Mobilitätswende durch mehr Radverkehr

Es gibt noch viel zu tun: Sicheres und entspanntes Radfahren hat in vielen Städten Seltenheitswert. Foto: Adobe Stock/VTT Studio

Die Transformation kommunaler Verkehrssysteme ist überfällig, kommt aber nur schleppend voran. Ein Difu-Forschungsprojekt zeigt, was helfen könnte: Nicht (nur) mehr Geld und Personal, vielmehr andere Abläufe in den Verwaltungen.

Die Transformation kommunaler Verkehrssysteme ist überfällig. Zwischen den Anforderungen von Klimaschutz und Klimaanpassung und dem Wunsch der Menschen nach lebenswerten Städten stehen die Kommunen vor der großen Herausforderung, ihre Ziele und Strategien für eine Verkehrswende schneller umsetzen zu müssen.

Der oft berechtigte Ruf vieler Kommunen nach mehr Geld und Personal greift an dieser Stelle jedoch zu kurz. Um Veränderungen zu beschleunigen, braucht es vor allem agilere Abläufe und schlankere Strukturen in den kommunalen Verwaltungen. Sie sind die zentralen Orte der Veränderung, der „Maschinenraum“ der Verkehrswende.

Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) untersucht in einem Forschungsprojekt, was genau die Umsetzung der Radverkehrspolitik hemmt. Zum einen sind es übergeordnete Rahmenbedingungen: veraltete Gesetze, Regelwerke und Richtlinien. Zum anderen gibt es Hemmnisse, die in den Städten und Gemeinden liegen – bei Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft.

Agile Vorgehensweisen und schlankere Strukturen etablieren

Es sind starre Verwaltungsstrukturen, die einer schnellen Umsetzung von Radverkehrs-maßnahmen gegenüberstehen – für mehr Tempo müssen sich Kommunalverwaltungen neu aufstellen. Dies kann durch agile Vorgehensweisen, schlanke Strukturen und eine neue Verwaltungskultur gelingen, auch wenn Planungsvorhaben zum Radverkehr meist nicht nur ambitioniert sind, sondern auch komplex und konfliktträchtig.

Um Vorhaben transparent und schnell umzusetzen, sind daher die einzelnen Vorgehens-schritte eindeutig festzulegen und Verantwortlichkeiten klar zu benennen: Das ermöglicht fundierte Kritik und passendes Nachjustieren. Auch starre Arbeitsroutinen in Kommunal-verwaltungen bremsen – agiler wird es dagegen durch gemeinsame Projektrunden und ein Projektmanagement, das auch digitale Planungsdaten nutzt. Kollaborationstools erleichtern die Kommunikation und beschleunigen Abstimmungsverfahren, nach innen wie nach außen.

Optimierungspotenzial liegt zudem in einer verbesserten Zusammenarbeit, beispielsweise durch eine enge Verknüpfung von planender und anordnender Behörde: wenn etwa klassische Verkehrs- und Tiefbauämter zu Mobilitätsämtern umgestaltet werden, wie dies beispielsweise in Darmstadt oder Rostock der Fall ist. Die Einrichtung einer Stabstelle mit klarer Koordinations- und Entscheidungskompetenz ist eine weitere Möglichkeit. Grundsätzlich sollte die Anzahl der Schnittstellen so gering wie möglich sein.

Das Beste aus beiden Welten verknüpfen

Im Rahmen unseres Projektes zeigt sich: Diese Veränderungen müssen Chefsache sein – und sich zugleich durch alle Hierarchieebenen ziehen. Die Verwaltungsleitung sollte klare und begründete Entscheidungen treffen, wenn fachliche Konflikte zwischen tradierter Kfz-orientierter Planung und den gewünschten neuen Planungsprioritäten bestehen.

Der Bedeutungsgewinn für den Radverkehr geht in vielen „Radentscheid-Städten“ mit mehr Personal einher. Dabei sind gute Onboardingprozesse, Wissensmanagement und Weiterbildungsangebote zentral. Denn mit neuem Personal treffen neue Ideen und Arbeitsweisen auf langjährige Routinen. Hier gilt es, verwaltungsintern das Beste „aus beiden Welten“ zu verknüpfen.

Dafür braucht die Verwaltung Unterstützung von der Kommunalpolitik. Sie muss verlässlich und mutig sein, beschlossene Strategien und Maßnahmen mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen hinterlegen. Kommt es bei der Umsetzung zu Gegenwind, ist es wichtig, Entscheidungen selbstbewusst zu vertreten und an den demokratisch vereinbarten Prioritäten, Zielen und Maßnahmen festzuhalten.

Vorwärts geht es nur gemeinsam

Initiativen haben in vielen Kommunen Radverkehr und nachhaltige Mobilität auf die Agenda gebracht. Nach erfolgreicher Kampagne treffen ambitionierte Ziele nun auf eine oft schwerfällige Praxis. Die Initiativen sollten hier eine neue Rolle finden: Sie könnten als Scharnier zwischen Politik, Verwaltung und der Stadtgesellschaft die Umsetzung der beschlossenen Ziele kritisch und konstruktiv begleiten.

Der bisweilen weiterhin benötigte öffentliche Druck sollte zielgerichtet ausgeübt werden. Außerdem sollte – auch bei berechtigter Ungeduld – Verständnis für Abläufe im Verwaltungshandeln aufgebracht werden.

Eine mutige Politik, die der Verwaltung den Rücken stärkt, eine handlungsfreudige agile Verwaltung, eine kritische und zugleich kooperative Zivilgesellschaft, die mitzieht: So könnte ein erfolgreicher Verkehrswende-Dreischritt aussehen, der beim Umsetzen Tempo macht. Anne Klein-Hitpaß und Thomas Stein

Die Autoren: Anne Klein-Hitpaß leitet den Forschungsbereich „Mobilität“ am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Thomas Stein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter.