„Kompetenzzentrum Beschaffungswesen“ im Kreis Groß-Gerau

Landrat Thomas Will (v. l.) und Stadträtin Marion Götz bekommen vom hessischen Innenminister Peter Beuth den Fördermittelbescheid für das kommunale Vergabezentrum überreicht. Foto: Kreis Groß-Gerau

Der Kreis Groß-Gerau und seine 14 Kommunen haben sich im interkommunalen „Kompetenzzentrum Beschaffungswesen“ zusammengeschlossen. So können sie den Bezug von Produkten und Dienstleistungen effizienter und zugleich nachhaltiger gestalten.

Im Jahr 2013 haben der hessische Landkreis Groß-Gerau sowie seine 14 Städte und Gemeinden das Beschaffungswesen als wichtiges gemeinsames Handlungsfeld erkannt. Ausgangspunkt hierfür war das Bedürfnis der Verwaltungen nach Unterstützung auf dem komplexen, sich stetig verändernden Feld des Vergaberechts. In den meisten Kommunen wurden Beschaffungen neben der Tagesarbeit wahrgenommen. Beschäftigte verfügten daher oft nicht über das erforderliche aktuelle Spezialwissen.

Daraus ergaben sich für die Kommunen rechtliche, finanzielle, leistungsbezogene sowie zeitliche Risiken und Nachteile. Auch eine strategische Ausrichtung von Beschaffungen auf Nachhaltigkeitskriterien war schwer möglich. Gemeinsames Ziel der Kommunen und des Kreises Groß-Gerau war daher 2015 die Schaffung eines „Kompetenzzentrums Beschaffungswesen“, das Verfahren rechtssicher und wirtschaftlich durchführt und den Kommunen jederzeit in Vergabefragen zur Verfügung steht. In einem interkommunalen Projekt wurden hierfür unter Federführung der „Lenkungsgruppe für die interkommunale Zusammenarbeit“ die notwendigen Vorbereitungen getroffen.

Sach- und Personalkosten eingespart

Das kommunale Vergabezentrum im Kreis Groß-Gerau hat am 1. Juli 2017 seine Arbeit aufgenommen. Grundlage seiner Tätigkeit ist eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, der die Kommunen und der Kreis Groß-Gerau beigetreten sind. Der Sitz des Vergabezentrums in der Kreisverwaltung ermöglicht seitdem vielfältige Synergieeffekte für die kommunale Gemeinschaft.

Durch Mengenbündelungen, Prozessoptimierungen, effizienteren Personaleinsatz und Einsparung externer Dienstleister haben die angeschlossenen Kommunen bereits im ersten Jahr der Tätigkeit rund 44 Prozent ihrer vorherigen Personal- und Sachkosten eingespart. Im zweiten Jahr wurden rund 59 Prozent Einsparungen erzielt. Diese Entwicklung setzte sich in den Folgejahren auf gleichem Niveau fort.

Seit seiner Gründung bis Ende 2021 hat das Vergabezentrum mehr als 1500 Vergabeverfahren erfolgreich durchgeführt. Die Einsparungen der beteiligten Kommunen belaufen sich auf fast 300.000 Euro pro Jahr. Weitere Vorteile der Kooperation sind:

  • jederzeitige Handlungsfähigkeit der Kommunen bei Beschaffungen, auch bei örtlichen personellen Engpässen,
  • jederzeit mögliche Inanspruchnahme von Beratungsleistungen, dadurch hohe Rechtssicherheit,
  • Routine auch in selten durchzuführenden Beschaffungsarten, Einsparung von Bearbeitungsaufwand,
  • erhebliche Zeit- und Aufwandsersparnis für die Kommunen,
  • Unterstützung der Kommunen bei der Realisierung strategischer Beschaffungsziele wie die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien.

Bei allen Beschaffungen durch das kommunale Vergabezentrum wird neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Grundsatz der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Gleiches gilt für soziale und innovative Anforderungen sowie Tariftreue und Mindestlohn. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsstandards wird auch durch eine Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik gewährleistet, die mit dem Arbeitsstart des Vergabezentrums beim Kreis Groß-Gerau ihre Arbeit aufgenommen hat.

Landes- und bundesweites Vorbild

In Zusammenarbeit mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung in Bonn wurden zudem mehrere Schulungen für die Mitarbeiter der Kommunalverwaltungen und der Kreisverwaltung durchgeführt. Ein Konzept für nachhaltige Beschaffung, ein Flyer zur Sensibilisierung der Mitarbeiter und eine nach umweltfreundlichen und sozialverträglichen Kriterien ausgerichtete Beschaffungsplattform, beispielsweise für Büromaterialien und Papier, runden das nachhaltige Beschaffungsangebot ab.

Die Gründung des kommunalen Vergabezentrums war ein landesweites Pilotprojekt, das wegen seines Modellcharakters vom Land Hessen mit einer Zuwendung von 100.000 Euro gewürdigt wurde. 2019 wurde es zudem mit dem „Spar-Euro“ des Bundes der Steuerzahler Hessen ausgezeichnet.

Zahlreiche Nachfragen von Landkreisen und Kommunen, Behörden und Institutionen bundesweit zeigten seitdem ein hohes Interesse an dem im Kreis Groß-Gerau entwickelten Modell. Mehrere hessische Kreise und Kommunen sind inzwischen mit der Bildung eigener Vergabezentren dem Beispiel des Kreises Groß-Gerau gefolgt. Marion Götz, Marta Wachowiak

Die Autorinnen: Marion Götz ist Erste Stadträtin der Kreisstadt Friedberg (Hessen, 27.000 Einwohner) und leitet die Lenkungsgruppe für die interkommunale Zusammenarbeit im Kreis Groß-Gerau. Dr. Marta Wachowiak ist Fachdienstleiterin Klimaschutz des Kreises Groß-Gerau.