellt werden muss.
Was hat Ihr erstes Jahr im Amt bestimmt?
Bullinger: Wir waren mit den Herausforderungen konfrontiert, mit denen sich alle Kommunen auseinandersetzen müssen. Corona spielte vor allem im Frühjahr 2022 noch eine große Rolle mit den bekannten Auswirkungen auf den Personalstand – es ging darum, die Verwaltung am Laufen zu halten. Dann kamen die Folgen des Kriegs gegen die Ukraine dazu, die Unterbringung von Geflüchteten ebenso wie Hilfslieferungen. Dann natürlich die Gasnotlage. Außerdem hat uns die Haushaltsstrukturkommission das ganze Jahr beschäftigt. Im Winter haben wir einen Doppelhaushalt für 2023/24 eingebracht, der jetzt verabschiedet werden soll.
War 2022 also vor allem schwierig?
Bullinger: Nicht nur – 2022 war mehr als ein Krisenjahr. Es gab in Schwäbisch Hall auch endlich wieder Veranstaltungen, seien es unsere Freilichtspiele oder der Weihnachtsmarkt. Das ist für den Tourismus ebenso wichtig wie für die Bürgerinnen und Bürger.
Fachkräftemangel ist ein wichtiges Stichwort für Unternehmen wie für die öffentliche Verwaltung. Wie gehen Sie damit um?
Bullinger: Ein großes Thema ist die Weiterbildung der Mitarbeitenden – mit verschiedenen Bausteinen. Es geht darum, Nachwuchskräfte zu qualifizieren, oder ebenso, Grundschulungen für die EDV anzubieten.
Wie sieht es mit neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus?
Bullinger: Personalgewinnung ist ein zentrales Thema – wir brauchen Personal in allen Bereichen: Erzieherinnen und Erzieher ebenso wie Personal für die Stadtbetriebe oder für die Hochbauverwaltung. Wir ergreifen hier verschiedene Maßnahmen, sind auf Messen präsent, arbeiten an unserer Attraktivität für Mitarbeitende, haben zum Beispiel auch eine hohe Übernahmequote bei den Auszubildenden. Wir gehen aber auch neue Wege. Schwäbisch Hall hat eine Kooperation mit dem Kolping-Bildungswerk aus Stuttgart, um Erzieherinnen und Erzieher aus Spanien zu uns zu holen.
Warum gerade Spanien?
Bullinger: Insbesondere in Südspanien ist der Arbeitsmarkt für junge Leute extrem schwierig. Sie suchen Arbeit, und wir brauchen dringend Personal für unsere Kitas.
In diesem Bereich ist Sprache essenziell – wie kann das funktionieren?
Bullinger: Angeworben werden Menschen mit pädagogischer Hochschulbildung. Nach einem ersten Deutschkurs, der bereits in Spanien stattfindet, durchlaufen sie in Deutschland ein Anerkennungsverfahren. Währenddessen besuchen sie neben ihrer Arbeit Deutschkurse am Goethe Institut in Schwäbisch Hall. Erst wenn sie das Sprachniveau B2 erreicht haben, werden sie auf den Betreuungsschlüssel in der Kindertageseinrichtung angerechnet.
Welche Erfahrungen machen Sie mit diesem Projekt?
Bullinger: Die Erfahrungen sind gut, wir gehen jetzt in die dritte Anwerbephase. Es gibt auch Anfragen von anderen Städten und Gemeinden, und wir kooperieren inzwischen mit Crailsheim, einer Stadt hier bei uns in der Nähe. Natürlich ist dieses Personalkonzept Richtung Spanien aufwändig, zumal unser Ziel ist, dass die Erzieherinnen und Erzieher in Schwäbisch Hall bleiben. Es ist auch nicht unser einziger Ansatz, um Fachkräfte für Kinderbetreuung zu gewinnen. Aber es ist ein Weg, der sich aus unserer Sicht lohnt.
Was steht darüber hinaus für 2023 vor allem an?
Bullinger: Ein zentrales Thema bleibt der Doppelhaushalt, der jetzt im Frühjahr verabschiedet werden soll. Die Haushaltsstrukturkommission muss fortgesetzt werden. Wir brauchen eine Grundsatzentscheidung in der Schulentwicklung, und auch eine Entscheidung in Bezug auf eine Sporthalle. Große Bauvorhaben werden vorangetrieben, zum Beispiel werden die Hagenbachhallen – ein wichtiger Ort für Schul- und Vereinssport – mit Fördermitteln des Bundes energetisch saniert und barrierefrei gestaltet.
Ihre Zwischenbilanz nach gut einem Jahr im Amt?
Bullinger: Sie fällt positiv aus – es gibt Luft nach oben, es geschieht aber auch sehr viel.
Interview: Sabine Schmidt
Zur Person
Daniel Bullinger (FDP) war von 2012 bis 2021 Bürgermeister der baden-württembergischen Gemeinde Oberrot. Seit Oktober 2021 ist er Oberbürgermeister in Schwäbisch Hall.