Mit Pointen clever punkten

Was belebt eine Präsentation mehr oder macht einen Vortrag eindrücklicher als eine gute Prise Humor? In diesem Sinn gekonnt auftreten, lässt sich üben. Und das Beste: Der Alltag selbst ist voller lustiger Ereignisse und damit eine unerschöpfliche Quelle von Pointen. Die Devise lautet: Augen und Ohren auf!

Oft stehen wir im beruflichen Alltag vor der Herausforderung, Inhalte sprachlich spannend zu vermitteln. Was tun, um ein fachlich wichtiges und manchmal trockenes Thema raffiniert einzuleiten, witzig zu ergänzen sowie kreativ zu präsentieren? Das alles soll stilvoll wirken und der Bezug zum Thema natürlich vorhanden sein. Zugegeben, keine leichte Aufgabe! Doch wenn Humor als Unterstützung und nicht zum Selbstzweck dient, kann es mit etwas Übung gelingen, mit treffenden und zugleich locker dargebotenen Pointen bei Zuhörern zu punkten.

Eine Pointe ist, einfach ausgedrückt, eine „unerwartete Wendung“. Eine gute Pointe ist, bildlich gesprochen, so, als wenn wir mit einem Auto auf gerader Strecke fahren und plötzlich eine 90-Grad-Kurve kommt. Die bunte Vielfalt des Alltags ist eine wahre Fundgrube für Pointen. Leuten mit Humor sagt man eine gute Beobachtungsgabe nach. So gesehen, ist Beobachten die zentrale Fähigkeit eines Pointen-Setzers, wie folgende drei Werkzeuge zum Punkten mit Pointen zeigen:

Das Typische einbauen

Was sieht und hört man nicht alles am Straßenrand, im Restaurant, in der Straßenbahn oder im Shopping-Center! Versuchen Sie einmal zu entdecken, was vielleicht typisch für ein Einkaufszentrum ist. Hinterfragen Sie dann das Gesehene und Gehörte auf das „Typische“ hin und erzählen Sie die Geschichte einschließlich Ihrer Gedanken locker in der Ich-Form – und schon haben Sie die erste Kurzstory mit einer Das-ist-typisch (DIT)-Pointe.

Neulich auf dem Postamt: Ich gab eine Buchsendung mit Empfänger im Ausland auf. Korrekterweise musste die Schaltermitarbeiterin jetzt eine kleine Zolldeklaration mit Inhaltsangabe ausfüllen. Ich legte ihr die Sendung auf die Schalterplatte. „Hat’s da was drin?“, fragte mich die Mitarbeiterin. „Ja, ausnahmsweise“, meinte ich für mich. „Denn sonst sende ich ja ausschließlich leere Umschläge ins Ausland.“

Sie erzählen die Geschichte, bringen das „Typische“ auf den Tisch – sie fragt nämlich immer: „Hat’s da was drin?“ – und schieben Ihre Gedanken nach. Diese haben den Zweck, dass sich der Zuhörer des „Typischen“ bewusst wird, sich auch etwas ertappt fühlt – und genau das ist die Pointe. Jetzt nur noch den Bezug herstellen, und schon haben Sie die Story in den Kontext gesetzt und arbeiten mit dem Überraschungsmoment, der jeder Pointe innewohnt.

Irritation durch Kontextveränderung

Eine Mikro-Theaterszene: Romeo fragt, „Julia, was machst du auf dem Balkon?“ – Julia zu Romeo: „Was wohl? Drinnen ist Rauchverbot!“ Bei aller Heiterkeit und für alle, die literarisch nicht so sattelfest sind: So hat sich der Dialog im Original definitiv nicht abgespielt. Wir hören Romeo und Julia und denken an das Liebesdrama. Eine Kontextveränderung hat stattgefunden, ohne dass der Zuhörer das wusste. Das ist die Irritation-durch-unangekündigt-Kontext-verändert (IDUKV)-Pointe. Um eine Geschichte zu begreifen, braucht es Informationen. Oder wir setzen einen Kontextwechsel ein, um zum Denken anzuregen. Wir belassen den Dialog, ändern aber den Raum. Und schon gibt es eine andere Geschichte.

Ein zweites Beispiel eines Dialogs der Weltgeschichte: Adam: „Eva-a-a – liebst du mich noch?“ – Eva: „Ja, wen denn sonst?“ Was ist daran absurd? Die Betonung liegt auf „mich“ statt auf „noch“. Im vorhandenen Kontext, sprich Paradies, mit nur diesen beiden Menschen, ergibt „mich“ überhaupt keinen Sinn, „noch“ würde genügen. Die Frage könnte nur lauten: Liebst du mich?

Dialoge und Kommunikation ergeben nur dann einen Sinn, wenn beide Gesprächspartner im gleichen Kontext sind und vom Gleichen reden.

Massive Übertreibung

Ich erhalte einen Werbeanruf. Geschickt leitet der Anrufer ein: „Möchten Sie beim Telefonieren auch Geld sparen?“ – „Nein.“ Der gewiefte Call-Agent meint dann mit gespieltem Interesse: „Warum nicht?“ Super! Jetzt kommt mein Part: „Wissen Sie, das ist jetzt gelebter Snobismus in epochaler Dekadenz. Wir haben zu Hause alles. Ein schönes Haus, einen prächtigen Garten, vier Autos, zwei Yachten, fünf Computer, da haben wir uns überlegt, was wir noch nicht haben? Klar, wir leisten uns jetzt einfach den teuersten Telefonanbieter!“

Warum soll das lustig sein? Die Pointe ist, dass die Geschichte derart übertrieben ist, dass wohl jedem klar wird, dass sie nicht stimmen kann. Sie bringen die Geschichte aber mit höchstmöglicher Glaubwürdigkeit vor. Hier entsteht die Spannung des Absurden. Tiefernst die Stimmlage, maßlos übertrieben der Inhalt. So funktioniert die Massiv-übertriebene (MÜT)-Pointe.

Auf das Timing kommt’s an

Trainieren Sie Ihr Humorgefühl täglich, indem sie das alltägliche Geschehen kreativ hinterfragen. Überlegen Sie, was Sie in Situationen humorvoll finden. Stehen Sie im Stau, lesen Sie die Aufschrift eines Lkw und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf, bis Ihnen dazu etwas Witziges in den Sinn kommt.

Packen Sie ein paar Pointen in Ihren Vortrag hinein. Nicht zu viele, sonst verkrampfen Sie. Den Rest lassen Sie, wie er ist. Bauen Sie in zwei Ihrer fünf Thesen humoristische Gedanken ein und setzen eine solide Schlusspointe. Dann analysieren Sie: Hat es funktioniert? Wenn nicht, was könnten die Gründe sein? War ich selbst zu wenig überzeugt davon? War ich abgelenkt? Habe ich an die Lacher und nicht an die Story gedacht? War mein Timing richtig?

Diese Fragen bezeichnen zugleich die häufigsten Gründe, warum eine Pointe nicht wirkt. Grundsätzlich ist das nichts Schlimmes. Es muss und kann nicht immer lustig sein. Zu viele Parameter können Sie nicht beeinflussen. Entscheidend ist das Timing. Es kommt auf Sekundenbruchteile an. Das kann man nicht trainieren, man muss es einfach machen.

Eine Pointe eine halbe Sekunde zu spät ist nicht lustig, weil alle den Ausgang schon erahnt haben. Eine Pointe zu früh heißt, die Zuhörer haben Ihre Gedanken vielleicht nicht mitspinnen können. Wenn Sie wissen, was ankommt und was nicht, können Sie weitere Pointen und Gags einbauen. Immer mindestens zwei Drittel, die sicher „gehen“, und ein Drittel als Versuch von etwas Neuem. So bauen Sie Ihr Repertoire aus, ohne dass das Ganze sprichwörtlich in die Hose geht.

Ach ja … einen hab ich noch: Beginnen Sie nicht, Witze zu erzählen. Lassen Sie Pointen entstehen und bauen Sie sie selbst. Eigene Gags sind überzeugender. Witze sind Konserven, vielleicht besser als gar nichts, aber die Gefahr einer Publikumsreaktion wie „Den kenn ich“ ist groß. Schaffen Sie Neues.

Vielleicht verwenden Sie bekannte Zitate erstmals in einem neuen Kontext. Die wirken auch wie Pointen. Schaffen Sie Ihre Marke, Ihren typischen Humor. Denn wie der deutsche Journalist und Kritiker Juda Löb Baruch (1786–1837) sagte: „Der Humor ist keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des Herzens.“

Stefan Häseli

Der Autor
Stefan Häseli, Gossau (Schweiz), ist Redner und Autor zu Themen der Kommunikation