Neue Wege in der kommunalen Führungskräfteentwicklung

Kommunikation auf Augenhöhe: Entscheidend für gute Leistungen im Team ist das Vertrauen der Mitarbeiter in ihren direkten Vorgesetzten sowie in die Leitung – und umgekehrt. Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt

Egal ob in Zeiten der Krise oder Hochkonjunktur – Führung boomt immer. Es gibt kaum ein Thema, dass eine solche Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Beratung erfährt und dennoch chronisch defizitär ist, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Dabei sind es wenige Grundbausteine, deren Zusammenwirken erfolgreiche Führung definiert, wie Gastautor Karlheinz Schwuchow erklärt.

Die Erkenntnis, dass man Führung lernen kann, ist grundsätzlich nicht neu. Warren Bennis, einer der Pioniere der Führungsforschung, stellt in seinem 1990 erschienenen Buch „Führen lernen” fest, dass die meisten Menschen die Fähigkeit zur Führung haben, wenn sie es wagen, sich selbst zu entdecken, zu erkennen und zu verstehen. Dies geschieht aber mehr aus eigenem Antrieb als durch äußere Einflüsse.

Die Kernfrage ist, wie Mitarbeiter entsprechend dem Leitbild des „Entrepreneurial Learner“ den Weg des Lernens und der persönlichen Veränderung selbst gehen und dabei ihre wahren Fähigkeiten entdecken können – in einem natürlichen Prozess des Lernens von anderen, des Ausprobierens und des Lernens aus Fehlern. Ein solches Lernen impliziert, Wissen zu vernetzen und das eigene Handeln zu reflektieren – ein Ansatz, der den Werthaltungen der Generationen Y und Z und deren Erwartungen an die mitarbeiter-, arbeits- und organisationsbezogenen Aspekte einer Organisation in besonderer Weise Rechnung trägt.

Personalentwicklung aktiv im Führungsprozess vorleben

Im Kontext der aktuellen Diskussion um holokratische Organisationsformen gewinnen diese Überlegungen an Bedeutung. Transparenz und partizipative Beteiligungsmöglichkeiten rücken immer stärker in den Vordergrund und jeder Beschäftigte wird zur Führungskraft, wodurch maximale Agilität und Flexibilität erreicht werden. Dabei sollte der einzelne Mitarbeiter nicht als Patient, sondern als Agent betrachtet werden, dessen Handeln zu unterstützen ist, beispielsweise durch Coaching und Prozessbegleitung. Ein Paradigmenwechsel in der Mitarbeiterentwicklung und eine Abkehr von etablierten Prinzipien sind zwingende Folge.

Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie sich als Personal- und Kulturentwickler verstehen und Personalentwicklung aktiv im Führungsprozess vorleben – und diese Aufgabe nicht delegieren. Wenn Führungskräfte auf allen Ebenen ihre direkten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln, entsteht eine Kaskade der Führungskräfteentwicklung. Dieser Prozess setzt sich bis auf die unterste Mitarbeiterebene fort und erzeugt Führungsfähigkeit auf allen Ebenen – ein entscheidender Faktor, wenn es um die Befähigung zur Führung der eigenen Person als Basis für jede weitergehende Führungsverantwortung geht.

Erfolgsfaktoren: Kontext und Kultur

Die Herausforderung besteht darin, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das es Mitarbeitern ermöglicht, ihre Fähigkeiten langfristig gewinnbringend einzusetzen. Entscheidend ist das Vertrauen der Mitarbeiter in ihren direkten Vorgesetzten sowie in die Leitung – und umgekehrt.

Psychologische Sicherheit ist dabei der Kontextfaktor, der Mitarbeiterpotenziale freisetzt, Kreativität sowie Teamarbeit fördert und die Lern- und Innovationsfähigkeit einer Organisation bestimmt. Sie beginnt mit Empathie, gegenseitigem Vertrauen und Respekt. Nur wenn sich Mitarbeiter sicher aufgehoben sowie wertgeschätzt fühlen und keine Sanktionen fürchten müssen, wenn sie wissen, dass ihre Meinung zählt und sie diese frei äußern können, entwickeln sie Vertrauen und bringen sich aktiv ein. Individuelle und kollektive Talente werden freigesetzt, Erfolge ebenso wie Misserfolge als Lernchancen genutzt. Mitarbeiterbindung und Produktivität steigen – der Weg zu einer Hochleistungsorganisation ist geebnet.

Der Weg zu Glaubwürdigkeit und Vertrauen beginnt stets damit, Probleme offen anzusprechen sowie ehrliches Feedback zu geben und auf diese Weise psychologische Sicherheit zu schaffen. In den meisten Organisationen erschweren es immer noch sichtbare Statusunterschiede, offen und auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Auch werden Mitarbeiter häufig nicht als Individuen angesehen, die ihre Stärken einbringen, wenn sie es nur dürfen. Dementsprechend fehlt es an der für eine Kultur psychologischer Sicherheit notwendigen Wertschätzung seitens der Führungskräfte.

Mitarbeitereinbindung, Empowerment und Transparenz

Krisen benötigen in besonderer Weise Führung und fundiertes Handeln: authentisch, vertrauensvoll, glaubwürdig, kompetent. Es ist nicht die heroische Führungskraft, sondern ein starkes Führungsteam, das den Erfolg bringt. Bescheidenheit und Demut sind ebenso gefordert wie die Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen und anderen die Führung zu überlassen. Es zählt die kollektive Leistung im Hinblick auf ein Ziel.

Keine Krise ist einzigartig. Wichtig ist daher, aus Vergangenheit und Gegenwart zu lernen und durch strategische, strukturelle und mentale Anpassung zukunftsfähig zu werden. Auch hier bewährt sich ein Ansatz partizipativer Führung, der auf Mitarbeitereinbindung und -kommunikation, Empowerment und Transparenz basiert. Karlheinz Schwuchow

Der Autor: Prof. Dr. Karlheinz Schwuchow ist seit 1999 Inhaber der Professur für Internationales Management an der Hochschule Bremen und leitet das CIMS Center for International Management Studies.