LNG-Terminal in Brunsbüttel

Die Elbregion ist Urlaubsgebiet − Leuchtturmprojekte im Energie- und Industriesektor gibt es außerdem in Brunsbüttel. Foto: Adobe Stock/Frank

Aus Russland kommt deutlich weniger Gas, als geplant war und benötigt wird. Flüssiggas soll Lücken schließen – und dafür werden Terminals gebraucht. Zum Beispiel in Brunsbüttel: Bürgermeister Martin Schmedtje macht sich dafür stark.

Sturmerprobt ist man längst im hohen Norden: 1977 ging in Brunsbüttel das erste deutsche Kernkraftwerk in Betrieb. Bevor es 2011 stillgelegt wurde, brachten Proteste gegen Atomstrom die schleswig-holsteinische Kleinstadt mit 13.000 Einwohnern immer wieder in die überregionale Presse.

Inzwischen wird das Kraftwerk zurückgebaut – und aktuell ist immer mal wieder der Chemiepark in der Kritik, der sich weitgehend auf dem Gebiet der Stadt Brunsbüttel befindet: chemische Industrie mit sehr hohem Energiebedarf. Dazu kommen eine Sondermüllverbrennungsanlage und ein Zwischenlager für radioaktiven Abfall. Und jetzt ein LNG-Terminal.

Zwar schienen mit der Wahl des neuen Bundestags im September 2021 die Pläne für ein LNG-Terminal in weite Ferne gerückt zu sein. Seit Anfang des Jahres wird aber wieder mit Nachdruck daran gearbeitet. Und seit Russland Krieg gegen die Ukraine führt und Putin am Gashahn dreht, überschlagen sich die Ereignisse um das Flüssiggas geradezu.

LNG soll bei der Energieversorgung der nächsten Jahre helfen: Flüssiggas kann möglicherweise bis zu Zweidrittel der derzeitigen Erdgasimporte aus Russland ersetzen – und jetzt reisen selbst Reporterteams aus Kanada und den USA nach Brunsbüttel, um zu schauen, was sich hinterm Deich tut: Dort, wo das erste deutsche LNG-Terminal erstellt werden soll.

Bürgermeister Martin Schmedtje – im Amt seit Oktober 2018 – nimmt das alles norddeutsch gelassen. Mehr noch: Mit den aktuellen Entwicklungen rund um die Kleinstadt Brunsbüttel äußert er sich im Gespräch mit „der gemeinderat“ sehr zufrieden.

Strukturschwache Westküste Schleswig-Holstein war gestern: Das ist der Eindruck, den man bekommt, wenn Sie sich über die Region äußern. Sie sprechen sogar von Goldgräberstimmung. Was geschieht gerade bei Ihnen?

Martin Schmedtje: Tatsächlich bricht das alles nicht über Nacht über uns herein, sondern hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Brunsbüttel hat sehr lange mit dem Kernkraftwerk gelebt, kooperiert sehr gut mit dem Chemiepark und bereitet sich auf das LNG-Terminal vor. Zu uns kommen jetzt nicht nur Reporterteams von überallher, sondern zudem etliche Anfragen von Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen.

Was sagen die Bürgerinnen und Bürger über das, was gerade im Werden ist?

Schmedtje: Die meisten sind froh über die Entwicklungen und die gutbezahlten Jobs – Proteste halten sich im Rahmen.

Es gab sie aber.

Schmedtje: Daran waren vor allem Menschen aus anderen Regionen Deutschlands beteiligt. Zum Beispiel haben im August letzten Jahres 3000 Aktivisten der Organisation „Ende Gelände“ ein Klimacamp im Bürgerpark errichtet. Dazu kamen 1500 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet – und das bei nicht mal 13.000 Einwohnern. Zum Glück ist alles friedlich abgelaufen.

Aus Sicht der Aktivisten darf angesichts der Klimakrise nicht mehr in fossile Energie investiert werden, also auch nicht in LNG-Terminals.

Schmedtje: Ich kann die jungen Menschen sehr gut verstehen. Trotzdem benötigen wir diese Technologie übergangsweise, die Ukraine-Krise hat diese Sichtweise bestätigt. Für uns ist aber ebenso von großer Bedeutung, dass das LNG-Terminal zukünftig als Eingangstor für grünen Wasserstoff auf Ammoniakbasis umgerüstet werden soll, dass es also für eine zukunftstaugliche Technologie von Anfang an mitgedacht und mitgeplant wird. Grundsätzlich gilt aber für uns: Die Pläne für das LNG-Terminal werden von der Bundesregierung vorangetrieben, die auch die Hälfte der Investitionskosten von einer Milliarde Euro tragen wird. Das Land Schleswig-Holstein verantwortet den genehmigungs-technischen Anteil. Wir haben die Fläche, den Hafen und mit der Elbe den Transportweg.

Worauf konzentrieren Sie sich?

Schmedtje: Wir befinden uns im Wettbewerb mit anderen Städten und Häfen um die Ansiedlung von LNG-Terminals. Wir sind dafür sehr gut aufgestellt – durch unsere Lage: Brunsbüttel liegt an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe. Und mit unserem Hafen: Brunsbüttel Ports ist der bedeutendste Seehafen an der Westküste Schleswig-Holsteins.

Wie ist bei den Planungen für LNG der Stand der Dinge?

Schmedtje: Es soll ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren geben. Aktuell ist die Fertigstellung für 2025 geplant – und der Energiekonzern RWE arbeitet mit Hochdruck an einer Zwischenlösung: Voraussichtlich zum Beginn des Jahres 2023 kann ein mobiles LNG-Terminal auf einem Schiff im Hafen in Betrieb genommen werden, bis die Anlage an Land erstellt ist.

Interview: Sabine Schmidt

Zur Person: Martin Schmedtje (parteilos) ist Bürgermeister im schleswig-holsteinschen Brunsbüttel.

Foto: Stadt Brunsbüttel