Nachhaltig beschaffen

Unter welchen Umständen werden Dinge des kommunalen Bedarfs produziert? Darauf können Städte und Gemeinden mit ihren Ausschreibungen Einfluss nehmen. Foto: Adobe Stock/Dominique VERNIER

Auf welche ökologischen und sozialen Kriterien sollten Kommunen beim Bezug von Waren und Dienstleistungen achten? Ein erster Schritt ist die Festlegung von Mindestkriterien. Hilfestellung bietet der Kompass Nachhaltigkeit.

Kommunen rücken als Akteurinnen für die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung weltweit in den Fokus des Handelns. Sie sind essenziell, wenn es darum geht, Globalisierung nachhaltig und fair zu gestalten. Die kommunale Beschaffung bietet den Städten, Gemeinden und Landkreisen ein wirksames Instrument, um Nachhaltigkeit in der Kommune und darüber hinaus zu fördern.

Durch gezielte Nachfrage nachhaltiger Waren und Dienstleistungen können Kommunen das Angebot an sozial verantwortlich und ökologisch hergestellten Produkten erhöhen. Das jährliche öffentliche Beschaffungsvolumen beträgt geschätzt etwa 500 Milliarden Euro, wovon die Kommunen einen erheblichen Teil verausgaben. Diese beträchtliche Marktmacht zeigt, dass die nachhaltige Beschaffung tatsächlich einen Unterschied machen kann und die Kommunen eine besondere Verantwortung haben.

Sozial, nachhaltig, innovativ

Wie kann eine Kommune sichergehen, dass sie keine Produkte beschafft, bei deren Herstellung grundlegende Arbeits- und Menschenrechte verletzt wurden? Ein erster Schritt ist die Festlegung von Mindestkriterien und die Kontrolle ihrer Einhaltung. Obwohl immer mehr Kommunen soziale Kriterien in ihre Ausschreibungen einbeziehen, gibt es diesbezüglich vielerorts noch Unsicherheiten und Vorbehalte. Als Argumente gegen eine faire Beschaffung werden beispielsweise rechtliche Unsicherheiten, die Verfügbarkeit der Produkte oder der Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung aufgeführt.

Die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards werden immer noch als „vergabefremde Kriterien“ bezeichnet, obwohl die EU-Vergaberichtlinien von 2014 dafür eine ausdrückliche Erlaubnis geben. Diese wurden 2016 auch in das bundesweite Vergaberecht übernommen (§97 Abs. 3 GWB): „Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.“

Nachhaltigkeitskriterien können also genauso wie Qualitätskriterien entscheidend für die Zuschlagsvergabe sein – solange die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechtes eingehalten werden. In diesem Zusammenhang wird oft gefragt, ob die Entscheidung für eine nachhaltige Option nicht gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoßen würde, wenn andere Marktteilnehmer die gewünschten Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten. Da Wirtschaftlichkeit jedoch Preis und Leistung in Relation setzt, kann ein teureres Produkt wirtschaftlicher als ein günstigeres sein, wenn Nachhaltigkeits- und Qualitätskriterien oder Lebenszeitkosten berücksichtigt werden.

Breites Angebot an zertifizierten Produkten

Grundsätzlich ist der Preis fair beschaffter Produkte nicht unbedingt höher als bei herkömmlichen Produkten und von der Produktgruppe abhängig. Preissteigerungen sind etwa bei Textilien nicht zwangsläufig zu erwarten, wenn gleichzeitig auch andere Qualitätskriterien berücksichtigt werden.

Bei Agrarprodukten und Lebensmitteln sind aufgrund niedriger Bestellmengen leichte Preissteigerungen für die Auftraggeber meist hinnehmbar. Auch hier geht die Berücksichtigung sozialer Kriterien oft mit einer höheren Qualität der Produkte einher. Mit höheren Preisen kann allerdings bei anderen Produktgruppen wie etwa zertifizierten Natursteinen gerechnet werden. Im Gegenzug erhält die Kommune jedoch im Zuge der nachhaltigen Beschaffung Waren, die nicht in ausbeuterischen Verhältnissen produziert wurden.

Die Marktverfügbarkeit fair gehandelter Waren hängt von der Produktgruppe ab und stellt in vielen Bereichen heutzutage kein Problem mehr dar. Für Textilien, Natursteine, Sportbälle und Agrarprodukte gibt es ein breites Angebot an zertifizierten Produkten. Auch die Märkte der Produktgruppen Holz und IT passen sich kontinuierlich an die gesteigerte Nachfrage an.

Bieterdialoge als Vorbereitung von Ausschreibungen

Immer mehr Kommunen, wie beispielsweise Berlin und Bremen, setzen in Vorbereitung von Ausschreibungen auf Bieterdialoge. Diese helfen den Kommunen, realistisch einzuschätzen, welche Anforderungen sie in Vergaben mit Blick auf das Marktangebot stellen können. Gleichzeitig erfahren die Anbieter auf diese Weise, wie sie den wachsenden Ansprüchen der Kommune gerecht werden können

Es gibt bereits zahlreiche Beispiele für Vergaben, in denen nachhaltige Kriterien erfolgreich berücksichtigt wurden. Der Kompass Nachhaltigkeit – ein Kooperationsprojekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global – stellt eine umfangreiche Sammlung an Praxisbeispielen zur Verfügung.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten für die Umstellung auf nachhaltige Beschaffung. Kommunen können beispielsweise auf Expertise aus der Zivilgesellschaft zurückgreifen oder die umfangreichen Angebote der SKEW nutzen, die allen deutschen Kommunen kostenfrei angeboten werden. Belohnt werden Kommunen durch qualitativ hochwertige Produkte und ein modernisiertes, effizientes und nachhaltiges Beschaffungswesen. Karna Wegner

Die Autorin: Karna Wegner ist Projektleiterin bei der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global in Bonn.