Licht bietet Sicherheit und ist als jahrhundertealtes Kulturgut ein Wirtschaftsfaktor – zugleich schlagen Lichtverschmutzung, Stromkosten und CO2-Verbrauch zu Buch. Wie Kommunen mit den widersprüchlichen Anforderungen umgehen können, erläutert Lichtexperte Thomas Römhild.
Im ersten Halbjahr 2022 wurden Baudenkmäler in vielen Städten blau-gelb beleuchtet, um die Solidarität mit der Ukraine auszudrücken. Heute werden sie überhaupt nicht mehr beleuchtet, um deutlich zu machen, dass Energie gespart werden muss. In einer solchen von außen aufgezwungenen, nicht vorhersehbaren Situation ist es richtig, dass die Solidarität mit Menschen, die unter den hohen Energiepreisen leiden, auch durch eine eher symbolische Einsparmaßnahme ausgedrückt wird.
Dass Vertreter der Automobilindustrie bereits den autofreien Sonntag fordern, zeigt den Ernst der Lage. Es gilt: Energie sparen, wo immer es möglich ist, ohne das Funktionieren der Gesellschaft zu gefährden. Es ist daher durchaus vertretbar, für eine gewisse Zeit die öffentliche Beleuchtung dort einzuschränken, wo sie nicht sicherheitsrelevant ist. Insbesondere dann, wenn dies als ein symbolischer Akt verstanden wird, der die Ernsthaftigkeit der Aufforderung verdeutlichen soll, Energie zu sparen.
Doch der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt bereits: Festlich beleuchtete Innenstädte bedeuten Lebensqualität und sind ein Wirtschaftsfaktor. Im Gegensatz dazu aber hat die Deutsche Umwelthilfe nun dazu aufgerufen, auf die vorweihnachtliche Beleuchtung zu verzichten: Die Menschen sollten angesichts des Krieges in der Ukraine, der Energieknappheit, aber auch aus Gründen des Klimaschutzes endlich innehalten.
Öffentliche Beleuchtung gut planen
Licht im öffentlichen Raum ist kein Selbstzweck, sondern ein altes, notwendiges Kulturgut, das dazu beigetragen hat, Sicherheit und Ordnung, Mobilität und Lebensfreude während der Dunkelstunden zu ermöglich. Neben dem Sicherheitsgefühl ermöglicht die Beleuchtung die Orientierung im Stadtraum und macht ihn in seiner räumlichen Qualität erfahrbar.
Nicht zuletzt kann die Beleuchtung den öffentlichen Raum durch eine eigene Lichtatmosphäre prägen. Gerade in der Weihnachtszeit vermittelt eine gut geplante dekorative Beleuchtung eine positive, hoffnungsvolle Stimmung.
Die arbeitsteilige Gesellschaft und die industrielle Revolution wurden erst durch die öffentliche Beleuchtung ermöglicht. Die Tendenz, den Lebensrhythmus von dem natürlichen Tag-Nachtrhythmus abzukoppeln, wird durch die Globalisierung weiter verstärkt. Die moderne Gesellschaft ist ohne öffentliche Beleuchtung nur schwer vorstellbar. Künstliches Licht ist ein grundlegender Bestandteil der Zivilisation und Kultur.
Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung, der Städte und letztendlich der Wirtschaft geht eine Zunahme der öffentlichen Beleuchtung einher, die oft schlecht geplant mit einer immer bedrohlicher wirkenden Lichtverschmutzung verbunden ist. Licht und Beleuchtung können sowohl direkt über die Wahrnehmung als auch indirekt über die Beeinflussung biologischer Rhythmen auf Umwelt und Naturräume einwirken.
So viel Licht wie nötig, so wenig wie möglich
Es wird immer deutlicher, dass die Nacht für viele Organismen – auch den Menschen – von großer Bedeutung ist. Es geht um die größtmögliche Bewahrung der Dunkelheit zum Schutz von Mensch und Umwelt, Flora und Fauna, genauso wie um den ressourcen-
schonenden Einsatz von Energie zur Aufrechterhaltung des Weltklimas durch eine qualitätsvolle Beleuchtung – da, wo sie notwendig ist.
Der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, den öffentlichen Raum in den dunklen Stunden sicher und zweckmäßig zu nutzen, und dem Schutz der lebensnotwendigen Dunkelheit lässt sich dadurch auflösen, dass man Licht nur dort einsetzt, wo es gebraucht wird, und
in der Qualität, in der es gebraucht wird – so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.
Mittel- bis langfristig wäre eine gravierende Reduzierung des Energieverbrauchs der öffentlichen Beleuchtung bei gleichbleibender oder steigender Qualität notwendig. Möglich wäre sie dadurch, dass man stärker auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht und die vorhandenen technischen Möglichkeiten besser genutzt werden. Eine gute Lichtplanung muss immer auf die jeweilige Situation zugeschnitten sein und auf die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer eingehen.
Stimmungsvolle Beleuchtung ohne hohen Energieverbrauch
Neben den Zielen der Energieeinsparung sollten kreative, durchaus technisch anspruchsvolle Lösungen entwickelt werden, die Lichtverteilung, Lichtqualität und die richtige Beleuchtungsstärke für die entsprechende Anwendung so bestimmen, dass atmosphärische Räume entstehen, in denen man sich gern aufhält. Auch zur Weihnachtszeit ließe sich durch eine unter den vielfältigen Anbietern abgestimmte hochwertige Beleuchtung Lebensqualität schaffen und doch in Bezug auf Lichtverschmutzung und Energieverbrauch innehalten.
Gute Beleuchtung im öffentlichen Raum ändert sich im Laufe des Abends und der Nacht, im Laufe der Woche und auch saisonal. Sie kann sensorgesteuert adaptiv sein oder dynamisch den erwarteten Nutzungsszenarien angepasst werden. Überdimensioniertes Licht, das nicht der jeweiligen Nutzung entspricht, oder mangelhaft realisierte Lichtanlagen, die beispielsweise bei Anstrahlungen Streulicht erzeugen, müssen verhindert werden.
Dadurch kann eine hohe Beleuchtungsqualität im Sinne guter Wahrnehmungs-bedingungen geschaffen werden. Gleichzeitig können die negativen Folgen der nächtlichen Beleuchtung so gering wie nur irgend möglich gehalten werden. Die Lichtplanung muss immer von geschultem Fachpersonal auf Basis lichttechnischer und lichtgestalterischer Expertise durchgeführt werden, um zu verhindern, dass durch unsachgemäße Planung oder die Auswahl ungeeigneter Leuchten überflüssiges Licht entsteht.
Projekt „Dynamic Light“
Die LiTG, Deutschlands größtes Netzwerk für Licht und Beleuchtung, steht seit über 100 Jahren für „gutes Licht“. Rund 2100 Lichtexperten aus Wissenschaft und Praxis engagieren sich für die Realisierung höchster Qualität bei der Umsetzung jeder Lichtinstallation im Innen- und Außenbereich. Dabei orientieren sie sich an deutschen, europäischen und internationalen Normen und Regelwerken, die sie mitentwickeln.
Das EU-geförderte Projekt „Dynamic Light“, an dem LiTG beteiligt war, und der Berliner LED-Laufsteg, der innovative Straßenbeleuchtung erlebbar macht, zeigen, wie sich zukünftig Schutz bei Nacht mit Sicherheitsanforderungen vereinbaren lässt.
Die LiTG bietet ein eigenes Weiterbildungsprogramm und auch die Möglichkeit durch einen Fachkundennachweis, die entsprechenden Kenntnisse dokumentieren und sich in einer europaweit geführten Liste als „European Lighting Expert“ registrieren zu lassen. Mittelfristig eine gute Möglichkeit für Städte und Gemeinden, den Partner für eine gelungene Beleuchtungslösung zu finden. Thomas Römhild
Der Autor: Dr.-Ing. Thomas Römhild ist Professor an der Hochschule Wismar und Vorsitzender der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e. V. (LiTG) in Berlin.