In vielen Gewerbegebieten offenbart sich zum Ende ihres ersten Entwicklungszyklus umfangreicher Erneuerungsbedarf. Bei der nachhaltigen Weiterentwicklung kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Sie können Ressourcen projektbezogen bündeln sowie Förder- und Ordnungsinstrumente kombinieren.
Gewerbegebiete, insbesondere jene aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, stehen vor großen Erneuerungsaufgaben. Die Herausforderungen sind enorm: Nutzungskonflikte und Engpässe in der Flächenverfügbarkeit einerseits, Leerstände oder Mindernutzungen andererseits. Hinzu kommen Umweltbelastungen, Modernisierungsrückstände an Gebäuden und Anlagen, Mängel in der Freiraumgestaltung und Verkehrserschließung. Häufig überlagern Funktions- und Gestaltungsprobleme sich derart, dass sich Gebäudeleerstände oder Brachflächen verfestigen.
Diese Umstände führen oft dazu, dass die Gewerbebestandsgebiete ihre Rolle im regionalen Zusammenspiel der Gewerbestandorte nicht erfüllen. Hinzu kommt, dass sich viele Kommunen lange auf die Erschließung neuer Gewerbeflächen konzentrierten. Neue Gewerbegebiete an den Siedlungsrändern ziehen aber auch Betriebe aus städtebaulich integrierten Bestandsgebieten an. Zudem stoßen weitere Flächenausweisungen immer öfter an umweltrechtliche Grenzen und auf gesellschaftliche Widerstände.
Neben diversen Problemen zeigen sich für bestehende Gewerbegebiete aber auch Entwicklungsoptionen. Technologische Veränderungen wie die digitale Vernetzung und Robotik eröffnen Chancen für eine nachhaltige Weiterentwicklung dieser Siedlungsräume. Mit dem technischen Wandel entstehen Spielräume für flexible und dezentrale Formen der Produktion.
Technische Neuerungen im Anlagenbau und fortschreitende Elektrifizierung im Transportwesen können zu mehr Ressourceneffizienz und weniger Emissionen beitragen. So entstehen günstigere Voraussetzungen für ein Zusammenrücken von bislang getrennten Funktionen. Räumliche Nähe von Produktion, Zulieferung und Dienstleistung sowie Kunden und Beschäftigten kann wiederum kürzere Wege, geringeren Transport- und Lageraufwand bedeuten. Derart veränderte Funktionsbeziehungen ermöglichen generell engere Nachbarschaften von Arbeiten, Wohnen, Versorgen und Erholen.
Bestehende Gewerbegebiete verfügen zudem über städtebauliche Qualitätspotenziale. Dazu gehören brach liegende oder mindergenutzte Potenzialflächen, die für funktionale und bauliche Ergänzungen aktiviert werden können. Ebenso sind leerstehender Fabrikgebäude für betriebliche Neuansiedlungen, Erweiterungen, Verlagerungen oder für versorgungs- und sozialinfrastrukturelle Angebote nutzbar.
Flächen optinmal nutzen
Erhalt und Modernisierung stadtbildprägender Bauwerke können das Gebietsimage aufwerten und so die Attraktivität für Unternehmen und Beschäftigte stärken. Durch horizontale und vertikale Anordnungen mehrerer Betriebe auf einer Parzelle lässt sich die Flächeneffizienz erhöhen. Ähnliche Chancen bieten „gestapelte“ Nutzungen, auch mit Stellplätzen oder Solaranlagen auf Dächern.
Die Flächenpotenziale lassen sich direkt oder mittelbar für Verbesserungen in der Verkehrserschließung nutzen. Die verkehrliche Gebietserschließung kann ferner durch eine Stärkung des Umweltverbundes inklusive Ausbau von Fuß- und Radwegen verbessert werden. Für einen funktionsfähigen und gebietsverträglichen Güter- und Personenverkehr lassen sich stillgelegte Gleisanlagen, oft auch Kanäle oder andere Wasserwege reaktivieren. Nicht zuletzt eignen sich Freiflächen und Gewässer jenseits ihrer Natur- und Klimaschutzfunktion für Aufwertungen der Freiraumqualitäten.
In die Jahre gekommene Gewerbegebiete sind an veränderte Anforderungen von Betrieben, Beschäftigten und Gesellschaft anzupassen. Dafür sind materielle und prozedurale Maßnahmen erforderlich. Das Spektrum physischer Maßnahmen reicht von baulicher und technischer Modernisierung einzelner Gebäude und Anlagen bis zur infrastrukturellen und städtebaulichen Gebietserneuerung. Der Handlungsbedarf umfasst die Stärkung der lokalen Wirtschaftsstruktur und sozialer Einrichtungen ebenso wie Flächen- und Ressourceneffizienz. Zum investiven Repertoire gehören sowohl verkehrliche und energetische Maßnahmen als auch Verbesserungen in der Abfallentsorgung und Abwasserbewirtschaftung.
Kooperation der Kommune mit privaten Akteuren
Bei der Weiterentwicklung von Gewerbegebieten ist zugleich die Prozessgestaltung für das Gelingen der Erneuerungsprojekte bedeutsam. Dabei sind gleichermaßen Kommunikation, Kooperation und Netzwerkbildung zu beachten. In der städtebaulichen Praxis geht es um die Kooperation der Kommune mit den privaten Akteuren: Immobilieneigentümer, Gewerbetreibende, deren Beschäftigte, Kunden und Zulieferer bis hin zur Nachbarschaft. Aufseiten der Kommunen sind Stadtplanung und Wirtschaftsförderung zu beteiligen, möglichst auch die Umweltämter.
Zudem sind oft auch Belange der Liegenschafts- und Finanzverwaltung tangiert. Angesichts der heterogenen Akteurskonstellationen kommen diverse Managementansätze infrage. Sie können sich auf bestimmte Sachaufgaben wie Flächen-, Leerstands- oder Gebäudemanagement beziehen oder umfassend raumbezogen ansetzen, im Sinne eines Gewerbegebietsmanagements.
Nicht immer sind die Grundeigentümer bereit, benötigte Flächen zu aktivieren. In anderen Fällen gehen Versäumnisse der Instandhaltung an die Substanz von Anlagen und Gebäuden. Vor diesem Hintergrund sind kommunikative und informelle Planungsansätze hilfreich, stoßen allein jedoch schnell an Wirkungsgrenzen.
Den Kommunen ist zu raten, die Möglichkeiten ihres Satzungsrechts, des allgemeinen und besonderen Städtebaurechts auszuschöpfen. Weiterhin ist den Kommunen zu empfehlen, eine aktive Rolle bei der Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete wahrzunehmen. Solches Engagement kann in Form städtischer Entwicklungsgesellschaften ebenso wie durch kommunale Grundstücks- oder Stadtentwicklungsfonds erfolgen.
Ungeachtet unterschiedlicher Ausgangskonstellationen und Zukunftsperspektiven sollten die Kommunen vier generelle Orientierungen beachten: Ganzheitliche Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete; Zusammenspiel von städtebaulicher Erneuerung mit betrieblicher Modernisierung; Synergieentfaltung aus Anlagenbau, Städtebau, Klima- und Umweltschutz; Sensibilisierung und Kooperation für nachhaltige Gebietsentwicklung.
Die Interventionsmöglichkeiten der Kommunen liegen vor allem in einer integrierten Herangehensweise an die Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete. Zugleich geht es um projektbezogene Ressourcenbündelung sowie gebietsbezogene Kombination von Förder- und Ordnungsinstrumenten. Nicht zuletzt ist die fach- und institutionenübergreifende Kooperation mit der Perspektive einer verstetigten Netzwerkbildung unerlässlich.
Bernd Breuer
Der Autor
Bernd Breuer ist Mitarbeiter des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in Bonn. Er ist Projektleiter des Forschungsvorhabens „Städtebauliche Weiterentwicklung von Gewerbegebieten“
Info: Dieser Beitrag basiert auf Zwischenerkenntnissen aus dem Forschungsfeld „Nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten“ im Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“. Dazu finden sich weitere Informationen auf der BBSR-Internetseite
Gewerbegebiete – Dreh- und Angelpunkt der Kommunalentwicklung
Gewerbegebiete haben fundamentale Bedeutung für „gesunde Arbeitsverhältnisse“ und die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden. Das produzierende Gewerbe prägt Bedingungen für eine sozial- und umweltverträgliche sowie wirtschaftlich tragfähige Siedlungsentwicklung. Es trägt wesentlich zu den Steuereinnahmen der Kommunen und damit zur Leistungsfähigkeit des kommunalen Gemeinwesens bei. Deshalb sind die Kommunen auf städtebaulich integrierte Gebiete für verarbeitendes Gewerbe angewiesen. In Gewerbe- und Industriegebieten finden Weichenstellungen für Flächen- und Ressourceneffizienz sowie für unverträgliche Emissionen statt. Zudem prägen Gewerbegebiete funktionale und ästhetische Qualitäten für die gesamte Gemeinde. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Orte der Produktion an Bedeutung für eine nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung. Nicht zuletzt spielen Gewerbegebiete eine wichtige Rolle in der inner- und interkommunalen Aufgabenteilung