Nachhaltige Beschaffung: Kommunen können starke Akzente setzen

Arbeitskleidung, Baustoffe, Tablets: Es sind vielfältige Themen- und Beschaffungsfelder, bei denen die öffentliche Hand Vorbild sein und sogar den Markt lenken kann, so Tim Stoffels. Foto: Adobe Stock/Monkey Business

Die öffentliche Hand kauft im Jahr für 500 Milliarden Euro ein. Davon entfallen über 50 Prozent auf Kommunen. Tim Stoffel erläutert, warum es sich lohnt, die kommunale Vergabe nachhaltig zu gestalten, und wie die Umsetzung gelingt.

Was Städte und Gemeinden einkaufen, ist so vielfältig wie ihre Aufgaben: Das reicht von
Baustoffen über Büromöbel oder Textilien, zum Beispiel Arbeitsbekleidung, bis hin zu IT-Hardware wie Computer, Smartphones und Tablets.

Bei der Herstellung dieser Produkte kommt es häufig zu negativen Folgen für die Umwelt und für die Menschen, die diese Produkte herstellen.

Durch die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien bei Ausschreibungen können diese Folgen aber vermindert oder ganz vermieden werden. Auch der CO2-Fußabdruck einer Kommune lässt sich so reduzieren.

Anreize für Unternehmen geben, die nachhaltig produzieren

Neben den gängigen Nachhaltigkeitskriterien – zum Beispiel bei elektrischen Geräten auf einen niedrigen Verbrauch zu achten –, bergen gerade Herstellung und Rohstoff-gewinnung entlang internationaler Lieferketten große Risiken bei Produkten, die Städte und Gemeinden einkaufen.

So kommt es in vielen sogenannten sensiblen Produktgruppen – auch schon während des Herstellungsprozesses – zu Umweltverschmutzung oder zur Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten. Dazu gehören Textilien, landwirtschaftliche Produkte wie Lebensmittel oder Holz, Spielwaren und Sportgeräte, Natursteine und IT-Produkte.

Werden dagegen soziale und ökologische Kriterien beim Einkauf berücksichtigt, führt dies zu einer Steigerung der Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Dies stärkt Hersteller, die bereits nachweislich unter besseren Bedingungen produzieren, und schafft Anreize für alle Händler und Hersteller, Arbeits- und Umweltschutz bei ihrem eigenen Einkauf oder der Produktion zu berücksichtigen. Auf diese Weise wirkt die öffentliche Nachfrage wie ein Hebel, der das Potential hat, den Markt zu lenken und damit zu besseren Produktionsweisen beizutragen.

Ökologische und soziale Kriterien

Anders als private Unternehmen oder Endverbraucherinnen und -verbaucher müssen sich Kommunen als öffentliche Auftraggeber an das Vergaberecht halten und vor allem für einen fairen Wettbewerb sorgen. Mittlerweile steht ein fairer Wettbewerb aber sozialen sowie ökologischen Anforderungen nicht mehr im Weg.

Veränderte Regulierungen der Europäischen Union und das reformierte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ermöglichen die Einbeziehung von sozialen, ökologischen und innovativen Kriterien in allen Phasen der Beschaffung. Viele Landesvergabegesetze gehen sogar einen Schritt weiter und machen zum Beispiel die Einhaltung der Internationalen Kernarbeitsnormen zur verpflichtenden Bedingung für öffentliche Ausschreibungen.

Die rechtliche Freiheit, Nachhaltigkeitskriterien im unterschwelligen und oberschwelligen Bereich des Vergaberechts zu berücksichtigen, beantwortet aber noch nicht die Frage der konkreten Umsetzung.

Politischer Auftrag zur nachhaltigen Beschaffung

Viele Kommunen erlassen Ratsbeschlüsse, mit denen sie sich zu einer nachhaltigen Beschaffung verpflichten. Dadurch gibt es einen politischen Auftrag und auch politischen Rückhalt, wenn es um die Umsetzung geht. Eine entsprechende Vergabeordnung kann zudem in dezentral organisierten Beschaffungsstrukturen für die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in kommunale Ausschreibungen sorgen.

Mit oder ohne Ratsbeschlüsse können viele Produkte recht unkompliziert und oft kostenneutral nachhaltiger eingekauft werden. Ökologisch angebauter und fair gehandelter Kaffee ist zwar fast immer teurer als ein konventionelles Produkt. Aber gerade bei komplexeren Gütern muss Nachhaltigkeit nicht immer zu höheren Ausgaben führen.

Kommunale Pilotprojekte wie die Ausschreibung von öko-fairer Arbeitsbekleidung und Brandschutzbekleidung zum Beispiel durch die Stadt Bonn weisen keine oder nur geringe Mehrkosten auf.

Siegel und Gütezeichen

Einer der einfachsten Wege führt dabei über Gütezeichen, von denen die Einhaltung bestimmter Standards bei der Herstellung von Produkten garantiert wird. Die Vorteile sind dabei die eindeutige Auflistung der Standards und die Kontrolle durch unabhängige Dritte.

Orientierung bietet die Plattform www.siegelklarheit.de, auf der Informationen zu Nachhaltigkeitskriterien und deren Nachweise zu finden sind. Für nachhaltige Büromaterialien gibt es zum Beispiel den Blauen Engel und das FSC-Siegel, für nachhaltige Textilien das GOTS-Siegel.

Dort wo der Markt noch keine oder kaum nachhaltige Alternativen zur Verfügung stellt, ist es sinnvoll, potenzielle Bieter auf die nachhaltige Ausrichtung der eigenen Beschaffung hinzuweisen und mit ihnen in den Austausch über Möglichkeiten und Hindernisse für die Bereitstellung nachhaltiger Produkte zu treten.

Dies kann auch in organisierter Form über Bieterdialoge erfolgen, die oft zur Vorbereitung von größeren Ausschreibungen mit neuen Nachhaltigkeitskriterien durchgeführt werden.

Mit potenziellen Anbietern frühzeitig den Dialog suchen

Nicht jede Kommune muss dabei das Rad neu erfinden. Erste Schritte lassen sich ganz einfach auf der Grundlage bereits bestehender Ausschreibungen machen. Um schnell Erfolge zu erzielen und Erfahrungen mit nachhaltiger Beschaffung zu sammeln, empfiehlt es sich, die nächsten größeren Ausschreibungen auf sensible Produktgruppen hin zu untersuchen.

Durch eine kurze Marktrecherche kann festgestellt werden, ob es bereits passende Gütezeichen gibt und ebenso genügend Anbieter am Markt. Über die Plattform www.kompass-nachhaltigkeit.de können allgemeine Informationen und Fallbeispiele zur rechtskonformen Anwendung von zielführenden Nachhaltigkeitsstandards herausgesucht und auch gleich Beispielfirmen identifiziert werden.

Zudem gibt es zahlreiche Unterstützungsangebote von Seiten des Bundes, des Umweltbundesamts, der Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Auch Nichtregierungsorganisationen wie Femnet, Südwind oder die CIR können dabei helfen, erfolgreich nachhaltig zu beschaffen. Tim Stoffel

Der Autor: Tim Stoffel ist Experte für nachhaltige öffentliche Beschaffung und Geschäftsführer für Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Bonn.