Lastenräder mit Brennstoffzellantrieb für den Einsatz in der Stadt

Der Prototyp des Brennstoffzellen-Lastenrads. Foto: DLR

Lastenräder statt Lieferwägen einzusetzen schont die Umwelt und die Gemüter der Anwohner. In einem Forschungsprojekt wird der Einsatz von Brennstoffzellen als Antriebsart erforscht.

Lastenräder mit Elektroantrieb schonen die Umwelt und sind in Ballungsräumen häufig die schnellere Alternative zu konventionellen Lieferfahrzeugen. Eine zentrale Herausforderung für den Einsatz ist der Energiespeicher. Auch Modelle mit modernen Batterien können nicht genug Energie bereitstellen und erfordern je nach Routenlänge einen Batterietausch. Bei niedrigen Temperaturen sinkt die Leistung der Batterien zudem erheblich und schränkt damit die Zuverlässigkeit und Nutzbarkeit der Fahrzeuge ein.

Als Alternative für herkömmliche Batterien erprobt das Projektteam des transnationalen Interreg-Projekts FCCP daher von 2018 bis 2021 die Anwendung von Brennstoffzellen für den Antrieb der Räder. Durch die Brennstoffzelle kann das Lastenfahrrad größere Distanzen zurücklegen als batteriebasierte Lösungen. Eine Betankung mit Wasserstoff ist innerhalb weniger Minuten möglich und erfolgt durch eine eigenständige Tankinfrastruktur an Micro-Hubs, das sind kleine Umschlagplätze in Städten.

Das FCCP-Lastenrad kann im Gegensatz zu batteriebetriebenen Rädern auch bei kalten, winterlichen Temperaturen von bis zu minus 20 Grad durch eine innovative Vorheizung problemlos eingesetzt werden. Jeder konventionelle Paketlieferdiensttransporter, der durch ein FCCP-Lastenrad ersetzt wird, erspart den Innenstädten 5,5 Tonnen CO2 pro Jahr.

Logistikkonzept wird in fünf Großstädten getestet

Um die Leistungsmerkmale des Brennstoffzellen-Lastenrads optimal einzubinden und die Anforderungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu berücksichtigen, wird gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Paketdienstleistern, E-Commerce-Händlern und fünf Städten der am Interreg-Projekt beteiligten Partnerländer in Nordwesteuropa (Aberdeen, Groningen, Den Haag, Stuttgart und Versailles) ein innovatives Logistikkonzept entwickelt.

Ziel ist die Integration der Brennstoffzellen-Räder in die urbanen Lieferketten der Paketzusteller und damit eine Reduzierung von  CO2– und Lärmemissionen sowie von Staus. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) leitet das gemeinsame Projekt mit zwölf weiteren Partnerinstitutionen der Partnerländer Belgien, Deutschland, aus den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien.

Für die technische Entwicklung wird der Einsatz von 50 Brennstoffzellen-Lastenrädern für die innerstädtische Paketzustellung in den fünf beteiligten Großstädten getestet. Die Städte repräsentieren Testgebiete mit verschiedenen europäischen Umfeldbedingungen und Einflussfaktoren. Die deutsche Partnerstadt Stuttgart steht beispielsweise aktuell auf Platz fünf der Staustatistik in Deutschland.

Zwei Brennstoffzellen-Lastenräder in Stuttgart

Stuttgart ist daher Projektpartner und unterstützt das FCCP-Projekt aktiv mit dem Testeinsatz von zwei Brennstoffzellen-Lastenrädern in hügeligen Gebieten, aber auch durch die Förderung der zugehörigen Infrastruktur. Während des Testbetriebs werden Daten zur Analyse aufgezeichnet und ausgewertet. Das Interreg-Projekt ebnet im Stuttgarter Raum den Weg für den Einsatz von lokalen emissionsfreien Brennstoffzellen-Lastenrädern.

Ähnlich wie Stuttgart sind auch weitere europäische Großstädte zukünftige Anwendungsorte und haben großen Einfluss auf das Potenzial der Lastenräder, zum Beispiel für die Gesetzgebung. Denn Schadstoffemissionen und Staus beschränken sich nicht nur auf Deutschland, sondern stellen für alle europäischen Metropolen eine Herausforderung dar. Deshalb ergibt es Sinn, die Brennstoffzellen-Lastenräder unter den verschiedenen europäischen Umfeldbedingungen einzusetzen und zu testen.

Durch die gute Partnerstruktur zu den europäischen Beteiligten führt das Interreg-Projekt zudem unterschiedlichste Kompetenzen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Städten und Kommunen zusammen. Zur Förderung der emissionsfreien Lösung findet ein intensiver Austausch zwischen den Partnern statt.

Im Ergebnis entsteht durch die transnationale Zusammenarbeit eine klimafreundliche Logistiklösung für den städtischen Raum, die durch eine Technologieeinführung und Kommunikationsstrategie sowohl Städten als auch dem Transportsektor zugänglich gemacht werden soll. Eine interaktive Datenbank stellt Informationen der Zusammenarbeit und Erkenntnisse für die effiziente Nutzung der FCCP-Lastenräder bereit. Brigitte Ahlke, Nina Kuenzer

Die Autorinnen: Dipl.-Geographin Brigitte Ahlke und Nina Kuenzer M.Sc. sind im Referat „Europäische Raum- und Stadtentwicklung“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zuständig für die transnationale Zusammenarbeit im Rahmen von Interreg B.

Info:

Das Projekt FCCP zeigt, wie wichtig und innovativ die transnationale Zusammenarbeit von Regionen wie beispielsweise dem Raum Nordwesteuropa ist, die vor gemeinsamen Herausforderungen stehen. FCCP steht hierbei für den gelungenen Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen und die Vernetzung regionaler Akteure über Grenzen hinweg. Von 2018 bis 2021 wurde das Projekt durch das Interreg-B-Programm für den Raum Nordwesteuropa mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert und zusätzlich durch das nationale Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) unterstützt. 
Derzeit werden die Programme für die Förderperiode 2021-2027 erarbeitet. Ab Herbst 2021 ist mit ersten Projektaufrufen für Interreg-Projektförderungen zu rechnen. Ergänzend zur Interreg-Förderung unterstützt das Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit aus nationalen Mitteln ausgewählte Interreg-Projekte, die einen thematischen Schwerpunkt von besonderem Bundesinteresse aufweisen. Mehr Infos unter: www.interreg.de