Es geht um sehr viel mehr als „nur“ um Technik: Smart Cities orientieren sich an einem Leitbild mit Werten wie Gemeinwohl, Resilienz, Nachhaltigkeit und Teilhabe, so das Bundesbauministerium. Die Förderung kommunaler Modellprojekte spielt deshalb eine wichtige Rolle.
Aktuell stehen Kommunen vor großen Herausforderungen: In vielen Metropolen und wirtschaftsstarken Regionen ist bezahlbarer Wohnraum knapp, auf dem Land mangelt es in Teilen an einer ausreichenden Versorgung mit Ärzten, Schulen oder Mobilitäts-angeboten – und überall werden die Folgen des Klimawandels, der Energiekrise und des demografischen Wandels spürbar.
Digitalisierung kann die Kommunen bei der Bewältigung, Adaption und Prävention von Veränderungen und Krisen unterstützen. Wir verstehen „Smart City“ daher als einen Handlungsansatz, der sich an den Bedarfen der Menschen orientiert und dafür die Chancen der digitalen Transformation nutzt.
Dazu gehören Instrumente und neue Verfahren im Rahmen der digitalen Daseins-vorsorge, beispielsweise in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Energieversorgung, Gesundheit, Bildung oder in Katastrophenschutz und -vorsorge. Aber zum Beispiel auch der Einsatz besserer Prognose- beziehungsweise Foresight-Methoden, etwa zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels.
Modellprojekte Smart Cities
Um die Handlungsfähigkeit der Städte, Kreise und Gemeinden in Deutschland zu stärken, fördert das Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) derzeit 73 Kommunen als Modellprojekte Smart Cities. Diese Modellprojekte erproben strategische, integrierte Smart-City-Ansätze, die so verschieden und divers sind wie die Kommunen selbst – klein, groß, ländlich, urban. Die erprobten Modelllösungen sollen später skalier- und übertragbar sein, damit alle Kommunen bundesweit die Ergebnisse nutzen können und das Programm einen Mehrwert für alle entfaltet.
Die Erkenntnisse aus den Modellprojekten Smart Cities sind von Nutzen für Kommunen, die sich mit der Energie- und Klimakrise auseinandersetzen, mit abnehmender oder stark zunehmender Einwohnerzahl, mit dem Druck derjenigen, denen es mit der Moderni-sierung nicht schnell genug geht, und den anderen, die fürchten, gerade dadurch noch mehr abgehängt zu werden.
Die vielversprechendsten Smart-City-Aktivitäten zielen auf alltagsnahe und pragmatische Lösungen. Ein gutes Beispiel hierfür sind sogenannte Digitale Zwillinge, an deren Entwicklung viele Städte, Gemeinden und Kreise arbeiten. Digitale Zwillinge sind virtuelle Kopien physischer Objekte. Übertragen auf Smart Cities werden sie zu realitätsnahen, digitalen Abbildern einer Stadt. Dadurch ermöglichen sie „Was-Wäre-Wenn-Szenarien“ mit 3D-Stadtmodellen.
Digital das Analoge meistern
Mit Digitalen Zwillingen lassen sich stadtentwicklungspolitische Fragestellungen und die Wirkungen möglicher Antworten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und darstellen: Wo drohen bei Starkregen Überschwemmungen und wie können diese vermieden werden? Wo sollten Bäume gepflanzt werden, um das Stadtklima besonders im Hochsommer zu verbessern?
Im Projekt „Connected Urban Twins“ arbeitet eine Entwicklungsgemeinschaft der Modellkommunen Hamburg, Leipzig und München zusammen. Das Projekt zeigt beispielhaft, wie ein komplexes „System Stadt“ digital nachgebaut werden kann und verbesserte Planungsprozesse ermöglicht. Und es zeigt, wie eine interkommunale Zusammenarbeit durch Modellierungs- und Visualisierungskompetenzen gut funktioniert.
Smart Cities sind auch ein Thema für ländliche Regionen, die einerseits von mehr Bürgernähe profitieren können, andererseits ebenfalls individuelle Lösungen brauchen: für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels, mit veränderten Altersstrukturen, einem Personal-und Fachkräftemangel oder mit einem speziellen Bedarf bei Mobilitäts- oder Nahversorgungskonzepten.
In Zwönitz in Sachsen gibt es zum Beispiel das ERZmobil, eine Mischung aus digital gemanagtem Ruf-Bus und Anrufsammeltaxi. Die Gemeinde Eichenzell in Hessen hat die offene Funktechnologie LoRaWAN aufgebaut, um Daten von Sensoren energieeffizient und weiträumig übertragen zu können.
Innovation und Flexibilität statt Schema F
Oft arbeiten die Amtsträger ehrenamtlich oder können nur begrenzt auf ausgebaute IT-Infrastrukturen oder eine digitale Verwaltung zurückgreifen. Umso wichtiger sind hier die Vernetzung lokaler und regionaler Akteure und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Werkzeugen. Dafür sind alle Akteure frühzeitig mit einzubeziehen und zu motivieren, strategische Ziele und Leitbilder eigenständig zu kommunizieren.
Erfolgreiche Smart Cities stärken die Kompetenzen der Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Systemen und in der Arbeit in interdisziplinären Teams. In jedem Falle ist klar: Die Herausforderungen der Zukunft verlangen von uns neue Strategien, neue Fähigkeiten, Infrastrukturen und neue Formen der Zusammenarbeit – und Flexibilität.
Mit unseren Aktivitäten wollen wir im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in den kommenden Jahren dazu beitragen, die Kompetenzen in den Kommunen zu stärken. Wir wollen gemeinsame Ziele entwickeln und zukunftsfähige, werteorientierte Zielbilder für die Smart City. So soll eine vernetzte Wissens- und Handlungsgemeinschaft entstehen, eine Smart-City-Community, die ihre Ideen zu intelligenten, smarten Lösungen teilt, in einem selbstlernenden Innovationssystem.
Mit dieser Strategie stellen wir sicher, dass wir unsere gesteckten politischen Ziele erreichen: Das ist die Entwicklung innovativer, übertragbarer und machbarer digitaler Lösungen für stadtentwicklungspolitische Aufgaben. Ebenso der Transfer von praxiserprobten guten Lösungen, Modellen und Standards in alle Kommunen, um die Chancen der Digitalisierung gemeinwohlorientiert und nachhaltig zu nutzen. Sören Bartol
Der Autor: Sören Bartol ist Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.