Konjunkturpaket: Unterstützung für den Neustart der Kommunen

Für die Belebung der Wirtschaft sind Investitionen der öffentlichen Hand ein zentrales Instrument. Mit seinem Konjunkturprogramm und der Entlastung der kommunalen Haushalte setzt der Bund ein wichtiges Signal, damit die Städte und Gemeinden in und nach der Corona-Krise finanziell handlungsfähig sind.

Für viele von uns ist die Corona-Krise mittlerweile Teil unserer täglichen Routine geworden. Mundschutz, Abstandsregeln, Homeoffice oder Videokonferenzen dokumentieren aber auch die Singularität dieser Krise. Was ist aus ökonomischer Sicht für die Kommunen einzigartig in dieser Covid-19-Krise?

Konjunkturelle Abschwungphasen sind für die Wirtschaft und den Staat eine Herausforderung, aber in der Regel ohne größere Verwerfungen zu bewältigen. Für exogene Schocks wie die Finanzkrise 2008/2009 oder jetzt für die Corona-Krise gilt das nicht. Die Wirtschaft bricht plötzlich und unerwartet zusammen, der Rückgang des Sozialprodukts ist deutlich höher als bei konventionellen Rezessionen, die staatlichen Einnahmen gehen schlagartig zurück, und die Krise trifft global nahezu alle Volkswirtschaften zur gleichen Zeit. Anders als in der Finanzkrise sind in der Corona-Krise durch den temporären nahezu vollständigen Zusammenbruch des öffentlichen Lebens fast alle Branchen der Wirtschaft betroffen.

Die Corona-Krise trifft die Kommunen in besonderer Weise. Wirtschaft und öffentliches Leben finden in den Gemeinden statt. Beides ist durch die Krise zeitweise zum Erliegen gekommen. Unternehmen in Gewerbegebieten und Geschäfte in den Zentren geraten gleichermaßen unter Druck, trotz Stillstand eine Insolvenz abzuwenden. Hinzu kommt: Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Kultureinrichtungen oder touristische Betriebe sind nicht nur Wirtschaftsunternehmen. Sie prägen auch das Stadtbild, sie sind Teil des Lebensgefühls. Wenn viele von ihnen infolge der Pandemie insolvent würden, hätte die Stadt ein anderes Gesicht. Eine hohe Leerstandsquote würde zudem durch „Ansteckungseffekte“ die Umsätze und die wirtschaftliche Existenz der verbliebenen Geschäfte gefährden. Die Wohnbevölkerung hat bezüglich ihres Konsums Ausweichmöglichkeiten durch Lieferservice, Online-Handel oder Einkaufszentren am Stadtrand. Aber die meisten Menschen empfinden Kulturbetriebe, Gastronomie und Einzelhandel, die in ihre Stadtquartiere integriert sind, als etwas, das ihre Lebensqualität ausmacht.

Der schnelle Einsatz von Zuschuss- und Liquiditätsprogrammen von Bund, Ländern und Förderbanken hat zweifellos eine unkontrollierte Pleitewelle verhindert. Es ging nicht darum, schlecht aufgestellte Unternehmen am Leben zu halten, sondern im Gegenteil darum, dafür zu sorgen, dass wettbewerbsfähige Unternehmen nicht unverschuldet vom Markt verschwinden. Für die Innenstädte waren die Hilfsprogramme von überragender Bedeutung, weil der stationäre Einzelhandel, die Gastronomie, Kultureinrichtungen und die freischaffende Kulturszene viel stärker von den restriktiven Einschränkungen zu Beginn der Krise betroffen waren als Unternehmen des produzierenden Gewerbes.

Mit „Bazooka“ und „Wumms“ durch die Krise

Nach dieser ersten Rettungsphase – der „Bazooka“ – geht es jetzt darum, die Wirtschaft über Konjunkturprogramme – den „Wumms“ – wieder in Gang zu bringen, um es in der medienorientierten Terminologie des Bundesfinanzministers auszudrücken. Dabei verändert sich die Rolle der Kommunen. Für die Konjunkturbelebung sind öffentliche Investitionen ein zentrales Instrument. Wenn – wie in Deutschland – 60 Prozent der öffentlichen Investitionen von der kommunalen Ebene getätigt werden, dann müssen wirksame Konjunkturprogramme sicherstellen, dass die Kommunen auch investitionsfähig und entsprechend finanziell ausgestattet sind.

Bereits vor der Krise bezifferte das Deutsche Institut für Urbanistik den kommunalen Investitionsstau auf 147 Milliarden Euro. Viele Kommunen in Deutschland gelten als überschuldet, insbesondere aufgrund hoher Kassenkredite, mit denen nicht Liquiditätsengpässe überbrückt, sondern strukturelle Defizite finanziert werden. Mit Einbruch der Krise passierte das, was aus früheren Rezessionen nicht in dieser Dimension, aber von der Wirkungsweise schon bekannt war. Die Gewerbesteuereinnahmen, die aufkommensstärkste, aber auch konjunkturempfindlichste Gemeindesteuer, brachen drastisch ein.

Die Mai-Steuerschätzung geht für 2020 von einem Rückgang um zwölf Milliarden Euro aus, was ein Minus von fast 25 Prozent gegenüber der Schätzung vom November 2019 bedeutet. Krisenbedingt müssen die Kommunen nicht nur weitere Mindereinnahmen bei den Steuern, zum Beispiel beim Anteil an der Einkommensteuer, und im kommunalen Finanzausgleich hinnehmen. Es entstehen auch Mehrausgaben, vor allem bei den Sozialleistungen, und höhere Defizite beim Öffentlichen Personennahverkehr und im Bereich kommunaler Krankenhäuser.

Lösung für hoch verschuldete Kommunen steht aus

Der Ausgleich der Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer und die dauerhafte Erhöhung des Finanzierungsanteils des Bundes bei den Kosten der Unterkunft auf 75 Prozent (rund 4 Mrd. Euro pro Jahr) sind ein richtiges und bemerkenswertes Element des staatlichen Konjunkturpakets. Richtig ist auch, dass der Bund seine öffentlichen Investitionsprogramme mit deutlich mehr Geld ausstattet und dabei dem Gedanken der Transformation, also zukunftsorientierten Investitionen (z. B. Klimaschutz, Digitalisierung), Priorität einräumt. Trotz der Haushaltsverbesserungen für die Kommunen kommt aber der Gedanke der Investitionsfähigkeit zu kurz. Finanzschwache Kommunen können die zusätzlich in den Programmen bereitgestellten Mittel nur abrufen und damit zur gesamtstaatlichen konjunkturellen Erholung beitragen, wenn sie aus der Überschuldungsfalle befreit werden.

Auf den vom Bundesfinanzminister vorgeschlagenen Altschuldenfonds, der hälftig vom Bund und den jeweils betroffenen Ländern finanziert werden sollte, konnte sich die Koalition nicht verständigen. Die Interessengegensätze zwischen Ländern mit gering und Ländern mit hoch verschuldeten Kommunen scheinen politisch derzeit nicht überwindbar. Eine Alternative wäre gewesen, die Eigenfinanzierungsanteile in den Investitionsprogrammen für hoch verschuldete Kommunen abzusenken. Hier besteht Nachbesserungsbedarf im parlamentarischen Verfahren zur Verabschiedung des Konjunkturpakets.

Ohne eine Verbesserung für Kommunen mit hohen Kassenkrediten besteht nicht nur die Gefahr, dass die Investitionsprogramme nicht ausreichend umgesetzt werden. Auch die ohnehin bestehende Kluft zwischen armen und reichen Kommunen wird größer und die vielbeschworene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse immer weniger erreicht. Unabhängig davon, ob im parlamentarischen Verfahren nachgebessert wird, sind nun die Länder mit hoch verschuldeten Kommunen gefordert, wenigstens ihren hälftigen Anteil, den sie beim „Scholz-Vorschlag“ hätten mitfinanzieren müssen, zur Entschuldung ihrer Kommunen einzusetzen.

Carsten Kühl

Der Autor
Prof. Dr. Carsten Kühl ist Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin