Dicht bebaute Innenstädte sind laut. Schallharte Oberflächen prägen das Bild. Dieser Artikel in zwei Teilen zeigt auf, welchen Beitrag die akustische Bauplanung leisten kann und wie Architekturelemente zu einem Designmotor für die Gestaltung der leiseren Stadt werden.
Die Silhouetten der Ballungsräume werden heute charakterisiert durch eine hohe Dichte von Hochhausfassaden aus Glas, Metall oder Stein. Diese Hochhausdichte steht auf der einen Seite für Wirtschaftskraft, Wachstum und Arbeit. Auf der anderen Seite sind diese schallharten Fassadenflächen im Stadtraum verantwortlich für zunehmende Lärmpegel in deren direkter Umgebung.
In einer städtebaulichen Situation mit schallharten Fassadenflächen ist der Straßenverkehrslärm als häufigste innerstädtische Lärmquelle verstärkt wahrnehmbar. Der Direktschall und der an der Fassadenoberfläche reflektierende Schall addieren sich im Stadtraum. Über diesen Effekt der Pegelerhöhung durch Reflexion an schallharten Oberflächen wird in der Akustik schon länger geforscht. In der Architektur hingegen findet das Thema bisher keine Beachtung. Aber gerade die Verdichtungsprozesse in den stetig wachsenden Metropolen stellen die Architektur vor Aufgaben, die sie mithilfe ihrer eigenen Werkzeuge nicht lösen kann.
Da Nachverdichtungen in Metropolen in der Regel auf Flächen ehemaliger Industrie- und Gewerbenutzungen zurückgreifen, sind diese mit erhöhten Lärmemissionen der hochfrequentierten Infrastruktureinrichtungen behaftet. So ist zum Beispiel die ehemalige Bürostadt Niederrad in Frankfurt am Main von mehreren stark frequentierten Verkehrswegen umgeben. Die Verkehrslärmquellen Straße, Schiene und Fluglärm wirken aus verschiedenen Richtungen auf das Gebiet ein. Der für Ballungsräume typische Fluglärm verschärft die Lage zusätzlich.
Nicht überall gibt es eine ruhige Seite
In solchen Gebieten ist die Architektur mit ihren bisher bekannten Werkzeugen des Lärmschutzes am Ende. So ist das Prinzip der Anordnung der Schlafräume auf der ruhigen Seite eines Gebäudes nur möglich, wenn es eine ruhige Seite gibt. Oft kommt als einzige Möglichkeit der Einsatz von hoch schallgedämmten Fassaden und Fensterkonstruktionen in Betracht gezogen. Schalldichte Konstruktionen verhindern aber in der Regel den direkten Kontakt zum Außenbereich.
Dabei bestehen durchaus verschiedene Möglichkeiten, mit Architekturelementen den Lärmeintrag in den Stadtraum zu beeinflussen. Wie Messungen der Frankfurt University of Applied Sciences belegen, zieht zum Beispiel die Entfernung einer Hochhausfassade an bestimmten Stellen im Stadtraum eine Pegelreduzierung von bis zu 8 dB nach sich. Im umgekehrten Fall kann eine im Stadtraum ergänzte Fassade als zusätzliche Reflexionsfläche den Pegel aber auch entsprechend erhöhen.
Die Daten stammen aus Forschungen zur akustischen Qualität von Fassaden. Um die Wirkung des akustischen Reflektionsverhaltens von Fassaden im Stadtraum zu erfassen wurden in Kooperation mit dem Umweltamt der Stadt Frankfurt verschiedene Messungen durchgeführt. Vorbereitend wurden für ein ehemaliges Bürogebäudes in Frankfurt-Niederrad Fassaden-Designvarianten erarbeitet, die von einer ebenen, schallharten Oberfläche abweichende Geometrien und Strukturen bieten. Das 100 Meter lange, achtstöckige Gebäude ist fast lotrecht zur nahen Anflugroute auf den Frankfurter Flughafen ausgerichtet.
Gefaltete Glasflächen
Akustisch untersucht wurde dann unter anderem eine vorgehängte Struktur mit stockwerkshohen, gefalteten Glasflächen. Sie schafft eine größere Nutzfläche und beruhigt zugleich mit ihrer Geometrie durch Änderung der Schallreflexionsrichtung den Außenbereich. In einer zweiten Studie wurden absorbierende Strukturen und Materialien untersucht (s. Teil 2 dieses Beitrags).
Da es in den seltensten Fällen möglich sein wird, Fassadenalternativen direkt am Gebäude im Maßstab 1:1 zu testen, muss ein Modellverfahren für diesen Schritt eingesetzt werden. Mit der Methode der skalierten akustischen Messung lassen sich Modelle in den Maßstäben 1:10 bis hin zu 1:100 vermessen. Im konkreten Fall wurde die skalierte Messung in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BAST) durchgeführt.
Für den Maßstab 1:100 wird der Verkehrslärm mit einem Frequenzumfang von 100 Hz bis 2000 Hz für die Messung auf einen Frequenzumfang von 10.000 Hz bis 200.000 Hz skaliert. Die sich bewegende Lärmquelle des Flugzeugs wird im Labor durch einen sich bewegenden Druckluftschallerzeuger oder Hochfrequenzlautsprecher ersetzt.
Die Messungen ergaben, dass die gefaltete Fassade an vier Punkten den Pegel um bis zu 1,7 dB gegenüber der glatten Oberfläche reduziert. An zwei Messpunkten erhöht sich der Pegel hingegen um bis zu 0,9 dB. Für die Fassadenkonstruktion ist es daher zwingend, dass diese individuell auf die Orte mit definierter Außennutzung abgestimmt werden müssen.
Die Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Einzahlwerte nicht ausreichen, die akustische Wirkung einer Fassade zu beschreiben. Entscheidend für eine sinnvolle Wirkung der Fassade sind Pegeländerungen im Bereich des hochsensitiven Hörbereiches des Menschen von 500 Hz bis 4000 Hz.
Aus den Studien geht hervor, dass eine akustische Planung nur möglich ist, wenn für den Außenbereich eines Gebäudes besondere Anforderungen an die akustische Situation mit den Nutzungen zusammengebracht werden. Erst diese Definition von akustisch besonderen Orten macht eine Planung in Abhängigkeit der Richtung der Einwirkung von Lärmquellen möglich.
Holger Techen / Ulrich Knaack / Jochen Krimm
Die Autoren
Prof. Dr.-Ing. Holger Techen ist Professor für Tragwerkslehre und Baukonstruktion an der Frankfurt University of Applied Sciences, Ulrich Knaack ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Delft, Jochen Krimm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beider Universitäten
Weiterlesen: Im zweiten Teil dieses Beitrags über akustisch wirksame Fassaden erläutern die Autoren die reflexionsverändernden Effekte durch absorbierende Materialien und stark strukturierte Oberflächen.