Die digitale Transformation in der Entsorgungswirtschaft betrifft Planungsarbeit im Büro ebenso wie die Arbeit auf der Straße. Unternehmensberaterin Katharina Himmerich berät diejenigen, die für Müllabfuhr, Recycling und Stadtreinigung zuständig sind, und weiß, was zu beachten ist.
Nicht nur urbane Gebiete, Nahverkehr und Verwaltung werden digitaler, auch die Abfallwirtschaftsunternehmen, Umweltdienstleister und Stadtreinigungen stehen vor der Herausforderung, digital smarter zu werden. Kreislaufwirtschaft 4.0 ist das Stichwort.
Neben der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben – zum Beispiel das elektronische Abfallnachweisverfahren (eANV) – sind die strategischen Ziele der Digitalisierung in der Entsorgungsbranche vielfältig: die smarte Entsorgung und Sortierung von Abfällen, das Aufbereiten und Wiederverwerten der Abfälle, die Digitalisierung der täglichen Touren- und Mitarbeiterplanung, vollautomatisierte Wiege- und Abrechnungssysteme oder auch die Entwicklung eines komplett digitalen und nachhaltigen Geschäftsmodelles.
Eine Umstellung auf elektronische, teils vollautomatische Verfahren bietet erhebliches Einsparpotenzial. Und Entwicklungen in der Cloudtechnologie helfen, Prozesse zu optimieren, bieten mehr Rechtssicherheit und unterstützen dabei, den Service zu verbessern.
Stolpersteine der digitalen Transformation
Aber Hand aufs Herz: Noch sind die Abläufe in der Abfallwirtschaft von einem hohen bürokratischen Aufwand geprägt. Viele Prozesse schaffen dabei einen Overhead an Organisations- und Verwaltungsaufwand, der alle Parteien der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung belastet.
Der Blick nach außen zeigt viele Best-Practice-Beispiele: von der Digitalisierung der Serviceprozesse und einer Kundenplattform über Behälter-Ident-Systeme mit Füllstandsensorik bis zu einem Digitaltachographen oder einer standardisierten Data-Plattform für den Anschluss aller Partner und Dienstleister. Aber wo fange ich an? Diese Frage stellen sich aktuell viele Unternehmenslenker – und lassen sich von vielfältigen Möglichkeiten in der digitalen Transformation begeistern, ohne die vielfältigen Stolpersteine zu berücksichtigen.
Ein Blick nach innen hilft den strategischen Fokus zu wahren, denn selten sind die internen Prozesse digitalisiert, spiegeln vielmehr einen Ist-Zustand der letzten 15 Jahre. Die oft fehlende Prozessklarheit und Transparenz innerhalb der Organisation sowie die fehlende Digitalisierung führen zu Verzögerungen und Kostenexplosionen in den Digitalisierungsvorhaben. Zudem zeigt der Blick nach innen, dass es an Skills und Knowhow in der Belegschaft und einer Erklärung der Prozesse seitens der Geschäftsführung fehlt.
Unternehmenskultur und Mitarbeitende berücksichtigen
Ohne Frage: Es ist aufwendig, Digitalisierung zu planen, es erfordert Ressourcen und insbesondere eine strategische Vorbereitungszeit mit klaren Botschaften – die Mission – für alle im Unternehmen. Aber insbesondere zwei Faktoren werden dabei zu wenig berücksichtigt, was wiederum wertvolle Projektzeit und monetäre Auswirkungen mit sich trägt: die Unternehmenskultur und die Menschen.
„Du kannst aus Eisenkarl keinen Google machen, Eisenkarl hat seine eigene Kultur“, so bringt es Thomas Brodowski auf den Punkt, Geschäftsführender Gesellschafter der 2bessential GmbH, und macht damit deutlich, dass die Bereitschaft, Prozesse und Arbeitsweisen zu ändern, mit Verstehen und gleichzeitig mit dem Wunsch nach Beteiligung zu tun hat.
Digitalisierung nach Schema F kann nicht zu einem nachhaltigen Erfolg führen. Die Kultur innerhalb des Unternehmens sowie die Bereitschaft für Veränderungen beeinflussen maßgeblich, wie die Digitalisierungsprojekte umgesetzt werden und in welcher Geschwindigkeit.
Schlüsselfunktion der Führungskräfte und Teamleitungen
Mehr denn je ist die Zusammenarbeit aller Unternehmenseinheiten gefragt. Digitale Prozesse sind im Unternehmen global zu verstehen, und dazu müssen alle Fachbereiche gemeinsam die Soll-Prozessketten und Schnittstellen erarbeiten. Bei der nun auftretenden Vielzahl von digitalen Vorhaben empfiehlt sich ein Multiprojektmanagement oder neudeutsch Portfoliomanagement, das alle Projektvorhaben bündelt, monetär bewertet, personelle Engpässe berücksichtigt und stetig die Auswirkungen und Ergebnisstände der Einzelprojekte auf das strategische Gesamtziel analysiert.
Zudem darf bei aller Transformationsfreude das laufende Tagesgeschäft nicht vergessen werden! Es gilt, die Menschen nicht zu überfordern, damit die Digitalisierungsprozesse nicht zum internen Sprengstoff werden oder sich über Jahre hinziehen.
Dabei kommt allen Führungskräften und Teamleitungen eine besondere Schlüsselfunktion zu, denn althergebrachte – teilweise verkrustete – Prozesse und auch Arbeitsweisen müssen umgestellt werden. Es gilt, neue Verknüpfungen zwischen internen Strukturen, Prozessen und der Außenwelt aufzusetzen. Katharina Himmerich
Die Autorin: Katharina Himmerich ist Soziologin und Expertin für Unternehmenskulturanalyse, Dozentin an der FHM Bielefeld für BWL und Geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung 2bessential GmbH.