Infektionsschutz: Mit Licht Viren bekämpfen

Blaulicht ist in der Lage, Bakterien, Pilze und Viren zu vernichten. Ein Handlaufsystem mit integriertem Blaulicht könnte herkömmliche Hygienemittel ersetzen. Foto: Adobe Stock/Happyphotons

Um Ansteckungen zu verhindern, befindet sich aktuell in so gut wie jedem öffentlichen Gebäude ein Desinfektionsmittelspender. Eine umweltfreundlichere Alternative könnte blaues LED-Licht sein.

Natürliches Blaulicht im Wellenlängenbereich von 400 bis 450 Nanometer kann bakterielle Erreger wirkungsvoll abtöten. Das funktioniert über Absorption des Lichts durch Biomoleküle, die sogenannten Porphyrine, die in lebenden Zellen allgegenwärtig sind. Bei Anwesenheit von Sauerstoff bilden die energetisch angeregten Moleküle in einer chemischen Reaktion Sauerstoffradikale, die aufgrund ihrer hohen Reaktivität zu extremen Zellschäden, der Verhinderung der Vermehrung oder unter bestimmten Umständen zur Abtötung der bakteriellen Erreger führen.
Blaulicht ist in der Lage, Bakterien, Pilze und auch Viren zu vernichten. Die Zeit und die Intensität der Beleuchtung oder Bestrahlung machen dabei die Dosis aus. Wie hoch diese Dosis sein muss, ist abhängig vom jeweiligen Erreger. Bei E-coli-Bakterien muss man beispielsweise die Hände nur eine Minute lang mit Blaulicht bestrahlen, um 99 Prozent der Bakterien auf den Händen zu vernichten. Wenn man Blaulicht mit UVB-Licht kombiniert, das eine Wellenlänge von 310 Nanometer hat, ist es sogar möglich, in menschlichen Zellen Vitamin D zu erzeugen. Dies stärkt die Immunabwehr des Körpers.

Für Mensch unbedenklich

Für den Prozess der Blaulichtdesinfektion kommen als Lichtquelle energieeffiziente und kostengünstige Blaulicht-LEDs zum Einsatz. Der Vorteil von blauem Licht: Es ist für menschliche Haut, Augen sowie Materialien und Lebensmittel weitgehend unbedenklich. Für UVC-Strahlung, die im Bereich der Keimabtötung seit langem etabliert ist, gilt das nicht. Mit blauem Licht sind daher völlig neue Desinfektionsverfahren möglich.
Blaulichtanwendungen sind an sich nichts Neues. Die Wirkung ist bereits seit rund 20 Jahren bekannt. Vor zehn Jahren stieß die Bundesregierung unter dem Motto „Saubere Hände” Forschungen zum Thema Blaulichtanwendungen an. Dieser Ansatz wurde anschließend jedoch nicht weiter verfolgt – bis vor kurzem.
Die GMBU engagiert sich gemeinsam mit ihren Industriepartnern seit mehreren Jahren in der Entwicklung von Technologien zur Blaulichtdesinfektion sowie von Produkten hieraus. Beispiele für diese Produkte sind ein Hygienesiphon, ein Handlaufsystem mit aktiver Desinfektion, das an Türgriffen in öffentlichen Gebäuden angebracht werden kann, sowie ein neuartiges Handdesinfektionsverfahren. Der Einsatz im Bereich der Lebensmitteltechnologie wird aktuell erforscht.

Schonend für die Umwelt

Die blaulichtbasierte Keimreduktion ist auch deshalb von Interesse, da sie ohne Zusatzstoffe arbeitet. Das verhindert eine Umweltbelastung, wie es bei herkömmlichem Desinfektionsmittel der Fall ist. So kann in Zukunft die Haltbarkeit von Lebensmitteln verbessert werden, ohne die Qualität zu beeinflussen oder unerwünschte Konservierungsstoffe zu verwenden. Blaues Licht ist zudem in der Medizintechnik eine potente Möglichkeit bei der Behandlung von antibiotikaresistenten Keimen.
Das Anwendungspotenzial von blauen LEDs ist also längst noch nicht ausgeschöpft. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Projekt finanziell im Rahmen des zentralen Innovationsprogrammes für den Mittelstand (ZIM). Mit dieser Unterstützung wurden bisher vier Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ermöglicht. Erste Produkte stehen aktuell bereits kurz vor der Markteinführung. Ein Prototyp des Hygienesiphons, den die Forscher der GMBU in Zusammenarbeit mit der Firma Purion aus Zella-Mehlis in Thüringen entwickelt haben, war bereits auf der Hygienemesse Pro-Vention in Erfurt im Juli 2020 zu sehen.
Blaulicht umfasst generell ein Wellenlängenspektrum von 400 bis 470 Nanometer. Verschiedene Studien, die bisher in Krankenhäusern durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass Blaulicht bei einer Wellenlänge von 405 Nanometer besonders effektiv ist. Grundsätzlich ist aber jede Art von blauem Licht zum Desinfizieren geeignet. Weil Blaulicht für die Haut weitestgehend unbedenklich ist, kann man so auch direkt Wunden desinfizieren – ohne dabei die Haut zu schädigen. Auf lange Sicht kann blaues Licht allerdings die Augen schädigen. Die Untersuchungen der GMBU zu den Auswirkungen von Blaulicht auf die menschliche Haut beginnen aber gerade erst richtig.

Die Autorin: Dr. Sabine Nieland arbeitet bei der Gesellschaft zur Förderung von Medizin-, Bio- und Umwelttechnologien e.V. (GMBU) in der Fachsektion Photonik 
in Jena.